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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0248
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Formenschönh'eit zeigt, ganz wie sie den Perserinnen oder jenen klein-
asiatischen Griechinnen gemäß ist, die, wie Atossw bei Aeschylos sagt,
der Perferherrschaft glänzendes Joch und Leitseil mit lenksamem
Munde willig trugen und nun hier für dieseSelbstentwürdigung bü-
ßen mußten. Diese Gruppe, welche durch die Größe, Mannigfaltig-
keit und ausdrucksvolle Schönheit der Figuren, dem Beschauer zu-
meist ins Auge fällt, ist vom Künstler bereits bis in die Speciali-
täten hinein ausgeführt und mit besonderer Vorliebe behandelt; sie
enthält die nicht nur auf das Auge, sondern auch auf das Herz
zunächst wirkenden-Elemente der tragischen Katastrophe, welche ich in
meinen „Ästhetischen Forschungen" unter dem Gattungsbegriff des
„Rührenden" zusammengefaßt habe, d. h. diejenigen Mitleidenden
und Mitleid Erweckenden',, welche nicht in Folge ihres eignen Ueber-
muthes, sondern im Anschluß an die Selbstüberhebung eines Grö-
ßeren und Höheren den Untergang erleiden. Es ist daher sehr be-
zeichnend, daß sich diejenige Gruppe, welche den um seiner selbst
willen leidenden Hauptträger der tragischen Partie dieses Welter-
eignisses zum Mittelpunkt hat, auf dem Bilde gerade über den
Häuptern der so eben geschilderten Gruppe befindet. Hier ragt näm-
lich die von der Linken vorspringende Landzunge, der der Insel Sa-
lamis gegenüberliegende Berg Angaleos, aus dem Ocean empor
von welcher aus Xerxes dem Kampfe zugesehn und jetzt die gewisse
Ueberzeugung gewonnen hat, daß Alles für ihn verloren ist, und
zwar nicht bloß die gewaltige übermächtige Flotte, sondern auch

Der Perser schönste Blüthe, die dem Heer gefolgt,

Erlaucht von Abkunft, strahlend hoch an Männermuth,

Des Königs selber allezeit getreuste Schaar,

welche der König nach dem kleinen Eiland Pshstatnia entsandt, um
dort die flüchtigen Griechen vollends niederzuhauen, welche aber hier
von der tapsern Schaar des iAristides niedergeschmettert und im
Angesicht des Königs gänzlich vernichtet ist. Zum Zeugniß, daß
dein so ist, sieht man auf der gegenüberliegenden von der Rechten
vorspringenden Landzunge unmittelbar am Gestade eine Gruppe theils
umsonst nach Rettung suchender, theils gefangener, theils gefallener
Perser, während Aristides bereits als Sieger einherschreitet und die
Seinigen — unter ihnen der jugendliche Sophokles — vor einem
Tempel den Päan anstimmen. Diese beiden seitlichen Gruppen stehen
zu einander im directen Gegensatz, jene veranschaulicht die Demü-
thigung und Verzweiflung des Götter und Menschen verachtenden
Uebermuths, diese den Triumph und die Siegesfreude der für Gott,
Vaterland und Freiheit kämpfenden Thatkrast. Was die Wirkung
beider Gruppen in der Darstellung betrifft, so ist bis jetzt die erstere,
weil vollkommner ausgeführt, entschieden im Uebergewicht. Der
König ist hier in dem Momente der höchsten Verzweiflung dargestellt,
die ihn ergriff, als er auch den grausenhaften Tod seiner Getreuen
mit ansehen mußte.

Des Jammers Abgrund schauend stöhnte Xerxes auf,

Und fein Gewand zerreißend schluchzt' er laut empor —

singt der Dichter; und dem entsprechend, jedoch von der unmalerischen
Zerreißung des Gewandes absehend, zeichnet ihn auch der Künstler,
wie er so eben entsetzt von seinein Thron aufgesprungen ist und,
taub für die Tröstungsversuche seiner nicht minder entsetzten Umge-
bung, seine Hände im Gefühl der eignen Nichtigkeit zum Himmel
emporstreckt, während dieser aus schwarzen Wolken Blitze nach den
Masten seiner Flotte entsendet und vom Meere aus in drohender
vorwurfsvoller Haltung Glaukos zu ihm auftaucht, um ihm die Ket-
ten entgegenzuhalten, mit denen er im despotischen Uebermuth
die empörten Wogen des Hellespont zu fesseln sich vermessen hatte.

Ueber die Wirkung der entgegengesetzten Gruppe, welche den
Sieg des Aristides darstellt, läßt sich noch nicht mit Sicherheit nr-
theilen. Ihrer allgemeinen Anlage nach gewährt sie die vollste Be-
friedigung; im Einzelnen werden noch einige Motive hineinzuarbeiten

fein', welche ihn denselben Gbad- der' - Selbstverstätrdlichkeit^ verleihen;
welche alle übrigen Partien des Gemäldes besitzen. Wie in-jener
Gruppe dem Xerz-es- vom unten aus zürnend und rachedrohend der
Meergott, so erscheinen!. aus dieser Seite den Griechen von oben
herab ermuthigend und helfend die Gestalten der altgriechischen
Heroen. Diese Gegenüberstellung ist höchst sinnreich, wird durch die
Erzählung des Herodot, daß die Griechen am Morgen der Schlacht
die Aeakiden als Mitkämpfer 'angerufen, hinlänglich unterstützt und
widerspricht auch nicht dem kühleren Bewußtseyn der modernen An-
schauung, sofern sich diese Erscheinungen als objectivirte Visionen
der im Zustande höchster Ekstase befindlichen Personen auffassen
lassen. Dennoch möchten wir dem Künstler fast rathen, hierauf
Verzicht zu leisten, besonders deßhalb , weil der Künstler von einer
ähnlichen Anordnung in seinen Compositionen schon gar zu oft, fast
regelmäßig Anwendung gemacht hat und der wiederholte Gebrauch
derselben Mittel, so trefflich sie auch an sich sein mögen, zuletzt seine
Wirkung einbüßt. Die Anordnung des Ganzen ist eben so über-
sichtlich als reichhaltig, eben so harmonisch als mannigfaltig, und
hierzu trägt- ganz besonders auch eine sehr wirksame Licht- und
Schattenvertheilung das Ihrige bei. Das Bild soll eine Breite
von 32, und eine Höhe von 18 Fuß erhalten.

A. Zersing.

M. v- Schwind'6 „Kaiser Rudolph."

Was irgendwie in scharf ausgeprägter, eigentümlicher Weise
von dem Gewohnten abweicht und dabei bedeutend genug ist, um
die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, wird sich immer darauf ge-
faßt machen müssen, von der einen Seite enthusiastische Bewunde-
rung, von der anderen Seite lebhaften Widerspruch zu erfahren.
Diesem Schicksal kann und wird auch das jüngst vollendete, gegen-
wärtig im Kunstverein ausgestellte große historische Gemälde von
M. v. Schwind, welches er im Austrage der Verbindung für
historische Kunst ausgeführt hat, schwerlich entgehen. Es stellt den
Kaiser Rudolf von Habsburg dar, wie er in Begleitung eines klei-
nen Gefolges nach Speier reitet, um dort zu sterben. Das Bild
macht in seiner Anordnung säst ganz den Eindruck eines Frieses;
die Figuren sind mehr in Form einer Procession, als einer Action
zusammengestellt, wie ja dann auch das Darstellungsobject selbst
keine wirkliche Handlung, kein historischer Act, sondern nur eine
Situation eines historisch berühmten Mannes ist. Der dargestellte
Zug bewegt sich für den Beschauer von der Linken' zur Rechtendes
Bildes. Eröffnet wird derselbe durch den Kaiser selbst und einen
ihm zur Seite reitenden Bischof, der aus einem Breviere Gebete
liest. Der Kaiser macht unverkennbar den Eindruck eines dem Tode
Entgegenharrenden. Körper und Glieder sind, wie die langen Fal-
ten des sie verhüllenden Gewandes verrathen, schwach und abge-
fallen; die Haltung ist nicht gerade schlaff, aber gezwungen steif und
ohne jede Elasticität, der Kopf hager und gebeugt und der Blick
theilnahmlos und resignirt zur Erde gekehrt. Hinter ihm reitet,
ziemlich in derselben Verfassung und Haltung, die Kaiserin, gleich-
falls von einem Priester begleitet. Geschlossen wird der Zug durch
drei Personen, welche wahrscheinlich den Marschall, den Kämmerer
und den Arzt darstellen. In den Mienen derselben spricht sich
entschieden hoffnungslose Besorgnis; und tiefe Trauer aus. Außer
diesen Hauptfiguren enthält das Bild theils im Vorder-, theils im
Hintergründe noch einige Gruppen von Nebenfiguren, welche fämmt-
lich dazu bestimmt sind, in verschiedener Weise den Antheil des
Volks an diesem Trauerzuge auszudrücken. Zumeist in die Augen
fällt die Figur einer jungen Bäuerin, die sich mit thränenfeuchtem
Auge von dem Zuge, der eben an ihr vorüberzieht, abwendet und
 
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