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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 7.1856

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https://doi.org/10.11588/diglit.1200#0322
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311

In allen wissenschaftlichen, aber vor allen in historischen Un-
tersuchungen kommt mir nichts lächerlicher vor, als die s. g. „Recht-
haberei", wie sie schon eine der größten Untugenden des gesellschaft-
lichen Lebens ist. Um keinen Preis möchte ich mich derselben schul-
dig wissen; mir ift's vollkommen gleichgültig, wer im Irrthum ist
oder war, wenn nur die Wahrheit gewonnen wird. Um so gewisser
hat Hotho gegen mich an dieser Stelle Unrecht, wenn er sagt: „För-
ster macht sie (die Darbringung) zu Stephans Iugendwerk obschon
er deshalb die darauf befindliche Jahreszahl 1447 in 1407 ver-
wandeln muß." Daß ich der Jahrzahl des Zettels keine Gewalt
angethan, kann mir vor dem Bild und der hier beigegebenen Abbil-
dung leicht Jeder bezeugen. Freilich können — und das nehmen
diejenigen an, welche 1447 lesen — die beiden Striche, welche den
Rhombus zur 4 machen hinter dem Umschlag des Zettels verschwin-
den. Das muß man aber erst annehmen; denn es ist von dieser
Fortsetzung nicht so viel zu sehen, als von dem cbern Strich der
rechts über das Viereck hinaus geht. Und doch konnte der Maler,
wenn er eine zweite 4 machen wollte, so leicht wie bei der ersten
eine kleine Biegung in den Umriß des Umschlags bringen, um die
Fortsetzung der Vierecklinien deutlich zu machen! Man sieht wenig-
stens, daß der Jrrthum nicht unwiderleglich auf Einer Seite steht,
und daß wir die Entscheidung noch nicht in der Hand haben mit
dein Zettel. Etwas anderes ift's aber mit der Zeitbestimmung die-'
- ses Bildes im Verhältniß zum Dombild. Mir erscheint es in
Empfindung, Färbung und Ausführung jugendlicher, als das Dom-j
bild, in welchem mit weiter gehender Rundung und Adoncirung '
schon der Uebergang zu der Behandlung gemacht wird, die wir an
den Flügelbildern in der Münchener Pinakothek wahrnehmen.

Noch gicbt es eine dritte Jahrzahl, welcher zur Bestimmung!
über die Lebenszeit des Meister Stephan angezogen wird. Sie be-
findet sich in der Darmstädter großh. Bibliothek auf der letzten
Seite eines deutschen Gebetbuches mit deutscher Schrift, und mit
Miniaturen aus dem Leben der Maria, welche unverkennbar Ste-'
phans Arbeit sind. Auf dieser letzten Seite steht: Anno salutis
nostrae 1453; allein, wie ich bereits in meiner deutschen Kunstge-
schichte bemerkt, und bei wiederholter Ansicht, mit eigenen und frem-
den Augen ganz zweifelsohne bestätigt gefunden habe, mit blässerer
Tinte und von einer andern Hand, als das übrige Buch geschrie-
ben. Hotho nimmt auf dieses Werk keine Rücksicht; ich glaube mit
Unrecht; denn es hat nicht nur historischen Werth, sondern alle Vor-

züge des Meisters wenn auch in bescheidenem Raume. Ich habe in
meiner deutschen Kunstgeschichte diese Miniaturen in die Zeit der
Darbringung gesetzt, und habe mich durch die Jahrzahl 1453 aus
den angegebenen Gründen nicht irren lassen. Aber freilich habe ich
bei wiederholter Durchsicht des Buches eine Bemerkung geinacht,
die meinen Annahmen gefährlicher zu werden droht, als was bisher
gegen sie angeführt und ich will sie gern mittheilen. Das Gebet-
buch enthält einen Kalender; und in diesem fängt eine Jahrzahlreihe
mit 1451 an, worauf 1460, 1468, und 1485 folgen; eine zweite
dergleichen Reihe fängt wieder mit 1451 an und geht bis 1487.
Vor allen Dingen gilt es, die Bedeutung dieser Jahrzahlen zu er-
mitteln, was wohl nicht sehr schwierig sein dürfte; sodann zu unter-
suchen, ob der Kalender ursprünglich, wie es den Anschein hat, zu
dem Gebetbuch gehört? Vielleicht, daß damit einige Sicherheit für
die Zeitbestimmung über Stephans Thätigkeit gewonnen wird.

Bei der Gruppirung der Werke Stephans und seiner Schüler
läßt es der Vcrf. (S. 415) unentschieden, ob er immer das Näch-
tige getroffen, und allerdings weichen die Annahmen Verschiedener
noch sehr von einander und auch von der seinigen ab. Ich rechne
vor Allem dahin die Zeitbestimmung und das Verhältniß der Apo-
stel in der Münchener Pinakothek und einiger ähnlicher Gemälde,
welche er in die Schule und Nachfolge Stephans setzt; während ich
darin die Hand eines ältern Zeitgenossen sehe, welcher dem Meister
Wilhelm näher steht, als ihm, namentlich in den rundlichen For-
men, weichen, langgeschwungenen Falten und der stark ins Weiße
modellirten Carnation. Ja, die beiden ersten Apostel (wesentlich ver-
schieden von den andern) sind wahrscheinlich von Wilhems Hand.
Sodann stellt Hotho noch einen Grundsatz auf, der allerdings der
Vorsicht angehört, mit welcher er überhaupt zu Werke geht, aber
dennoch nicht wirklich fördert, den nämlich: unbeglaubigte, oder un-
sichere Bilder lieber der Schule als dem Meister zuzuschreiben. Bei
Jrrthum aber bleibt es vollkommen gleich, ob man ein Schüler-Bild
dem Meister zu-, oder ein ächtes ihm abgesprochen und für ein
Schulbild erklärt hat; ja das letztere ist fast empfindlicher für den
Meister, und bedenklicher für die Klarheit des Urtheils.

Mit Verlangen sehen wir dem zweiten Bande entgegen, in
der Zuversicht, eine wesentliche Bereicherung der deutschen Kunstge-
schichte damit zu erhalten, zumal wenn der Verf. in der Aufzählung
der Werke möglichste Vollständigkeit eintreten läßt.

8 r i t n n g.

WL. perlilty im August. Wir verdanken der Güte des Herrn Hohe
in Bonn einen weiteren Bericht über seine Aufdeckungen alter Wandmalereien
am Rhein, den wir unfern Lesern hiermit vorlegen:

Abermals bin ich in den Stand gefetzt, Ihnen einige Mittheilungen zu
machen über das, was ich in St. Severin zu Cöln und in der Stadtkirche zu
Linz a. Rh. vorfaud, nachdem ich wiederum vom Herrn Regierungspräsidenten
von Möller darauf aufmerksam gemacht und um ein Gutachten anfgefordert wor-
den bin.

Ueber die Malereien in der Krypta zu St. Severin sagt Hotho in
seinem Werke: „Die Malerschnle Hubert van Eyck's rc." Seite 238:

„Jünger jedenfalls ist das Wandgemälde — rechts in der Krypta von St.
Severin — das Burckhardt einem nächsten Vorläufer Wilhelms zuschreibt. Die
Staub- und Schmutzdccke über verblichener Farbe macht das Urtheil unsicher.
Die ernsten Gestalten sind keineswegs schlank, in Gewandung regelmäßig, von
fließendem Wurf, in Gesichtsform richtiger als Meister Wilhelm."

Ich fand nun diese Schmntzdecke nicht mehr vor, so daß alle Gestalten gut
und deutlich zu erkennen waren.

DaS Ganze stellt die Kreuzigung Christi dar, zu dessen Seiten links der
h. Severin mit dem Modell der Kirche, St. Petrus und St. Maria sich befin-
den, und rechts St. Johannes, St. Paulus und St. Margaretha. Oben über

den Krenzesarmen ist links ein weiblicher und rechts ein männlicher, bärtiger
Kopf sichtbar, welche, wie mir scheint, die Donatoren vorstellen sollen.

Der Hintergrund erschien mir schwarz und war mit zahllosen kleinen, schwe-
benden Engeln angefüllt, wovon mehrere das Blut der Wunden anffingen, ganz
so, wie in dem schönen Tafelbilde in der Kirche zu Linz. Ich fand die Gestal-
ten sowohl in Zeichnung, als Farbe und Modellirnng sehr schön. In der Stadt-
kirche zu Linz waren auf den Wänden der Emporen der Seitcnhallen lange

Reihen zusammenhängender Legendendarstellnngen angebracht und auf der Gie-
bclscite, vorne am Eingänge, welche zum Theil vom Blasebalg der dort ange-
brachten Orgel verdeckt wird, sah ich die Geburt Christi und die Anbetung der
heiligen drei Könige, über welcher links und rechts große Engel schwebten.
Neberall zeigten sich Bänder mit schwarzer, gothischer Inschrift (Minuskeln). Anch
iui Kirchenschiff fand ich mehrere Spuren von Malereien. Eine Rückwand auf
deu Emporen zeigte eine Kreuzigung Christi mit vielen Figuren in breiten go-
thischen Linien, welche einer früheren Zeit anzngeh'ören scheint und weniger aus-
gemalt war.

Ein angesehener Kenner der Architektur soll zwar diese Sachen für werth-
los gehalten haben; ich kann aber dieser Meinung nicht ganz beistimmen, da ich
einzelne schöne Köpfe und mitunter gute Zeichnung der Gestalten vorfand. Ver-
hältnißmäßig ist sehr wenig aufgedeckt. Für die Kunstgeschichte scheinen mir diese
Malereien nicht minder wichtig zu sein, als jene zu Gi elsdorf bei Bonn. Diese
letztem hatte man ebenfalls für werthlos gehalten, obwohl sie unendlich sein aus-
gemalt rmd mitunter von sehr schöner Zeichnung der Köpfe und Gewandung
sind. Ich habe sie durchgepaust, die Pausen in verkleinertem Maßstabe Photo-
 
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