Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 7.1856

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1200#0403
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
390

die „Jmpsanstalt" des Genremalers Reinhardt Sebastian Z.
erwähnen. Der eigenthümliche Vorwurf ist nicht ohne diejenigen
Momente zur Erscheinung gekommen, welche zeigen, daß das Leben
überall, also auch in einer medizinischen Anstalt, künstlerisch zu ver-
werthende Züge darbietet. So finden wir hier — und zwar, was
nothwendig war, auf ungesuchte Weise — den Gegensatz zwischen

einem blassen vornehmen, mit Spielsachen ausgerüsteten Stadtkinde ganze Gebühren ist meisterlich wiedergegeben. Lebensgroße Geier

und der derben Gesundheit eines Bauerbuben und seiner kräftigen
Mutter, so wie manche andere Charakteristik aus dem Leben der
Mütter, Kinder, Ammen und Wärterinnen in der zahlreichen Ver-
sammlung veranschaulicht, so daß es ein originelles Bild voll Leben
und Humor gegeben hat.

Zu den Landschaftern zurückkehrend haben wir noch Morgen-
stern, Steffan und Löffler zu nennen. Ehr. Morgenstern erfreut
durch eine Morgenschildernng, wozu das Motiv aus der Umgegend
von München genommen ist. Links durch hohe Bäume des Vor-
grundes schaut eine Kirche; rechts neben einem Zaun mit überhan-
genden lichten Bäumen sieht man in eine heitere, sonnenbeglänzte
Ferne. Aus der Tiefe zwischen Gesträuch hindurch schimmert der
helle Fluß. Ein Bild voll Lieblichkeit und poetischem Zauber. —
I. G. Steffan hat einige Gebirgsscenerien aus dem bairischen
Hochlande und der Schweiz breit, derb und frisch vorgetragen; von
August Löffler haben wir Ravarin mit der Insel Sphakteria in
guter, gesunder Behandlung. Den angezeigten Apollotempel zu Bassä
haben wir nicht gefunden, desgleichen andere verheißene Arbeiten von
Münchener Landschaftern, was wir besonders in Bezug auf das von
CH. Roß angezeigte große Bild bedauern, da frühere Berichterstat-
tungen aus München, wie unsere Leser sich vielleicht erinnern, etwas
sehr Vorzügliches erwarten ließen.

Erfreuen wir uns also an dem trefflichen Bukoliker Friedrich
Voltz, dem es gegeben ist, den ganzen idyllischen Zauber des Hir-
tenlebens mit poetischer Hand zu schildern. Einige Kühe, malerisch
gelagert, andere stehend und ruminirend, noch andere etwas entfern-
ter am blaugrünen Bache, unter dem narbigen Baum die Hirtin,
der sich einige Schaase zutraulich nähern; großblättrige Wasserpflan-
zen und Blumen umgeben die Quelle, von Libellen umtanzt und von
Schmetterlingsflügeln umweht. Was ist so eine liegende Kuh ftu-
dirt! ihre Physiognomie, ihr Horn, die Rippenpartien, der Bauch,
Euter, die Füße und deren Lage, der Strich und der Charakter der
Haare an diesen verschiedenen Theilen, alles zeigt den sorgfältigen Beob-
achter der Natur; dann der alte Baumstamm, das Geräth des Mädchens,
dieses selber, alles mit derselben eingehenden Liebe vorgetragen. Und
dabei durch und durch malerisch, durch und durch voll der angenehmsten
Wärme, voll Duft und Reiz — kurz in ihrer Art vollendete Bilder.

Im Gegensatz zu den der Menschenwelt in ihren friedlichen
Beschäftigungen sich anschließenden Thieren schildert die in ungebun-
dener Freiheit vagirende Thierwelt Graf Oskar Krolow. Wir er-
innern uns, den Grafen von K. zuerst mit Landschaften aus den
hiesigen Ausstellungen gesehen zu haben; es folgte dann die jagbare
Thierwelt; u. a. ist uns noch eine Bärenjagd in der Erinnerung,
in der wir, wie überhaupt in den Thierscenen, zwar ein gut beob-
achtendes Auge und treffliche Intentionen wahrnahmen, die aber in
Bezug auf Technik uns noch sehr im Werden und nicht anziehend
erschienen sind. Das ist heute ganz anders. Der Künstler ist mit
einer kleinen Galerie von sechs Bildern aufgetreten, welche zu den
eben erwähnten Vorzügen eine solide und gewandte Technik bringen.
Er schildert die Thierwelt der Gebirge, oft lebensgroß in ihrer na-
türlichen grandiosen Umgebung, in ihrem Verbände mit der freien
Natur und in ihren natürlichen und wilden Trieben. Anzuerkennen
ist, daß die landschaftliche Umgebung mit derselben Sorgfalt der
Beobachtung und Durchführung behandelt ist. Sonnenbeschienener
Schnee, aus dem sich dunkles Tannengestrüpp drängt, Gebirgs - und

Schneeluft ist eben so sehr in Harmonie mit dem Rudel scheuer und
vorsichtiger Gemsen, die aus diesem Schauplatz auftreten, als es die
schönen duftigen Berge, die einen klaren Gebirgssee einschließen, an
Ton und Farbe mit der Brunstzeit sind, an Ausdehnung mit der
Gruppe von Edelwild, das in dieser Zeit das kühle Wasser gesucht
hat. Wie es die Füße setzt, das Haupt hebt und umherschaut, das

und Seeadler auf getesteten Thieren aus einem Stück Gehänge des
Montblanc oder des Staffelsees in Oberbaiern sitzend, treten in
ihrer individuellen Realität auf fast wie historische Situationsbilder
der Thierwelt. Am meisten Anziehung aber übt das größte Bild
aus, dessen Schauplatz die Felsspitzen des Lauteschthales in Tirol in
winterlicher Bekleidung bilden. Ein Rudel Gemsen stiebt in gut
charakterisirtcr Hast durch den liefen Schnee davon, weil ein mäch-
tiger Steinadler mit ausgebreiteten Schwingen über ihnen schwebt.
Er fipirt schon das letzte und jüngste Thier der Gruppe, welches nur
kaum mit dem Kopfe aus dem Schnee ragt und die Augen halb
furchtsam, halb bittend zu dem Feind erhebt.

Einen liebenswürdigen Zug aus dem oberbayrischen Volksleben
hat Julius Köckert in seiner „Brautfahrt" gethan. Alte schöne
Volkssitten, noch gehoben durch eine malerisch reiche Tracht, sind in
unseren Tagen etwas Seltenes geworden, und so dürfen wir es dem
Maler Dank wissen, wenn er diese schwindenden Zeugnisse eines
naiv ursprünglichen Naturlebens durch seine Kunst dem Untergange
und der Vergessenheit entreißt. Vielleicht haben wir es gerade der
Kunst zu danken, daß jüngst noch die bayrische Regierung in richti-
ger Schätzung des ethischen Elementes, welches in den Volkstrachten
und überlieferten Sitten enthalten ist, ihre schützende Sorgfalt für
selche ehrwürdige und schöne Ueberreste in öffentlichen Erlassen be-
währte. Köckert versetzt uns an die Gestade eines der herrlichen
smaragdnen Seen, welche die bayrischen Hochgebirge in so großer
Zahl und Maunichfaltigkeit in sich schließen. Uns entgegen kommt
ein stattliches Fahrzeug geschwommen, das durch seine merkwürdige
Form schon die Augen auf sich zieht. Zwei Nachen sind nämlich
mit einander verbunden, und auf dem gemeinsamen, durch übergelegte
Planken bewirkten Verdeck befindet sich die fröhliche Festgenossenschaft,
die durch Musik, Lachen und lauten Jubel die sonntäglich stille Um-
gebung des spiegelglatten Sees mit ungewohnten Tönen erfüllt. Man
meint es zu sehen und zu hören, wie der Schall über die weite
Fläche dahingetragen und von den rings im zarten Sonnenduft
bräutlich verschleierten Bergen mit tausendfachem Wiederhall erwidert
wird- Eine herzliche Heiterkeit herrscht unter den frohen Genossen
der Fahrt. Der Bräutigam sitzt wie im stolzen Siegesgefühle neben
seinem lächelnden erröthenden Schatz. Die Spielleute, ächte Wald-
horn- und Posaunengesichter, blasen aus Leibeskräften weidlich drauf
los, die Ruderer arbeiten mit einer Lust, daß man merkt, die Freude
beflügele die blitzend über den Wasserspiegel streifenden Ruder, und
die heiteren Gesichter der Verwandten, Nachbarn und Freunde strah-
len beim Gläserklang und lauten Scherzen, indeß die'Gespielinnen
der Braut sich stiller verhalten und manchen Seufzer in wohlbekannte
Ferne entsenden mögen. Dies Alles ist mit zarter Empfindung und
liebevoller Hand vom Künstler geschildert, dazu rings die Landschaft
so recht in Duft und Sonnenlicht getaucht, daß der eine Akkord
der Freude aller Orten seinen Wiederhall findet. Wohl verhalten
sich einige Nebenfiguren weniger antheilnehmend, als der Maler
eigentlich ausdrücken wollte: indeß mögen wir darauf in dem an-
sprechenden Bilde nicht zu viel Gewicht legen.

Könnte man das Köckert'sche Werk als ein beinahe weiblich
zart empfundenes bezeichnen, so lernen wir in Hugo RHomberg
eine derbere, männlich gestaltende Natur kennen. Sein kleines Genre-
bild „die bittere Medizin" giebt ein humoristisches Intermezzo des
Kinderlebens mit frischer Lust wieder. Es ist die manchmal schon
 
Annotationen