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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0096
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lag. Als siebenjähriger Knabe wanderte er an der Hand sein.es
Lehrers im Schwetzinger Garten umher und fand Geschmack an
den Anlagen, dem Tempeln und Grotten. Da machte sein Lehrer
eitle Bemerkung, .die einen unverlöschlich tiefen Eindruck in sei-
nem Herzen zurück ließ. „Um wie viel schöner, sagte er, würden
mir die Tempel erscheinen, wenn sie dem Andenken großer deutscher
Männer gewidmet, wären, wenn ich anstatt der Statuen einer Flora
und Venus die eines Karl des Großen und Heinrichs I. erblickte."
Das Wort tönte bedeutungsschwer nach, als der Kronprinz während
der Napolconischen Weltherrschaft demüthigenden Quälereien sich
ausgesetzt sah, als er von Spanien, wohin er nicht aus eignem
Antriebe gegangen war, nach Polen gerufen wurde, um hier sich
am Treffen bei Pultusk zu betheiligen. Auf seiner Heimkehr faßte
er in Berlin Angesichts des Brandenburger Thors, dem Napoleon
die Zierde der Victoria entwendet hatte, den Entschluß, die Bild-
nisse der großen Männer, die es nicht verschuldet, daß Deutschland
um Freiheit, Glanz und Ehre gekommen war, in einem großen
Tempel auszustetlen. Er besprach sich über den Plan mit Johannes
Müller und dieser pries das edle Vorhaben. Schon damals 1806
wurde der Plan zur Walhalla entworfen, die .aus der Stelle, wo
die Burg der Staufen gestanden hatte, sich erheben sollte. In der
Zeit, in der die Maler gar wenig, die Bildhauer keine Aufträge
erhielten, bestellte Ludwig eine nicht geringe Zahl Marmorbüsten
von berühmten. Männern Deutschlands.

So bewirkte er es mit, daß aus dem Stamm unvertilgbarer
Vaterlandsliebe die abgestorbene deutsche Kunst von neuem erwuchs,
die neben der politischen nun noch eine vorherrschend religiöse Fär-
bung annahm.

Ueberall entsprachen die Akademien, wie sie beschaffen waren,
nicht den Anforderungen der aufstrebenden jungen Künstler- Diese
schlugen hinter dem Rücken der Lehrer einen eignen Weg ein. Gleich-
zeitig in Wien und in Berlin kopirten sie mit Widerwillen, was
ihnen geboten, mit Liebe, was ihnen untersagt war. Wilhelm
Wach und Wilhelm Schadow in Berlin, Friedrich Overbeck
und Franz Psorr in Wien. In Berlin war der große Styl
damals an der Tagesordnung. Ihn sah man ab von den belog-
nesischen Meistern, die durch mächtige Stellungen, durch künstlich
berechnete Gruppirungen, durch eine wirksame Farben-Scala und
durch einen schwärmerischen Ausdruck gewähnt hatten, die Vorzüge
eines Raphael und Michel Angeld, eines Tizian und Correggio
vereinigen zu können. Der große Styl in Berlin sollte sich in
jedem Strich zu erkennen geben. Mit stumpfem Griffel fuhr man
wild über das Papier hin, damit schon allein die Zeichnung den
Ausfluß einer ungebändigten Phantasie bekundete. Die Jünger spitz-
ten aber den Kräyon, wie sie nur immer vermochten, um zur Aer-
gerniß des Lehrers einen scharfen Kontur zu zeichnen. Wach und
Wilhelm Schadow kopirten in der Galerie in Sanssouci ein bo-
lognesisches Bild, sobald aber der Inspektor sich entfernt und die
Thüre geschlossen hatte, stellten sie die verdrießliche Arbeit zur Seite
und malten nach einem Werk des Leonardo da Vinci. Bei einem
solchen Meister fühlten sie sich erst künstlerisch angeregt. — In
Wien erfreute sich die Akademie eines vorleuchtenden Rufes, sie über-
malte nun die in Kopenhagen, seitdem Füger Galerie-Direktor ge-
worden war. Er war in Stuttgart von einem Schüler von Mengs
gebildet.^) Auch Füger war ein Verehrer der bolognesischen Mei-
ster, besonders des Guido Reui, und wie dieser hielt er es für Auf-
gabe der Kunst, die Erscheinungen der Natur nach den Antiken zu
regeln und umzumodeln. Er folgte ihm, der sich besonders durch
seine weiblichen, weichlichen, in Liebe hinschmachtenden Charaktere
hervorthat. Füger komponirte auch christliches und lieferte Bilder

*) Von Guibal.

zur Messiade. Wir brauchen nur die Gegenstände zu hören, so
dringt cs sich uns auf, daß sie nicht anders als in. einer verflosse-
nen Weise dargestellt und die Erfindungen nur in der punktirten
Manier gestochen werden konnten. Dieser Bilder wegen schrieb .
Klopstock an Angelika Kauff.ma.nn und Füger, und wir erfah-
ren, daß etwas ganz Neues, noch nicht Dagewesenes, von den bis-
herigen künstlerisch-kirchlichen Ansichten Getrenntes geliefert wer-
den sollte.

In einem Briefe von Klopstock an Angelika Kaufsmann,
Hamburg 14. März 1780, heißt es:

„Können Sie sechs Flügel schön zeichnen? So sah der Pro-
phet die Engel. Aber die Engel müssen auch ohne Flügel
kennbar sein, etwas Leichtes, Schwebendes, Helles, kaum
Körper. So auch die auferstandenen Heiligen, aber doch von
den Engeln verschieden, nicht bloß dadurch, daß sie keine Flü-
gel haben. Das Alles, Angelika, müssen Sie erst erfinden."

In Betreff der Darstellung Gott Vaters fühlte sich der Dich-
ter gedrungen, den Maler Füger von dem Wagniß abzumahnen:

„ Kühner Mann, Sie haben auch den Vater gemalt. Raphael
und Ängelo, sagen Sie, hatten es gethan. Ihr habt alle drei
gesündigt. Auch große Künstler dürfen den Vater nicht bilden,
keiner dars's."

Wenn Klopstock nicht Raphael und Michel Angelo wollte gel-
ten lassen, so würden die altdeutschen Bilder ihn noch weniger be-
friedigt haben. Er würde es nicht über sich vermocht haben, das
Naive, das schlicht Einfältige, die schwächlichen, theilweis unschönen
Formen über der Innerlichkeit, über der tiefsten Empfindung und
über der liebenswürdigsten Frömmigkeit zu übersehen. Eine Wieder-
holung solcher Kirchenschildereicn würde er eine Entheiligung des
Göttlichen genannt haben.

Overbeck und Pforr, die in Wien das Geheimniß der Kunst
erfassen sollten, bliebet: bei den angepriesenen Werken des Guido
Reni in der Bildergalerie des Belvedere kalt, dagegen fühlten sie
! das innigste Entzücken bei einigen altdeutschen Erzeugnissen. Over-
beck malte im Sinne derselben den Einzug nach Jerusalem. Nicht
durste er und gleichgesinnte Freunde sich der liebenden Hinneigung
I zun: Alterthümlichen schämen, denn bald darauf zeigte es sich, daß
! das Urtheil eines Malers, das gewichtig war, wesentlich damit
übereinstimmte. Der früher genannte Wächter nämlich, der nach
seiner Abreise von Rom längere Zeit in Wien verweilte, lehrte die
angehenden Künstler, daß alle Malerei nur Seelenmalerei sein müsse,

! daß auf Erden der menschliche Geist das Höchste sei, daß er uns
j allein bleibe und daß an der Pflege desselben auch die Kunst nach
j ihrem Th eil Mitwirken müsse. Es handle sich um Befriedigung des
j innen: Auges. Schöne Leiber, reiche Stoffe, Farbengepränge seien
verächtlich, wenn der vergängliche Körper nicht das Unvergängliche
einschlösse. Durch Darstellung idealer Gliedmaßen ließe sich kein
Ideal, durch harmonische Verschmelzung der Tinten keine Harmonie
hervorzaubert:, ohne Geist, Erfindung und Gefühl. So theilte
Wächter Kunstansichten mit, wie er sie von Carstens überkom-
men hatte.

Da Overbeck und vier seiner Freunde, unter ihnen ein Oest-
reicher, sich nicht mehr von ihrem Direktor rathen lassen wollten
und das Klassische in der Malerei verschmähten, so wurden sie
1810 ernstlich ermahnt, und da sie einen: Lehrer, der freier als
die Amtsgenossen sich'über die schulmäßigen Ansichten zu erheben
wußte und dem Streben der jungen Leute das Wort, redete, ihren
Dank durch ein Fest zu erkennen gaben, so wurden sie 1810 aus
der Akademie verwiesen.*) '

Sie begaben sich nach Rom und bezeichnend für ihr Kunst-

*) Ludwig Vogel aus Zürch, Franz Pforr aus Frankfurt a. M., Jo-
seph Wintergerst aus Wallerstein und Joseph Sutter aus Linz. Unter
 
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