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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

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https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0414
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sehr große Anzahl von Gemälden. Für die Ausstellung selbst ist dies ein großer
Vortheil, daß sie in dem Inneren der Stadt und so veranstaltet werden kann,
daß die Lehrsäle der Akademie von ihr ganz getrennt sind.'

Mit dieser Organisation der Ausstellungen tritt die Akademie eben so sehr
der Künstlerschaft wie dem Publikum gegenüber in. jene bevorzugte Stellung ein,
die ihr schon früher in den vortrefflichen von Sonnenfels gearbeiteten Statuten
angewiesen war. Sie hat in früheren Zeiten diese Stellung nicht behaupten
können. Die älteren Statuten, welche die Akademie als ein großes Nationalin-
stitut hingestellt haben, sind kaum dem Buchstaben, geschweige erst dem Geiste
nach ausgeführt worden. Die damaligen Leiter unseres Staatswagens ,,schoben
den Karren der Akademie von Jahr zu Jahr fort," um ipsissima verba einer
hohen Person zu erwähnen, die auf Kunst großen Einfluß hätte nehmen können.
In die bürgerlich-patriarchalischen Formen des ehemaligen Hoflebens paßte Kunst
eben so wenig, als in ein Staatssystem, das im Innern nur ein Mittelmaß von
Kräften auskommen läßt, gerade das also, was jeder Kunstentwicklung am schäd-
lichsten ist, und nach Außen zu ein förmliches Abschließungssystem organisirt. Daß
die hohen Kirchenfürsten, der Adel, die hohe Aristokratie diesem Systeme, das
von Oben aus gepflegt wurde, folgte, versteht-sich wohl von selbst. Das war
überall so gewesen, und wird in jeder Monarchie immer so. sein. Die Richtung
des Hofes bleibt maßgebend für den ganzen Adel, die kirchliche und büreaukra-
tische Hierarchie. Wer in Wien damals eigentlich für Kunst etwas that, das war
der Bürgerstand und der in seinen Lebensanschauungen dem Bürgerstande nahe
stehende Adel. Portrait, Landschaft, Blumenstück, das Genrebild waren die
Fächer,, die gepflegt wurden, und Talente wie Danhauser, Gauermann, Amer-
ling, Waldmüller, Kriehuber, Daffinger, Schindler, Th. Ender, Steinfeld u. s. f.
wuchsen aus dieser Richtung ein. Was über dieses- Maß gesellschaftlicher Be-
dürfnisse hinausging, wanderte aus (wie Schwind, Steinla, Schaller u. s. f.) oder
verkümmerte, wie es mit Architektur, Skulptur, Historienmalerei — mit sehr ge-
ringen Ausnahmen — der Fall war.

Nun, da wir wissen, wie früher gefehlt wurde, und von welcher Seite, —
nun hoffen prir, daß bei den neuen Ausstellungen die Fehler des akademischen
Regimentes vermieden, und von Seiten der hohen Gesellschaft Wiens für
Künstler was geschehen wird, was von dort her in allen andern Großstädten
geschieht.

Man zweifelt nicht, daß von inländischen und ausländischen Künstlern diese
Ausstellungen reichlich werden beschickt werden — so viel ist gewiß, daß der ge-
lammten Künstlerwelt in Wien nie eine Gellgeuhei geboten wurde, die so günstig
für sie wäre, als die jetzige. Wenn sie dieselbe nicht zu benutzen, und die Vor-
theile nicht zu ergreifen versteht, die ihr in derselben geboten werden, so hat sie
sich die schlimme Zukunft, die folgen müßte, selbst zuzuschreiben.

ef. ©lltitt Ans. Okt. Man mag Italien noch so oft, und in allen
Richtungen durchwandert haben — man wird auf dem Gebiete der schönen Künste
immer noch Ueberraschungen erleben. Zu den auffallendsten dürften aber jene
gehören, die uns Meisterwerke der deutschen Kunst hier bereiten. Niemand wird
sich wundern, in Deutschland altitalienische Gemälde anzutreffen; aber bei alt-
deutschen in einer Kirche oder einem Palaste Italiens stehen immer eine Menge
Fragezeichen. Sehr wenige nur werden auf dem Wege des Bilderhandels dahin
gekommen sein; die mehrsten sind sicher an Ort und Stelle gemalt oder durch
Deutsche, die sich in Italien niedergelassen, aus der Heimath durch Bestellung da-
hin gebracht und gestiftet worden. Letztres mag sich vornehmlich in den Handels-
städten öfter ereignet haben. Genua zählt unter seinen Kunstschätzen mehre der-
gleichen ans. Von allen, die mir schon vor Jahren genannt worden waren, hatten
vornehmlich zwei oder drei Tafeln große Anziehungskraft für mich, davon die
eine dem Albrecht Dürer, die beiden andern dem Jan van Eyck zugeschrieben
wurden und die sich im Palazzo ducale befinden sollten. Obwohl man in Ita-
lien von deutscher Kunst nur sehr dunkle Vorstellungen hat, ja bis vor Kurzem
alle dergleichen Bilder nur an.zwei Meister „Alberto Duro" und „Luca d'Ollanda"
vertheilte, so ließ ich mich doch nicht abhalten, den Gemälden des Pal. ducale
nachzuforschen, um so weniger, als hier wirklich ein dritter Name genannt wor-
den. Meine Bemühungen waren bisher immer vergeblich gewesen; bis ich durch
einen Zufall erfuhr, daß die gesuchten Gegenstände in dem gegenwärtigen Muni-
cipalpalast sich befänden, wohin man sie aus dem Pal. ducale gebracht. Da
fand ich sie in dem Zimmer des „Sgre. Sindaco." Der angebliche Dürer ist
eine Anbetung der Könige, mit Verkündigung und Flucht in Aegypten, ein Trip-
tychon von höchst mittelmäßiger Hand, wie es scheint einem kölnischen Nachahmer
des Lucas von Leyden. Ein Christus am Kreuz mit Maria und Johannes hat
die Charakterzüge der van Eyckschen Schule; ist aber entweder ganz übermalt, oder
eine Copie, was .ich Lei der Kleinheit der Figuren und der Höhe, in der das
Bild hängt, nicht unterscheiden konnte. — Das dritte der Gemälde nun ist ein
Triptychon mit fast lebensgroßen Figuren, eine Madonna mit dem Kind und

zwei Heiligen auf den Seitenflügeln, hat ganz das Gepränge der van Eyckschen
Schule und ist ein Werk von hochhervorragendem Werthe. Die heilige Jungfrau
sitzt auf einem Thron, dessen schwere grüne Vorhänge von beiden Seiten zurück-
geschlagen sind; über ihrem Hairpte ist ein Stück von einem steinernen gothischen
Baldachin sichtbar, wie er bei Statuen an oder in Kirchen angebracht zu werden
Pflegte. Sie reicht dem, mit einem Hemdchen bekleideten, auf ihrem Schooße
sitzenden Kinde eine Traube, davon-es nascht, während es seitwärts freundlich
nach dem Beschauer blickt. Maria's Kleid und Mantel sind von derselben dunkel-
grünblauen Farbe; lang hangen die gescheitelten Haare über die Schultern herab;
die Augen sind niedergeschlagen, alle Züge sind schön und das ganze Gesicht
ist acht deutschen Geblüts; nur ist vom Oberkopf so wenig, sichtbar, daß der
ganze Kopf nur Gesicht zu sein- scheint. Darauf aber liegt ein Ausdruck von
Ruhe, Unschuld und Milde, daß man alle etwaigen Mängel der Proportion leicht
übersieht. Auf dem Flügel zur Rechten steht der heil. Nicolaus im schwarzen
Ordenskleid, mit dem Bischofstab in der einen, einem Buch in der andern Hand,
in tiefe Betrachtung versunken; auf dem entgegengesetzten der heil. Hieronymus,
im rothen, mit. Pelz verbrämten Kapuzen-Mantel, mit einem kunstreichen Kreuz
in der Linken, in der Rechten aber.ein Buch haltend, in welchem er liest. Sehr
eigenthümlich ist die Charakterisirung dieser Gestalt, die von allen mir bekannten
Vorstellungen dieses Heiligen abweicht. Nicht als Greis mit weißem Barte, wie
gewöhnlich, sondern als ein rüstiger Mann mit vollem braunem Kinnbart, ohne
Lippenbart, aber mit fast kahlem Scheitel gleicht er einem gesunden Vierziger.
Ohne den Löwen und den Cardinalsmantel würde man nicht leicht an den
einsiedlerischen Kirchenvater denken. Im Hintergründe hängt bei beiden Heiligen
ein mit bunten Blumen und Thieren gestickter Teppich. Ein überaus kräftiger
Realismus spricht aus dem ganzen Werk; aber er ist gemäßigt, durch eine freie,
künstlerische Auffassung der Natur, welche hier überall'Modell gestanden, durch
eine sehr durchgebildete Zeichnung, von welcher die Erinnerung an die magern
Vorbilder der Eyckschen Schule verschwindet, durch einen großartigen Formensinn,
der sich vornehmlich, in dem imponirenden Kopf des Hieronymus,, und in dem
an Ghirlandajo's Weise anstreifenden edlen, einfachen und schönen Faltenwurf
kund giebt. Zu alle dem kommt eine der deutschen Kunst jener Zeit nur selten
eigne Schönheit und Harmonie der Bewegung und deren volle Uebereiustimmung
mit-dem Ausdruck der Mienen und der ganzen Gestalt; nicht zu sprechen von
der ganz vollendeten Technik des Farbenauftrags, und der ruhigen einfachen
Färbung mit nicht sehr lebhafter aber wahrer Carnation, wie beides der Eyckschen
Schule eigen ist. Es ist sehr schwer, einen der bekannten Meister-Nainen mit
diesem Bilde in Verbindung zu bringen. Es ist schwerlich später als 1450—60;'
es ist freier, großartiger als alles, was ich von Roger d. Aelt. und von Memling
kenne, stimmt auch nicht mit dem Meister von der Gefangennehmung Christi-
an München) noch mit dem vom Mannasammeln und Osterlamm. Es ist viel'
bedeutender, als letztere Bilder, und breiter und edler, als das erstere. Es wäre
sehr wünschenswerth, daß die Mitarbeiter im Weinberg der deutschen Kunst
diesem Werke ihre Aufmerksamkeit zuwenden, möchten. Noch bemerke ich eine
Eigenthümlichkeit in der Inschrift des Mantelsaunies der Jungfrau. In:
„Salve misericordie vita dulcedo spes nostra o Clemens o dulcis virgo
Maria“ sind die m in - misericordie und Clemens gebildet wie das M in

Memlings Namen in Brüge ; in Maria aber gewöhnlich
Die Versendung der Neuen Ausgabe von:

Jufes IttiffjaOauö’s Denkmäler der .üaufutufl. unter Mit-

Wirkung von Franz Kugler und Jacob Burckhardt herausge-
geben von Ludwig Lohde, Architekt und Professor am Königs.

1 Gewerbe-Institute in Berlin. 400 Tafeln und über 90 Bogen
Text, in Groß-Quart. --

In 80 Heften ii Thlr. jedes.

findet regeünäßig statt. <

- Von dieser Neuen Ausgabe werden sowohl die Haupt-Abtheilungen des
Werkes:

Denkmäler der Alten Zeift 22 Hefte,

Denkmäler des Mittel-Alters^ 41 Hefte.

Denkmäler der Neueren ZM 17 Hefte,

als auch die verschiedenen Unter-Abtheilnngen, wie solche der durch alle-Buch- und
Kunsthandlungen Deutschlands zu beziehende Prospekt näher angiebt, und selbst
Hefte einzeln zu dem Preis von 1\ Thlr. jedes abgegeben, wonach es den
verehrlichen Käufern ganz freisteht, sich das Werk nach eigener Wahl in größeren
oder kleineren Raten nach und nach oder auch außer der Reihe anzuschaffen.

Bei Anschaffung des completen Werkes auf einmal sind die vermit-
telnden Buch- und Kunsthandlungen von mir in den Stand gesetzt, des
großen Umfanges des Werkes wegen Erleichterungert gewähren zu können.

Hamburg. 1856. Joh. Aug. Meißner's Verlagshdlg.

(Dieser Nummer ist Nr. 22 des Literatur-Blattes des Deutschen Kunstblattes und ein Holzschnittb.latt beigegeben.)

Verlag von Heinrich Schindler in Berlin. — Druck von Trowihsch und Sohn in Berlin.
 
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