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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0097
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83

Wirken erwählten sie sich das eingcgangene Kloster San Jsidoro,
um hier in den verlassenen Zellen ihre Werkstätten aufzuschlagen.
Die Kunstbrüderschaft vermehrte sich und in herzlicher Gemeinschaft,
wenn auch wie in jedem Freistaat, so auch hier Herrschende manch-
mal Anstoß erregten, wirkten sie etwa zwischen 1810 —1820 zu-
sammen. Ihr Andenken erhielt sich in namhaften Leistungen. Nachdem
die Maler das San-Jsidoro-Kloster verlassen hatten, in dem eigent-
lich kein Raum sich zum Atelier eignete, in dem der Aufenthalt un-
bequem und beschwerlich war, hielten sie noch inniger zusammen.

Wir haben die Fragen zu erörtern, was bezweckten die jungen
deutschen Maler, denn daß sie in ihrem Vorhaben mit sich im Kla-
ren waren, geht ans ihrem folgerichtigen Streben hervor, was
suchten sie, was mieden sie?

Sie verschmähten cs, die Antike als Norm und Muster anzu-
erkennen. Die Schönheit der marmornen Gottheiten geht nicht aus
einem sittlichen Adel hervor, sondern stellt sich als sinnliche Verfei-
nerung dar. Die neue Kunst sollte auf Moral und Religion ge-
gründet sein.

Sie waren Feinde eines Nachahmcns, bei dem es mehr auf
die Form als die innere Bedeutung ankömmt. Es galt ihnen als
etwas Schimpfliches, wenn ihre Arbeiten, ich bediene mich eines ge-
bräuchlichen handwerksmäßigen Ausdrucks, wegen des Machwerks
gerühmt wurden. Im ehemaligen Refektorium ihres Klosters wurde
zusammen nach der Natur studirt, aber jeder Maler zeichnete und
uralte in seiner Zelle nur aus dem Kopf. Sie thatcn cs, um nicht
durch das Modell, durch die baare Wirklichkeit die höhere Anschauung
zu schwächen. Sie nahmen Anstand, ein Porträt zu malen, um so
auf entschiedene Weise sich von den Franzosen zu unterscheiden, die
selbst in den geringfügigsten Dingen sich nicht auf das Gedächtniß
verlassen zu können meinten. In der französischen Akademie in Rom
wurde selbst die Komposition durch ein mechanisches Verfahren ge-
wonnen. Man bediente sich des berüchtigten KomponirkasteuS.
Durch eine kleine Oeffnnng schaute der Künstler in die schwarzen
Wände desselben und beobachtete die Wirkung, wenn er bunt bekleidete
Püppchen so oder so stellte, wenn er das Licht durch den einen oder
den andern Spalt hineinfallen ließ. Eine solche Ungereimtheit war
wohl mit ein Grund, daß die Maler im Entgegengesetzten zu
weit gingen.

Was war es, was sie erstrebten? Die Errichtung einer
deutschen Malerknnst. Bis dahin konnte nur von Bausteinen die
Rede sein, die zu dem Werk gesammelt wurden. Sie wollten einen
anernden Tempel errichten. In Deutschland war kurz nach Albrecht
Dürer von einer deutschen Kunst nichts mehr wahrzunehmen. Wenn
wir Belgien und Holland hinzuziehen, so dauerte die nationale Ma-
lerei dort bis zur Mitte, und hier bis gegen Ende des 17. Jahr-
hunderts. Im 18. Jahrhundert konnte und wollte Mengs nicht
den Ruhm in Anspruch nehmen, die deutsche Malerei wieder auf-
gerichtet zu haben. Er malte in Rom und Madrid, seine Schüler
waren Italiener, Spanier, Franzosen und auch Deutsche. Er för-
derte nicht die christliche Malerei, wenn er auch katholische Altar-
blätter malte, denn der Freund Winckelmann's that eigentlich nichts
mehr, als daß er den antiken Statuen Kleider lieh.

Eine Malerei, aus dem vaterländischen Geist hervorgegangen,
sollte sich nun an das anschließen, was sie früher geleistet. In
Italien konnten altdeutsche Gemälde freilich nicht für die jungen
Maler leitend sein, aber sie strebten, das Verwandte aus den alt-
italienischen Gemälden aufzüfassen, und sie wollten, daß die Kupfer-
stecherkunst in der Weise Albrecht Dürer's gehandhabt würde, dem
es weniger auf malerische Wirkung, als auf zart ausgeführte, wohl
verstandene Zeichnung ankam.

den Oesireichern hatte sich auch Scheffer von Leonhartshof an Over-
beck angeschlossen.

d

Sie wollten, daß das Leichtfertige, Veränderliche von der Kunst
abgestreift würde. Es war ihre Absicht, durch ihre Malerei Mo-
numente aufzustellen. Zn dem Ende würde die Freskomalerei wie-
der erfunden, damit das Bild und die Wand, die cs trug, eins
würde. Dadurch sollte möglichst der Verzettelung der Bilder be-
gegnet werden. Der Freskomaler weiß, wozu und für wen er malt
was in den meisten Fällen bei Oelgemälden nicht der Fall ist, die
einem unbekannten Käufer zufallen. Der begeisternde Gedanke, zur
Verherrlichung eines bestimmten Orts zu wirken, kann nur jenen be-
seelen. Er faßt die Bedeutung der Stelle ins Auge, die sein Bild
schmücken soll, oder er ordnet die Wandgemälde nach dem Raum;
so geschieht es, daß der Beschauer sich leichter in den Inhalt und
den Zusammenhang findet. Die Bilder erklären sich gegenseitig
oder durch die Rücksichtsnahme, die der Künstler auf das zu malende
Zimmer nimmt. Wir können nicht errathen, was in einem Saal
der Casa Bartholdh zwei allegorische Erfindungen zu bedeuten haben,
von denen jede eine Mutter mit sieben Kindern enthält, hier voll
und lebensfrisch, dort dürr und leichenblaß, wenn wir neben diesen
Bildern nicht die der Wände zu Rathe ziehen. Hier erblicken wir
die Geschichte Josephs, den vom Schicksal vielgeprüften Jüngling
neben seinem Vater, unter seinen Brüdern, und wir stehen nicht au,
in den Allegorien eine Bezeichnung der sieben fetten und der sieben
magern Jahre zu finden. Ans dem Quirinal im päpstlichen Palast
enthält ein Deckengemälde einen Gegenstand, der Uns, da er sonst
nicht leicht von Kirchenmalern behandelt ist, befremden würde, näm-
lich wie Christus seinen Feinden, die ihn in den Abgrund stürzen
wollten, glücklich entrinnt,*) aber wir erinnern uns, in dem Kabinet
zu sein, aus dein der heilige Vater als Gefangener entführt wurde,
und verkennen nicht das Hassende des gewählten Stoffes.

Das eifrige Streben, das Sinnen und Trachten der deutschen
Maler ging vornämlich dahin, eine Malerknnst ins Leben zu rufen,
die cs aufgeben sollte, nur zur müßigen Augenweide zu dienen oder
einer hohlen Prachtliebe zu huldigen, dagegen sollte sie den Beruf
erkennen, zur Verherrlichung des höheren Lebens mitzuwirken, damit
das Leben durch die Kunst an echtem, innerm Gehalt gewinne, so daß
in ernster Weihe der Wahrheit ein größeres Feld eröffnet werde und
die Größe und die Tiefe des deutschen Geistes sich mehr und mehr
kund gebe. Die Kunst sollte festhalten an der Religion, an der of-
fenbarten, die über jeden Wechsel erhaben sei, an dem positiven
Christenthum, das aller Stürme unerachtet sich in der katholischen
Kirche erhalten habe.

Sie wollten die Kunst von der bisherigen ansschließenden Vor-
nehmheit entkleidet wissen und dem Volke wiedergegeben sehen, jedem
Denkenden und Fühlenden. Die Malerei sollte zur Feier der Re-
ligion alle Kraft ausbieten und eine Zeit zurücksühren, in der man
keine Kirche und kein Leben denken konnte ohne erbauliche Bilder,
und überall Kruzifixe und Madonnen verlangte.

MunZtlitrrlltnr.

Aesthettsche Dilettanten. „Zur Reform der modernen Kunst,
eine Studie zur neusten Kunstgeschichte" (Halle bei Schrödel und Simon)
und „Zur Kritik der modernen Knust, eine Reihe von Vorträgen, I."
(Bremen bei C. Schüuemann) betiteln sich zwei kleine Schriften, die wir
an Tendenz ähnlich und an Anonhmität und innerem Gehalt congruent,
unfern-Lesern wohl vereint vorführen dürfen. Ehe wir uns aber an ihre
nähere Beleuchtung wagen, scheint vor Allem eine wichtige Principien-
frage zu erörtern, die zwar auf dem Felde der Conversation längst ent-
schieden, dagegen auf dem schriftstellerischem Geb.ete noch tut vollen Schwan-

*) Luc. 4, 29, 30.
 
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