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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0134
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geldlichen Kräfte, so eigenthümlich strebsam sie auch waren, der-
selbe Geist beseelte. Overbeck malteden Tasso-Saal nur halb,
Cornelius entwarf das Deckengemälde im Dante-Saal, das Veit
nach eigner Erfindung vollsührte. Ungeachtet der verschiedenen
Hände zeichnet die Gemächer Einheit in der Darstellung aus, und
alles erscheint wie aus einem Guß.

Wenn Veit durch ehrenvolle Aufträge in Rom bevorzugt wurde,
indem er für eine Kirche ein Altarblatt und im vatikanischen Museum
ein Freskobild malte, so blieb auch Overbeck in späterer Zeit nicht
von den Kirchenvorständen und dem höchsten Klerus unberücksichtigt.
Zn Assisi, der Stadt, in der der h. Franz geboren wurde, stellte
er in Fresko an der Außenwand im Giebel einer Kirche das Rosen-
sest dar. Christus und. Maria thronen aus Wolken in einer Glorie
von feiernden Engeln; diese neigt sich als Fürbitterin zum gött-

mehr hegen." „Ihm ist das Joch (das er durch den Uebertritt
zum Katholizismus aus sich nahm) angewächsen," erklärt Niebuhr,
der ihn „ein sehr liebenswürdiges Gemüth und begabt mit herrlicher
Phantasie" nennt.

Seine zart gefühlten Bilder thun uns wohl durch ihre Vollen-
dung, aber sie ermüden uns durch ihre Abgeschlossenheit, wie die
mancher italienischen Kirchenmaler. Gern erkennen wir es an, daß
die stylvolle Rhythmik nicht gezirkelt ist, daß die Elegien, die er mit
sanfter Stimme vorträgt, sich von abtödtender Klage fern halten,
daß die feierliche Ruhe nicht von priesterlicher Strenge geboten wird,
daß die heitere Milde nicht an schwärmerischer Verzückung kränkelt,
aber wir vermissen Freiheit, die Lebenssonne, die unsre Pfade er-
leuchtet und zum Vorwärtsschreiten reizt. Bei Overbeck's sitzender
Madonna mit dem cingeschlummerten Christkinde auf dem Schoost

lichen Sohne, so daß er segnend zu dem nuten knienden h. Franzis- erinnert alles selbst im Kleinsten — die schwächlichen Bäumchen in

kus blickt. Neben diesem zwei Engel mit Pilgcrstäben, von denen
einer Rosen im Gewände trägt, einen Theil derjenigen, welche aus
der Höhe auf den Altar fielen.*) Der h. Franz wird nämlich durch
die Erlaubuiß der Ablaßertheilung begnadigt.

.Im päpstlichen Palast malt Overbeck ein Kabinct, in dem
die Gesangennehmung Pius' VII. vor sich ging. So wurde er für
die Kränkung entschädigt, die ihm, dem frommen Maler, zu Theil
wurde, da die Censur der päpstlichen Kurie einen Kupferstich nach
einem Bilde von ihm mit Beschlag belegte, weil die Madonna einen
nackten oder vielmehr nicht ganz verdeckten Fuß zeigt.

Overbeck ist nun Direktor der Akademie von San Luca. Er
wird seine Tage in Rom beschließen und hat gegenwärtig die Freude,
mit Cornelius zusammen zu leben, der Berlin mit Rom ver-
tauscht hat.

Kein Maler faßt das, dem .alttestamentlichen Geiste entgegen-
gesetzte, weibliche Wesen des Christenthums — bei dem das rechte
Handeln ein Leiden, das rechte Streben ein Entsagen ist — inniger
auf als Overbeck. Das bekundet sich auch bei Erfindungen, die
das enge kirchliche Gebiet überschreiten, wenn er den Triumph der
Religion in den Künsten, wenn er Vorstellungen aus dem befreiten
Jerusalem darstellt, das zeigt sich schon darin,- daß er gern weibliche
Wesen voll Unschuld und Frömmigkeit zeichnet. Mit anbetender
Liebe dem Mariendienst sich zuneigend sieht er in dem Bilde mit
den Künsten in der heiligen Jungfrau die Poesie, denn es heißt
von ihr: „Meine Seele erhebet den Herrn. Von nun an werden
mich selig preisen alle Kindeskinder."

Im Tasso-Saal sind es Frauengeftalten, die uns vorzugsweise
anziehn. Wir sehn mitten an der Decke die heilige Jerusalem als
'Jungfrau auf einem Thron mit gewundenen Säulen. Auf ihrem
emporblickenden Haupte befindet sich eine Dornenkrone, aus ihrem
Mieder ein Kreuz. Zwei Engel nehmen ihr die Ketten ab und
bringen ihr dafür das Schwert und die Rosenkranz-Schnur.**)
In den vier andern Deckenbildern zeigt sich Sophronia neben Olint
ans dem Scheiterhaufen, Chlorinde, die tödtlich verwundet von Tancred
die Taufe empfängt, Erminia, die bei den Hirten Zuflucht findet, und
endlich Ärmida, die Rinaldo in Liebesnctzcn hält. Dem letzten Gegen-
stand nahm der Maler dadurch das Verfängliche, daß zwei Ritter als
seine Retter den Zugang zur bezauberten Insel mit den Waffen er-
ringen und den Gefangenen erlösen.

„Wer Overbeck, sagt Wilhelm Schadow, der ihn zuerst
in einer Zelle des San Jsidoro- Klosters begrüßte, -nur einmal ge-
sehn, wer ihn nur einmal gehört, wird an der Reinheit seiner Ab-
sichten, an seiner großen Kenntnis; und tiefen Einsicht keinen Zweifel

der Landschaft, die Tracht der Mutter (mit den Buchstaben im
Saum des Halsausschnittes) — an die Jugendbilder Raphaels.*)
Man kann dem Maler wohl einen Präraphaeliten nennen, da seine
Kompositionen füglicher mit denen der Vorgänger Raphaels zu ver-
gleichen sind. Um bei der Verstoßung Hagars uns vor Augen zu
stellen, was vor und in der patriarchalischen Hütte sich begiebt, so
sind von der vorder» Wand nur ein Paar Pfosten mit Gebälk-
stücken stehn geblieben. Ein solches Setzstück, wie es oft bei den
Cinquecentisten vorkommt, läßt man sich auf dein Theater gefallen,
aber nicht im Gemälde. Um den: mild. Erbaulichen in nichts zu
vergeben und einem Fiesole es selbst zuvorzuthun, weiß Overbeck
nichts von einem JudaS. Auf seinem Abendmahl zeigt sich nur der
umgeworfene Stuhl, wo.der hinausgegangene Verräther gesessen.
Er zeichnete die zwölf Bilder dev Apostel, aber die Stelle von
Judas nimmt Paulus ein.**) Overbeck beendigte das in Wien be-
gonnene Bild, den Einzug in Jerusalem nach langer Frist in Rom,
er malte zwanzig Jahre daran und dennoch — kann mau sich dar-
über freuen? — ist keine Ungleichartigkeit wahrzunehmen.***) Aus
lauter Bescheidenheit hat der Meister für die Sammlung der eigen-
händigen Malerbildnisse in Florenz das seinige „so dürftig gemalt,-
als wenn, er sein Lebelang gefastet hätte. Ein feiner denkender Kopf
mit tief blickendem Auge."

Die Schönheit - erscheint bei Overbeck nicht, als eine cntwik-
kelte, sondern eine absichtlich im Knospenzustande erhaltene. Wohl
mag oft die Knospe schöner sein als die ausgeblühte Rose, aber'
wir finden kein rechtes Vergnügen an jener, wenn wir den Fadem
wahrnehmen, durch den sie am Aufbrechen gehindert wird.

Die vier bedeutendsten Mitglieder des Künstlerbundes sind noch
am Leben: Cornelius Philipp Veit, Overbeck und Wilhelm
Schadow und betrauern unter den dahin geschiedenen Genossen besonn
ders zwei, die schon im Jünglingsalter in Rom starben, nämlich Franz
P forr ans Frankfurt a. M., dessen Kompositionen zum Götz von Ber-'
lichingen erst lange nach seinem Tode 1832 herausgegeben wurden, und
Karl Fohr ans Heidelberg, der als Historien- und Landschaftsmaler-
Ausgezeichnetes leistete und wie vorahnend auf einer Zeichnung die Nixen
darstellte, von denen Hagen ins Wasser gelockt wird, denn er ertrank-
beim Bade in der Tiber. Den übrigen Künstlern war es vergönnt, Pro-
ben einer reisen Bildung uiederzütegen; mit diesen beiden ging eine reiche
Hoffnung zu Grabe.

Obgleich die jungen Männer, deren Zahl immer, größer wurde,
vorher weder in schriftlicher noch in persönlicher Verbindung gestanden^

---) Gestochen von Xaver Steifen fand.

XII sanctorum apostolonmi effigies, incisae- a' Barth. Bartoloccini.

*) Die Jndulgenz des h. Franziscns in der Engelkirche bei Assisi. Lithogr. 184G-

von Johann Karl Koch. Nach der Erderschütternng vom 12. Februar 1854
mag das Freskobild nicht mehr vorhanden sein.

**) Gestochen von Joseph Caspar 1844.


'•) Das Bild, über 7 Fuß lang, auf dein man die Bildnisse von ihm, von
seiner Gattin und seinen Eltern entdeckt, befindet sich in der Marienkirche in
Lübeck. Lithögr. von Otto Speckt er. 1833.
 
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