Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0226
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
210

Publikum nicht völlig competent für das künstlerische Element, so
durste doch der Beifall für voll gelten, wenn es auf Naturtreue
und Aehnlichkeit ankam. Denn Niemand ist in Bezug ans erstere
schwerer befriedigt als (bei Pferdebildern nämlich) der Hippolog
oder Hippomane. Es konnte nicht fehlen, daß endlich auch die
hohen und vornehmen Besitzer der edlen Rosse von dem jungen
Künstler Notiz nahmen, eine Ehre, aus die der Letztere gewiß weit
entfernt war, gerechnet zu haben.

Führt schon jede gemeinsame Lieblingsueigung leicht den Men-
schen dem Menschen näher, so ist dies bekanntlich ganz besonders,
(und wir sind weit entfernt darüber zu spötteln) bei Pferde- und
Hundeliebhabern, vor Allem aber auch- bei Freunden des'edlen Waid-
werks der Fall. Wir konnten das ersparen zu sagen,' daß Krüger
auch dem letzter» von Jugend auf mit Leidenschaft zugethan war;
dergleichen verbirgt sich nicht, und man fand jetzt von vielen Seiten
Vergnügen daran, ihn dazu heranzuziehen. Sein frisches Wesen,
dem mehr durch Anlage als durch Erziehung etwas ChevalereSkes
im besten Sinne eigen war, ließen ihn überall willkommen sein,
um so mehr als bei Diäna's Festen ohnehin selbst unter den vor-
nehmsten Genossen Zwang und Etikette verbannt zu sein pflegen.
Dazwischen wurde denn nach wie vor fleißig conterfeit nach Mensch
und Thier, aber immer noch mehr gelegentlich, als in eigentlich
künstlerischen Intentionen.

Es war Prinz August von Preußen, der zuerst, vielleicht das
außerordentliche Talent des jungen Mannes erkennend, sicherlich
aber in dem Wunsch, ihn zu fördern, ihn mit einem wichtiger»
Aufträge überraschte, — nämlich des Prinzen eigne Portraitfigur
auf einem Lieblingspferde sitzend, und zwar in Oel zu malen.
Ueberraschte, sagten wir, denn Krüger war bei allem kecken Jugend-
muth bescheiden genug, seiner in dergleichen noch ungeprüften Kraft
zu mißtrauen. Ganz erschrocken hatte er, nach Hause kommend,
seinen Freunden des Prinzen Wunsch erzählt, und wenig fehlte, er
hätte sich an die ehrenvolle Aufgabe gar nicht herangewagt. Die
Freunde drangen wohlmeinend auf ihn ein, versprachen Rath und
thätige Hülfe; solche Gelegenheit dürfe ein junger Künstler nicht
vorbeilassen. Sie hielten Wort, sie riethen und halfen, so viel die
eigne junge Kraft vermochte; das größere Verdienst war in jedem
Fall, dem Freunde Vertrauen in die seinige eingcflößt zu haben.
Das Bild, in mäßiger Größe, gerieth zu allerseitiger Befriedigung;
nur die Carnation ließ, wie natürlich bei des Künstlers geringer
Uebung im Oelmalen, noch zu wünschen übrig. Wir wissen nicht,
in wessen Besitz es nach dem Tode des erlauchten Gönners über-
gegangen ist.

Ein Paar Jahre später traf Einer jener Stndiengenossen, den
sein Stern nach der ewigen Roma geführt, beim Gesandten seines
Herrschers mit einem jungen Offizier aus Berlin zusammen, und
hatte, wie das zu gehen pflegt, tausenderlei von heimischen Zu-
ständen und deren Bestehen oder Wechsel sich erzählen zu lassen,
bis er endlich aus gut Glück auch die Frage that, ob jenem zufäl-
lig ein junger Maler Krüger bekannt geworden. „Krüger?" rief
der Ankömmling, überrascht, als er erst entdeckte, wem die Frage
galt: „Wer in Berlin sollte Krüger nicht kennen? Der malt
jetzt Alles!" Und in der That, so war es fast buchstäblich.
Einmal zur Anerkennung gelangt, hatte sich das junge Talent mit
bewunderungswerther Schnelligkeit Bahn gebrochen, hatte mit dem
steigenden Beifall und Ruhm nicht allein die Leichtigkeit des Pro-
ducirens, sondern auch, was mehr sagen will, die innere Gediegen-
heit der Prodnctionen gleichen Schritt gehalten, und das Glück,
der Maler des Tages zu sein, trug bereits in seinem Schooß das
Verdienst, dereinst der Maler seiner Epoche zu heißen. Wie
das alte Venedig" in seinen Tizians und Tintoretts, kann man von
hier an das moderne Berlin, ja wir sagen dreist, das moderne

Preußen, vom König an durch Staatsmänner, ^Gelehrte, Künstler,
bis zum einfachen Privatmann,, in Krüger'schen Bildern studirem

Es sei uns vergönnt^ an dieser Stelle zunächst von den ge-
zeichneten Portraits im Allgemeinen Erwähnung zu thun, die er,
namentlich in früherer Zeit, in außerordentlicher Anzahl geliefert
hat. Kaum möchte, außer ihm selbst. Jemand Alles selbst gesehen
und gekannt haben, was sich davon jetzt hier und dort, in den
Provinzen wie in der Hauptstadt, zerstreut findet, aber selbst wenn
wir den bescheidenen Maaßstab unsrer persönlichen Bekanntschaft
anlegen, können wir nicht umhin, seine fruchtbare Hand ebensowohl
als den durchschnittlichen Knuftwerth so rasch entstandener Lei-
stungen zu bewundern. Meist in schwarzer Kreide auf grauem oder-
bräunlichem, oft ungewöhnlich dunklem Papier, mit weißen Lich-
tern gehöht, geben sie mit diesen einfachen Mitteln nicht nur den
Character, das Haar und die Gesichtsfarben, sondern auch die Lo-
caltöne der Kleidung, das spielende Licht seidner Bauschen, wie das
glitzernde Gold und Silber der gestickten Uniform auf eine Weise
wieder, die das Anwenden wirklicher Farbe kaum vermissen läßt.
Wie immer sind ihm Männer, namentlich Militairs, in einem ge-
wissen anspruchslosen edelmännischen Anstand vorzugsweise gelungen,
aber auch Frauenportraits in den gepufften kurzen Aermeln, den
zierlichen Lockenbauten jener Zeit sind nichts seltnes, und wenn ein
wesentliches Element des Damenmalers, das Verschönern, nie-
mals Krügers Sache gewesen ist, so sprechen sie (die ungewohnte
und wenig kleidsame Tracht ohnedies abgerechnet) fast immer durch
ungezwungene und gemüthliche Auffassung an, und keine macht
das (von Jean Paul) sogenannte „Sitzgesicht". Wir.erinnern uns
namentlich einer alten Dame von Stande, die mit ihrer Dose in
der Hand, das glaue großmütterliche Gesicht von einer mächtigen
krausen Tüllhaube eingefaßt, ein wahres Meisterstück von Leben und
Individualität war.

Selbst bei den frühsten der in Rede stehenden Leistungen ist
die Zeichnung fast durchaus tadellos (ein Punct, dessen Erwägung
wir später noch näher zu nrotiviren haben werden). Die gewöhn-
lichen Fehler, besonders des Portraitzeichuens, zu Gunsten des
Kopfs das Uebrige auch räumlich zu „opfern," — schmale Schul-
tern , winzig auslaufeude Arme und. Hände sucht man vergebens*).
Nur zweier Bildnisse erinnern wir uns, die in solcher Hinsicht zu
wünschen ließen, aber darum (schon ihrer sichtlich frühesten Entstehung
wegen), nicht minder interessiren konnten. Es war ein Brüderpaar
in der unvortheilhaftesten Epoche norddeutschen Ephebenthums, blöde
und unbeholfen bis zur Schroffheit, mit hochstehendem Rockkragen
und aufgebauschten Aermeln; — aber wer die beiden stattlichen
deutschen Männer lebend daneben sah, die später draus geworden,
konnte sie dennoch in jener Verpuppung wiedererkennen, und beider
verschiedenen Character wie eine Prophezeihung herauszulesen. Und
so war andererseits dies eine öfter bemerkte Eigenthümlichkeit der
Krüger'schen Portraits, nicht bloß ähnlich zu sein, sondern auch
gleichsam zu werden, wir wollen sagen, die zur Entstehungszeit
weniger frappante Aehnlichkeit später beim Entwickeln und Altern
des Originals um so auffallender hervortreten zu lassen. Der
Meister hatte eben den ganzen Menschen, auf jenen Einen Blick
in der Blüthe gleichsam die Frucht errathen, und die Zeit drückte
schweigend ihr Siegel unter sein Urtheil.

*) Wenigstens auf den Originalen, — denn wir wollen nicht verschweigen,
daß die nachbildenden Künste nicht immer glücklich und gewissenhaft mit den
letztern umgegangen sind. Dies trifft besonders einige ältere Portraits von be-
rühmten Staatsbeamten, Aerzten, selbst hohen Personen, denen mau oft im
Steindruck begegnet.

(Schluß folgt.) '
 
Annotationen