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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 7.1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.1200#0207
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genden der Gegenstand, auf dem er sitzt oder liegt, sei es Fels oder
Erdreich, Thron oder Ruhebett. Während nun die Malerei mit
Leichtigkeit dies Alles in ihr Werk aufzunehmen, ja solcher Forde-
rung sich kaum zu entziehen vermag, darf die Plastik sich mit der
einfachsten Andeutung begnügen, darf selbst diese sich ersparen, wenn
irgend Gestalt und Stellung ihren Zweck ohnedem errathen lassen.
Vielleicht hat dieser Punkt ihr am stärksten jenen eigenthümlichen
Zug zum Symbolischen, Bedeutsamen, wie zum Einfachen, Abgeschlos-
senen gegeben, der das profanum vulgus von ihr fern hält. Es
ist ihr im Tiefsten eigen, ihren Gegenstand gleichsam von aller Welt
auszuscheiden, ihn so viel möglich ganz auf sich ruhend in absolutem
Sein hinzustellen.

2st nun eine Andeutung der Außenwelt unvermeidlich zum Ber-
ständniß, so genügt, wie schon bemerkt, die kleinste. Ein Baum-
strunk vertritt den Wald, ein Paar Wellenlinien oder ein Delphin
das Meer, und so überall. Es geht dies so sehr aus innerer Noth-
wendigkeit hervor, daß eigentlich kaum dagegen gesündigt werden
kann. Wenn neuere Bildner bis auf Canova Wolken, Johann von
Bologna sogar (bei seinem Merkur) den Hauch des Windes darge-
stellt, so liegt der Verstoß gegen die Gesetze der Sculptur doch we-
sentlich in der unplastischen Natur des Dargestellten, nicht in dessen
Anwesenheit überhaupt.

Es ist doch schon etwas ganz Anderes um das Relief, das,
wenn nicht eine Mittelstufe zwischen Sculptur und Malerei, doch
sicherlich die Gränzprovinz der erstern ist, wo an sie die zweite an-
stößt. Hier ist schon innerhalb des Kunstwerks ein Raum neben
den Gestalten vorhanden, in dem sich außer der Hauptsache noch
allerlei Andres ergeben kann — mit Einem Worte, hier ist, wie
beim Gemälde, ein Hintergrund.

Wenn es richtig ist, daß die Griechen diesen Grund bei Giebel-
feldern und Metopen gefärbt haben, so war dies gewiß ursprüng-
lich völlig plastisch gemeint, nämlich als eine Art Negation dessel-
ben. Sie erreichten aber allerdings gleichzeitig einen malerischen
Zweck damit, — die Gestalten wirkungsvoller hervortreten, sich ab-
setzen zu lassen, und der Grund durste nur blau sein, um schon
durch die Gedankenverbindung mit der Farbe des Himmels ein völ-
lig pittoreskes Motiv einzuführen, von dem nur Ein Schritt zu
einer Carnation und sonstigen Farbengebung bleibt. So nah stoßen
hier die Gebiete der beiden Künste zusammen.

Der Hintergrund sollte aber nicht sowohl negirt, als ignorirt,
wie nicht vorhanden betrachtet werden. Er war höchstens die Tem-
pelwand, an deren jene festlichen Züge von Priestern und Opfer -
thieren, Reitern und Korbträgerinnen sich gemessen hinbewegten, nur
ein Bestandthcil der Architektur, nichts weiter. Inzwischen war er
aber doch vorhanden, und bot sich nicht umsonst zur Benutzung.
Während bei Statuen die Kunst mehr auf das einzelne Individuum,
wenigstens auf die einzelne Handlung hingewiesen ist, eignet sich das
Relief für größeren Figurenreichthum, für epische Entfaltung gleich-
zeitiger oder sich folgender Momente. Desto erwünschter mußte die
Möglichkeit sein, die Lokalitäten des Dargestellten zu präzisiren, die
einzelnen Scenen bedeutsam trennen zu können. Bald bezeichnete
ein Hausgeräth, gleichsam hinter den Figuren aufgehängt, das Innere
einer Behausung, bald ein Baum oder anderes Gewächs, Wald
und Feld — aber auch wohl eine Personifikation das Land, den
Strom oder Berg, der die Handlung mitangesehen. Alles das war
noch im alten plastischen Sinne andeutend, symbolisch. Vielleicht
erst, wenn Theile der umgebenden Architektur mit in die Darstel-
lung ausgenommen wurden, wenn Portal und Säulen den Eingang,
hängende Tücher das Innere bezeichneten, war der erste Schritt in
ein anderes Gebiet gethan. Er sollte nicht das letzte sein.

Als ihrerseits die Malerei ihre ersten Schritte versuchte, hielt
sie sich schüchtern an die ältere Schwester. 'Vergleichen wir die

früher» Beschreibungen mit denjenigen Kunstwerken, in denen sie
ohne Zweifel am meisten der ursprünglichen Weise treu geblieben
ist, den bemalten Vasen, so spricht nicht nur in der ganzen Kompo-
sition, sondern auch in der Behandlung des Einzelnen unverkennbar
der Geist der Reliefs, und selbst in einem Theil der Pompejanischen
Malereien treten noch dieselben Prinzipien mit großer Macht und
Frische auf. Der einfarbige Grund hat noch keinen andern Zweck,
als den Umriß der Figur kenntlicher hervorzuheben. Ost selbst
ohne Boden, ohne Flnth tanzen und schwimmen die zierlichen Frauen-
gestalten, schreiten und gleiten Panther und Seerosse an uns vor-
über. Bedarf es aber einer erläuternden Zuthat, so hängt auch
hier die gehenkelte Urne, das ruhende Schwert neben den Eigenthü-
mern im leeren Raum, die Häuslichkeit zu bezeichnen, und so ließe
sich auch .alles Uebrige leicht in die Sprache des Reliefs zurück-
übersetzen.

der Hand der Schwester erscheint, so mußte sie doch bald weiter,
sie mußte ihren eigenen Weg gehn. Nur zwei Dimensionen des
Raumes waren ihr gegeben, aber innerhalb dieser Grenze sollte sie
ihn und die Erscheinungen in ihm ganz anders umfassend beherr-
schen, als die Sculptur. Wer als der Erste den Umriß in Linien
bannte, war ein Zeichner. Auch wer ihn zuerst mit Farbe aus-
füllte, war noch keim Maler- Aber Der war es, der zuerst nicht
nur der Gestalt, sondern auch der Fläche, auf der sie stand, statt
des hergebrachten Roth und Schwarz, Farben der Wirklichkeit gab,
der es wagte, eine Luft zu malen. Und so war der erste selbst-
ständige Schritt der Malerei nicht nur einer auf dem Felde des
Naturalismus, sondern auch der erste in das Gebiet —- der
Landschaft.

Fortan war die unbelebte Natur, die den Menschen umgiebt,
mit in den Kreis der Darstellung gezogen, nicht mehr als Attribut,
im bloß symbolischen Sinn, sondern als integrirender Bestandtheil,
Der Raum an sich hörte auf, etwas Abstraktes, nur durch eine
Hieroglyphe Bezeichnetes zu sein: er wurde zugleich begrenzt und
unendlich weit über die bisherigen Schranken ausgedehnt. Jetzt erst
konnte von einer malerischen Illusion, jetzt erst von Naturwahrheit
in der Malerei die Rede sein. Die Gestalten klebten nicht mehr
rcliefartig am Grund, sie wandelten in ihrer eigenen Atmosphäre,
auf einem neuen Boden. Die Gruppen reihten sich nicht mehr flach
nebeneinander, sie traten vor und zurück, wie das Interesse der Dar-
stellung es forderte. Und jetzt erst konnten die beiden wichtigsten
Hülfsmittel der Malerei, die Linear- und die Lustperspektive geahnet
und nach und nach entwickelt werden. Ohne sie aber keine vollen-
dete malerische Modellirung, keine volle und naturgemäße Wirkung
der Farben!

Es ist schwer, nach den theils dürftigen, theils mit rhetorischem
Prunk, wie bei Philostrat, überladenen Beschreibungen der Alten zu
beurtheilen, wieweit die antike Malerei in diese neuen Offenbarun-
gen eingedrungen sei. So viel scheint uns schon aus der Mannig-
faltigkeit des Stoffs, die doch eigentlich schon den ganzen Kreis, vom
religiösen und Geschichtsbild bis zum Stillleben und zur Caricatur,
umfaßt, ferner aus den verschiedenen Vorzügen, die man an einzel-
nen Meistern und Werken preisend hervorgehoben, und die ihrerseits
ebenfalls kaum ein wesentliches Element malerischer Darstellung ver-
missen lassen'— aus allem diesem, sagen wir, scheint so viel her-
vorzugehen, daß man den Standpunkt der antiken Malerei im Gan-
zen eher zu niedrig als zu hoch anzuschlagen pflegt. Nun hat uns aber
glücklicherweise das Aschengrab Pompeji's, außer jenen Darstellungen
von primitiverem Charakter, auch Proben anderer Art aufbehalten,
Gemälde von völlig ausgebildeter Wirkung, von einem Schmelz des
Colorits und der Carnation, die in der Wandmalerei kaum jemals
übertroffen sind, und in der ganzen Komposition so rein malerisch.
 
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