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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 7.1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.1200#0230
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ein damit verknüpfter Landaufenthalt den bestimmten Entschluß erzeugten,
Irvings Schilderungen und Erzählungen mit seinem Zeichnenstift illustri-
rend zu begleiten.

Es war ihm nicht vergönnt, die Arbeit ganz zu vollenden und er
hatte noch auf dem Todtenbette den dringenden Wunsch, daß sein Freund
Wilh. Camp Hansen sich dieser Aufgabe unterziehen möchte. Dies ist
geschehen. Camphausen hat die fehlenden Zeichnungen theils nach Ritter's
hinterlassenen Skizzen, theils nach eignen Entwürfen vervollständigt. Außer-
dem aber hat er das auch sonst in Format, Druck und der ganzen äußern
Erscheinung höchst elegant ausgestattete Blich mit einem Portrait seines
Freundes geschmückt und man erblickt als Titelkupfer, von Xaver Steifen-
sand in Düsseldorf trefflich gestochen, das sanfte, überaus schöne und aus-
drucksvolle Antlitz des so früh Heimgegangenen Künstlers.

Wir gaben von demselben in 3, Iahrg. 1854 einen kurzen Ne-
krolog. Eine ausführlichere Lebensbeschreibung ist mit derjenigen des illu-
strirten Autors dem in Rede stehenden Buche vorangestellt.

Die Erzählungen — 18 an der Zahl — sind aus den drei berühm-
ten Werken des Autors: Sketch - book, Bracebriclge-Hall und Tales of
a traveller ausgewählt und werden von nicht weniger als 80 Bildern
geziert. Entweder geben sie in sehr glücklicher Weise die aus den Zeilen
hervortretenden Seenen wieder oder sie bilden sich selbständig aus dem
Stoff genau im Geiste des Dichters und mit demselben, fein ironisirenden
Humor. Die landschaftlichen Scenerien sind voll charakteristischer Poesie,
die Figuren, wie sie der Dichter gar nicht anders gedacht haben kann.
Gerade seine Art vorzutragen, seinen Schl geben sie so glücklich wieder,
-daß man auch ohne den Text auf Washington Irving rathen würde, wenn

man es nicht wüßte oder aus dem dargestellten Gegenstände abnähme. Mau
urtheile angesichts des ersten hier mitgetheilten Bildes zu der berühmten
Geschichte von Rip van Winkle. In jedem Zug ein Stück vom phlegma-
tischen holländischen Amerika vor der Union. Der dicke Mann da ist der
Wirth; man sieht ihm an, daß er dort vom Morgen bis in die Nacht zu
sitzen im Staude ist, „daß er sich nur eben weit genug bewegen wird, um
die Sonne zu meiden und sich in dem Schatten des großen Baunies zu
halten, so daß die Nachbarn nach seinen Bewegungen die Stunden ebenso
genau, wie nach einem Sonnenzeiger angeben können." Zum Sprechen
ist er nicht eingerichtet; er wird es nur bis zu einer beschleunigteren Oeff-
nung und Schließung des Mundventils bringen, um größere Rauch-
masien in kürzeren Stößen hinauszulassen, wenn ja etwas von Bewe-
gung in ihm Vorgehen sollte. Nur daß er Nicholas Vedder heißt, kann
man ihm nicht ansehen, sonst deckt er die Schilderung des Dichters voll-
kommen. Ebenso der kleine gelehrte Schulmeister neben ihm, der
das zufällig von einem Reisenden zurückgelassene alte Zeitungsblatt vor-
trägt und sich durch das riesigste Wort im Lexikon nicht schrecken läßt.
Man sieht, dies ist der einzige Kopf, der beim Unabhängigkeitskriege eine

Rolle wird spielen können. — Die Geschichte von- Rip van Winkle ist
überhaupt sehr reich bedacht, indem ihr 12 Bilder gewidmet sind ; voraus-
geschickt ist das Bildniß des ehrenwerthen Dietrich Knickerboker, ein wahres
Spiegelbild von Gutmüthigkeit, deren Beschränktheit in Eigensinn auszuar-
ten vermag; überhaupt.ist in charakteristischen Portraits und Figuren viel
geleistet. Bisweilen sind sie in ganzen Gruppen beisammen: so die Kegel-
! gesellschaft in den Kaatskillbergen, die Gesellschaft der Iagdmahlzeit, welckw
auch besonders sorgfältig geschnitten ist und zwar, wie wir drunter bemerkt
finden, in Kretzschmar's Anstalt, welche vielleicht alle Stöcke lieferte.
Ein gutes Portrait ist auch der reisende Veteran, der die Geschichte vom
gespenstischen Bräutigam erzählt. Offenbar hat unseres Bürger's Lenore
dem in der deutschen Sagenwelt und am deutschen Rhein bewanderten
Dichter Anstoß zu dieser Geschichte gegeben. Aber er hat eine ganz lustige
daraus gemacht und der große Freund und brillante Erzähler von Gespen-
stergeschichten (man vergl. die Abentheuer des Onkels und der Tante, der
Teufel und Tom Walker, der kühne Dragoner) hat sich darin gefallen,
aus einer der großartigsten unserer deutschen Geistergeschichten das Ge-
spenst heraus zu eskamotiren und das Ding mit Fleisch und Bein recht
 
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