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Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0210
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Jo beliebten Album-, Salon- oder Budoirkunst Hingabe, zuverlässig
zu einer enormen „Frequenz" gelangen würde.

Wenn nun aber schon bei unfern Schulen, wo doch in einer
Klasse Alle an derselben Aufgabe arbeiten, die übergroße Zahl der
Schüler als Ursache anzusehen ist, daß die Lehrer sich dem Einzelnen
Glicht hinreichend widmen können, um wie viel mehr wird dieses bei
Akademieen der Fall sein, wo oft sammtliche Schüler verschiedene
Aufgaben zu lösen haben, und obendrein wegen der großen Verschie-
denartigkeit der Fächer die Anforderungen an den Lehrer erhöht
-werden. Bei dieser Gelegenheit will ich daran erinnern, daß fast
olle jene früher genannten Männer, welche von den jüngeren Künst-
lern namentlich in der Kraft der Individualität und des Characters
nicht wieder erreicht wurden, aus der Zeit stammen, wo Cornelius
und Schadow ihre Thätigkeit als Direktoren erst begannen, und
deshalb eine weit geringere Zahl von Schülern um sich versammelt
hatten. Dennoch wird alles gethan, um die Frequenz der Akade-
mieen noch zu erhöhen, namentlich durch Beibehalten der aus frühe-
ren Zeiten stammenden Unentgeltlichkeit. Man übersieht dabei die
im Eingänge dieses Abschnittes erwähnte Rücksicht auf das Zeitbe-
dürfniß, denn als unsre ersten Akademieen oder Kunstschulen entstan-
den, da fehlte es so sehr au Künstlern, daß ganz Deutschland viel-
leicht nicht so viele Maler hatte, als Düsseldorf allein jetzt aufweisen
kann, deren letzte Zahl auf 400 angegeben wird. Deshalb war da-
mals Unentgeltlichkeit nothwendig, also Zeitbedürfniß, um zum Er-
greifen des in jener Zeit wenig geachteten Künstlerstandes, wovon
das alte Sprichwort „gueux comme un peintre“ Beweis ist, zu
bewegen; jetzt aber hat Deutschland im Ganzen vielleicht einige
Tausend Künstler oder Kunsttreibende, und der Andrang wird immer
größer, so daß es geradesweges Zeitbedürfniß ist, den Zugang zur
Kunst möglichst zu erschweren, wie dieses ja auch in andern über-
füllten Fächern schon längst geschieht.

Dazu reicht aber selbst die strengste Prüfung vor dem Zulassen
zum Besuch der Akademien oder Kunstschulen nicht hin, denn ehe
diese eintritt, hat der junge Mann vielleicht schon ganze Jahre einem
Fach gewidmet, zu welchem er trotz seiner Freude daran dennoch
fernen Ausübungsberuf empfing, was, wie unsere Ausstellungen wie-
der beweisen, nur zu viele mit einander verwechseln, und wird er
dann von einer Akademie zurückgewiesen, so nimmt ihn eine minder
strenge aus Streben nach Frequenz an; erkennt er nun auch seine
Anfähigkeit, so hält ihn die in keinem andern Beruf gebotene Un-
entgeltlichkeit des Studiums fest, wenn sie nicht vom Anfang an die
Veranlassung zur getroffenen Wahl gewesen ist, was weit öfter
vorkommt/ als man glaubt, und da ist es denn kein Wunder, wenn
die Mittelmäßigkeit immer überwiegender wird. Diese findet aber,
ohne dem Ganzen zu schaden, in jedem andern Stand oder Fach
ihren Platz, nur nicht in der Malerei, da in unsrer Zeit auch das
kleinste Licht selbständig leuchten will, und indem cs die'Öffent-
lichkeit nicht scheut, den Geschmack um so inehr verdirbt, weil es
seine Arbeiten möglichst billig weggeben muß und kann, wodurch dann
obendrein mancher begabte Künstler gezwungen ist, schnell und flüch-
tig zu arbeiten und Alltagsgegenstände zu wählen, um möglichst
wohlfeil verkaufen und sein Brod finden zu können.

Wenn man alles dieses weiß und bedenkt, so möchte man wohl
den genialen Männern, Carstens, Koch, Wächter ü- a. in gänzlichem
Verwerfen aller Akademieen und Kunstschulen beipflichten; aber das
hieße das Kind mit dem Bade ausschütten, denn in Ermangelung
größer öffentlicher Aufträge an befähigte Künstler, wodurch der Kunst
freilich immer am besten geholfen wird, sind es die Akademieen,
welche uns die „große" Kunst erhalten, wohlbemerkt, so lange sie
das Niedricgerc, „Kleinere" jeder Art von sich fern halten; das
sehn wir an den Engländern, die wenigstens bisher keine Staats-
akademieen hatten, und selbst in ihren umfangreichsten Bildern sich

nicht über die „kleine" Kunst, das Genre, erheben können. Wollte
inan den Widerwillen gegen derlei Anstalten dahin modifiziren, daß
deren nur eine geringere Zahl vorhanden sein sollte, so kann ich
auch darin nicht beistimmen, indem es noch Niemandem eingefallen
ist, die italienische Kunst zu tadeln, weil jeder kleine Staat, ja viele
einzelne Städte Italiens eine eigne Richtung vertraten, und außerdem .
unsre Kunst vor der Centralisation der Franzosen, die eigentlich keine
französische, sondern nur eine pariser Kunst besitzen, am sicher-
sten bewahrt bleiben wird, wenn jeder selbständige bedeutende Staat
Deutschlands, wie seine eignen Universitäten und Gymnasien, so
auch seine eigne Akademie und Kunstschule besitzt. Verharrt man
aber bei dem bisherigen System, so werden nicht allein die schönen
Absichten der hohen Stifter nicht erfüllt, sondern es wird ihnen ge-
radeswegcs entgegen gearbeitet, weil wir dann anstatt besserer Künst-
ler und durch sie bessere Kunst, nur ein größeres Künstlerproletariat,
sowohl an Geist wie an Geld erhalten.

So spricht denn nach meiner Ueberzeugung alles für die drin-
gende^ Nothwendigkeit einer bedeutenden Verminderung der Schüler--
zahl an den Akademieen. Dazu wird allerdings die Aufhebung der
Unentgeltlichkeit viel beitragen, aber noch wirksamer wird sich das
Ausschließen aller niederer» Ausbildungsstnfen und Kunstfächer er-
weisen, die beide in andere von den Akademieen eben so streng ge-
schiedene Anstalten, wie dieses Lyceen und Gymnasien von den
Universitaken sind, wenn sie sich auch in derselben Stadt befinden,
verwiesen werden müssen. Die auf Akademieen gelehrten Kunstfächer
beständen demnach aus Heiligen- und Profangeschichte, zu welcher
auch historische Schlachtenmalerei gehört, aus Mythologie, Sage,
Romantik und höherer Poesie, Portrait und historischer Landschaft,
denn dieses schöne Fach ist so vielseitig, daß es zur Genre- und
historischen Richtung gleich sehr befähigt ist, und dieser wegen seiner
durchaus verschiedenen Gestaltung niemals schaden kann. Diesen
Fächern schließen sich Bildhauerei und Baukunst an, sowie die re-
produzirenden Fächer, als Kupferstich, Lithographie u. s. w., sobald
sie sich ausschließlich dem historischen Fach widmen.

Wenn man nun Kunstschulen eben so als Vorbereitungsanstal-
ten errichtete, wie unsere Lyceen in ihrer Art dieses sind, so können
wie bei diesen, auch dort alle Kunstfächer bis zu dem Punkt ge-
lehrt werden, wo sich der Schüler für eins derselben be-
stimmt entscheidet, dann aber müßte sofort eine gänzliche Tren-
nung stattfinden, denn errichtet man den Genrefächern besondere, nur
ihnen gewidmete Anstalten, so wird die „kleine" Malerei, die schon
so verhältnißig dominirt, mehr begünstigt, als die „große", und will
man aus Kunstschulen kleine Akademieen nach dem bisherigen Sy-
stem machen, so tritt auch natürlich die bisher so schädliche Der-'
Mischung der Fächer wieder ein, und beides kann nur den Verfall
begünstigen und beschleunigen. Die sich dem historischen Fach Wid-
menden gehn daher zur Akademie über, die das Genre Erwählenden^
wenn sie nicht vorziehn, gleich auf eigenen Füßen zu stehen, beenden
ihre Studien oder lernen deren Anwendung in den Privatateliers
der einzelnen Lehrer ihres besonderen Fachs. Wenn dadurch dem
Historienmaler eine Erleichterung wird, indem das Honorar des Pri-
vatlehrers jedenfalls das der Akademie übersteigt, so ist dieser Vor-
zug dadurch gerechtfertigt, daß die Ausübung der Historienmalerei
kostspieliger ist als die des Genre, und diesem sich mehr Gelegen-
heit zum Broderwerb bietet.

Die Aufgabe der Kunstschulen muß ausschließlich das Lehren
des Praktischen/ des Handwerks sein, obgleich auch möglichst
zum Entwerfen von Compösitionen jeder Art aufgefordert werden
müßte, denn aus diesen Entwürfen lernen Lehrer und Schüler am
besten erkennen, wo cs Letzterem fehlt, und welchem Fach er sich zu-
neigt, aber die Ausführung dieser Entwürfe muß späterer Zeit
Vorbehalten bleiben. ES ist mir nicht unbekannt, daß viele dieser"
 
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