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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0060
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same Handlung ober durch eine in der Natur selbst liegende Zu- j
sammengehörigkeit^ verbunden sind.. Aus diesem Grunde ist es na->
türlich, wenn die Darstellung des charakteristischen Gegensatzes an j
diesem Kunstwerke int Ganzen noch mehr befriedigt, als die Versinn- ^
lichuug des vereinigenden Elementes. In jener Beziehung läßt jede j
der beiden Figuren kaum irgend etwas zu wünschen übrig. Zwar j
in Betreff Goethe's hat sich eine Stimme in den Grenzboten da-!
hin ausgesprochen, durch die Darstellung desselben im hosmäßigen
Frack sei nur sein charakteristisches Verhalten im Leben und in den
engeren Verhältnissen, nicht aber seine Eigenthümlichkeit als Dichter,
sein Bild im Herzen der deutschen Nation wiedergegeben. Ich kann
das aber nicht finden. Auch ich ging mit einigem Vorurtheil gegen
den Frack an die Betrachtung des Kunstwerks, fand aber, daß Riet-
,sch.el die Gefahr- die allerdings in der Herbeiziehung dieses sonst
wenig plastischen Kleidungsstückes lag, vollständig überwunden hat.
Sagt uns der Frack nebst Zubehör, das; Goethe auch Weltmann,
Hofmann, Staatsmann war und auch in diesen Beziehungen seine
Stelle mit vollkommenster Würde und Repräsentation ausgefüllt
hat, so thut er doch dem Bilde, das wir von Goethe, dem Dichter-
in uns tragen, auch nicht den mindesten Abbruch; man fühlt sofort
aus dem Ganzen heraus, daß man hier eine durch und durch gesunde,
naturwüchsige, urkräftige, ja derbe Natur vor sich hat, keinen blassen, ge-
schniegelten, im Gallarock sein Eins und Alles zur Schau tragenden
Höfling, sondern einen Edlen, wie er ihn selbst zeichnet, wenn er-
jagt: „Und wenn er keinen. Hintern hat, wie soll der Edle sitzen!"
Alle wesentlichen Eigenschaften, die Goethe als Dichter kennzeichnen,
prägen sich unverkennbar und zugleich in vollkommenster plastischer
Schönheit auch in diesem Rietschel'schen Goethe ab, insbesondere die
Klarheit, Bestimmtheit und Universalität seiner Weltanschauung, die
Gedrungenheit und Festigkeit, Natürlichkeit und Ungezwungenheit,
Proportionalität und Enrhythmie aller seiner Formen, der ihm ange-
bornen, wie der von ihm geschaffenen, und endlich die göttliche Ruhe
und Befriedigung mit sich selbst und den thatsächlich gegebenen Ver-
hältnissen, zufolge welcher er den Wahlspruch des Archimedes:
„Gieb mir, wo ich stehen kann", für sich in den Zuruf verwandelte:
„Behaupte, wo du stehst!" und gerade inmitten dieser Ruhe und
durch dieses feste Fußfassen auf der Erde die Erde in Bewegung
setzte.

.Ganz eben so klar und unverkennbar hat der Künstler die we-
sentlichen und charakteristischen Eigenschaften Schiller's im Gegensatz
zu jenen zum Ausdruck gebracht: seine mehr von Innen heraus
dirigirende, als die Gegenstände scharf ins Auge fassende Weltan-
schauung, die Wirkung seiner mehr im Schwung sich darstellenden
und durch Kraftentfaltuug mit sich fortreißeuden, als in sich selbst
vollendeten Formen, und namentlich sein Hinausstreben über das
Gegebene, seine Richtung auf das Ideale, sein unermüdliches Ringen
nach einem Höheren und Höchsten. Während dieser Goethe ruhig
geradeaus schaut und wie unerschütterlich mit der Erde verwachsen
erscheint, ist hingegen der Blick und die ganze Haltung Schiller's
nach Oben gerichtet, während Goethe's Formen durch und durch
plastisch und wohl gegliedert erscheinen, ist in den Schiller'schen
Formen etwas der Plastik Widerstrebendes, Disproportionales, aber
eben dadurch drastisch Wirksames und gleichsam über die Form Hin-
aushebendes. Dies zeigt sich selbst in der Kleidung. Der lange
Rock, die winterliche Weste machen, an und für sich betrachtet, ent-
schieden den Eindruck einer allzugroßen Schwere; man meint, sie
müßten den aufstrebenden Dichter niederziehen. Daß er aber trotz-
dem in seiner Richtung nach Oben verharrt, daß er diese Hinder-
nisse zu überwinden vermag, läßt die in ihm wirkende Kraft um so
siegreicher und übersinnlicher erscheinen. Natürlich kann die unmit-
telbar den Augen sich darstellende Erscheinung Schiller's unter diesen
Umständen nicht eine so günstige als die Goethe's sein; hieraus ist

aber dem Künstler kein Vorwurf.zu machen. Schiller hatte einmal
in seinem Aeußern wie- in -seinen: Innern -wenig der- Plästik günstige
Momente, und der Künstler hätte geradezu unwahr werden müssen,,
wenn er aus ihm eine in sich befriedigte und befriedigende Figur hätte ma-
chen wollen. Ihm, dem Plastiker, mußte daher auch die aufstrebende^
über die Grenzen des Realen hinausgehende Richtung als ein Zu-
viel, als eine Form- und Maßverletzung erscheinen, und er deutet
dies eben so zart wie bezeichnend dadurch an, daß er Goethe leise
seine linke Hand auf Schiller's Schulter legen'läßt, gleichsam als
suche er den allzu sehr Emporstrebendcn ein wenig der Erde näher
zu bringen und seinen Flug ein wenig zu zügeln, wie ja denn auch
Goethe wirklich einen ähnlichen Einfluß auf Schiller geäußert hat.

In und mit diesem seinen Zuge hat der Künstler zugleich die
gegenseitige Beziehung und das freundschaftliche Verhältniß beiden
Dichter ausgedrückt, während er ihr gemeinsames Streben nach einem
und demselben Ziel und den beiderseitigen Erfolg dieses Strebens
nur symbolisch anzudeuten vermocht hat, dadurch nämlich, daß er
Beide als Theilhaber eines und desselben Lorbeerkranzes darstellt,
Goethe, sofern er denselben schon sicher und fest in seiner Neckten
hält und ihn gegen Schiller hinbewegt, und Schiller, indem er eben
im Begriff ist, den ihm dargereichten Kranz mit zw ergreifen. Wenn
es auch wahr ist, was Manche behaupten, daß die hierin sich aus-
drückende Einheit das ästhetische Einheitsbedürfniß noch nicht voll-
ständig befriedigt, so glauben wir doch, daß es in dem vorliegenden
Fall kaum ein anderes und dabei gleich einfaches und gleich ver-
ständliches Verknüpfungsmittel gab; und sollte nicht auf die Ausfüh-
rung der schönen Idee, die beiden Koryphäen der deutschen Poesie
in einem Kunstwerk zu vereinigen, ganz und gar Verzicht geleistet
werden, so blieb dem Künstler wohl kaum eine andre Wahl übrig-
— Der Guß der Gruppe wird sofort in Angriff genommen wer-
den, damit-die Enthüllung des Monuments zur hundertjährigen Ge-
burtstagsfeier Carl August's Statt finden kann.

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RnnZtliterütur.

Geschichte der bildenden Künste

von Dr. C. Schnaase.

5. Bd. 2. Hälfte der 1. u. 2. Abth. Düsseldorf. I. Buddeus. 1856. Mit Holzschn..

Von W. Lübbe.

Die Vollendung des fünften Bandes des Schnaase'schen Wer-
kes ist ohne Frage die bedeutendste kunstliterarische Erscheinung,,
welche das eben abgelaufene Jahr uns gebracht hat. Als wir in
Nr. 5 und 6 unseres vorigen Jahrganges die erste, kleinere Abthei-
lung dieses Bandes anzeigten, hielten wir eine so nah bevorstehende
Vollendung desselben nicht für wahrscheinlich; und jetzt haben wir'
um Nachsicht zu bitten, daß wir unfern Lesern nicht früher be-
reits einen Bericht darüber gegeben. Jndeß wer den Umfang und
die Bedeutung des Werkes ermißt, wird darin eine Entschuldigung,
für unser Säumen finden.

Der ganze Band, wie er jetzt auf 807 Octavseiten mit 92
trefflichen Holzschnittdarstellungen vor uns liegt, umfaßt die Periode
von der Mitte des zwölften bis gegen das Ende des dreizehnten
Jahrhunderts. Er schildert die Zeit der Entstehung und Ausbil--
dung des gothischeu Styles. Die von uns im vorigen Jahre be-
sprochene erste Abtheiluug war mit vier Kapiteln der Betrachtung
Frankreichs und Englands gewidmet. Die übrigen fünf Kapitel be-
handeln die gleichzeitige deutsche Architektur und die Malerei mtb'
Plastik jener Epoche. Von dem ganzen Werke ist dies bereits der dritte'
 
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