Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Eggers, Friedrich [Hrsg.]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 8.1857

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1201#0482
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
458

-Len verschiedene Stücke, worin sich ein schöner Natur- und Farben-
sinn aussprach; allein es fehlte noch gar sehr an Präcision des Vor-
trags und an Solidität der Durchbildung; es waren trefflich ange-
legte Skizzen, voll Gefühl und seiner Andeutungen, doch nichts mehr.
Die jetzige Ausstellung bringt dagegen drei Bilder, die über den
Charakter von Studien hinausgehen, und beinahe in den--Rang voll-
endeter Meisterwerke eintreten- Der „Frühling" ist eine flache Feld-
landschaft. Aus einem Wege, der zwischen zwei kleinen Kornfeldern
in's Bild hineingeht, reitet eine Bäuerin auf einem Esel. Zur
Seite blühende Apfelbäume; am Himmel spielendes Sonnenlicht
und zerstreutes, zum Theil beschattetes Gewölk, das die weißen und
rothen Apfelblüthen zwischen den grünen Blättchen um so stärker
herauslachen läßt. Hier ist bloße Natur; keine Anstalt, keine Prä-
tension, auch nicht die Prätension der Einfachheit- sondern es ist
-wahre ländliche Natur, mit treuem Auge angeschaut und mit ehr-
licher Hand hingelegt. Dieses niedliche Feld gewinnt uns, es nimmt
uns ruhig ein, und der Helle Sonnenblick auf dem grünen Korn,
der anspruchslose Feldweg, die schlichte bäuerliche Staffage, der ge-
wöhnliche Blüthenflor, 7 die laue Lust im Alltagsanzuge ihrer Wol-
ken, die niedrig umgrenzte Ferne, das alles versetzt in eine harm-
lose, stiedliche, dörfliche Stimmung, wozu man in Paris nicht wohl
kommt, außer durch ein solches Bild. — Das „ Thal von Opte-
voz" (Jsöre) stellt eine Berggegend mit einem stehenden Gewässer
vor, welches ohne Zusatz von der Natur ausgenommen zu sein scheint.
Ein kleiner Teich, von einem Zug wilder Enten bestrichen, liegt
-ruhig schlummernd am,Fuß hoher und dürrer Hügel. Es läßt sich
nichts Einfacheres als dieses Sujet denken. Sie ist traurig', diese
Gegend hier: kein schönes Grün belebt Nain und Anger; keine sel-
tene Blumen und Prachtgebäude schmücken die Vorgründe; keine ab-
wechselnde Aussichten eröffnen sich dem Blicke des Beschauers; keine
stechende Lichteffekte und Farben-Kontraste reizen das Auge! Es ist
ein wenig Pfeilkraut und mageres Moos, es sind ein Paar Teich-
rosen und trübes Moorwasser, graue Berge und kahles Erdreich,
weißliche Wolken und helle Luft,' welche der Maler dargestellt hat.
Aber die Wahrheit der Nachahmung, der Zusammenschluß der Ge-
genstände in einen Raum, den das Auge auf einmal faßt, leicht
ordnet und genau untersuchen darf, die klare, ruhige, gleichmäßige
Lichtwirkung der gedämpften Tageshelle: die sind es, die dem Bilde
einen gegründeten Anspruch auf Schönheit und ein nachhaltiges In-
teresse verleihen. Ich glaube, daß es nicht wohl möglich ist, eine
Naturansicht voller, wahrer und anstaltloser wiederzugeben. Kein
Kunstgriff, kein Handwerkskniff, kein Schnurzug, kein Einschiebsel,
kein Verstößer, kein Auftrumpf. Doch denke man nicht, es sei ein
bloßes Facsimile, ein Daguerreotypstück, ein Spiegelbild der Natur.
Der wehmüthige Eindruck gewisser einsamer, verlassener Berggegen-
den ist bewunderungswürdig treffend gegeben, und die melancholische
Stimmung, die darin herrscht, wirkt um so ergreifender, als alles
Einzelne mit der anschaulichsten Natnrwahrheit ausgeführt, und das
Ganze auf keinen Effekt angelegt ist. — Der „Sonnenuntergang"
ist ein minder bedeutendes, doch ebenfalls sehr ansprechendes Bild.
Der Schein der untergehenden Sonne wirft einen langen, am Bo-
den hinschleifenden Lichtstrahl auf einen baumbepflanzten Weg, wo
eine kleine Schaasherde, und dieser vorauf eine Bäuerin, mit einem
Kinde an der Hand, geht. Weiter nichts, und keine andere Ten-
denz, als die der Wahrheit und Deutlichkeit. Denn die Gegend ist
weder an sich sehr interessant, noch wirkungsvoll gestimmt; aber die
Dämmerung hat einen eigenthümlichen Reiz, und die Stille, Heim-
lichkeit und Bläffe eines schönen Abends ist hier mit wenigen Mit-
teln glücklich gegeben. Während also die Wähler schlagender Effekte
und bunter Reize unter den französischen Landschaftern nicht selten
sind, stellt ihnen dieser Maler in den ebengenannten Bildern die
Virtuosität einer Darstellung schlichter Natur gegenüber, und zwar

mit dem glänzendsten Erfolge. Daubignh zählt von nun an zu derr
ersten Matadoren der französischen Landschaftsmalerei.

Aehnlich, aber nicht so stark ausgesprochen und wirksam, ist die
Tendenz der Stücke von Camille Flers, der die Studien zu sei-
nen Landschaften vorzugsweise- in der Normandie sammelt. Schon
seit einer Reihe von Jahren zieht er aus dieser Provinz eine Menge
netter Bildchen, die allerlei Eckchen und Versteckchen auf dem Lande
vorstellen: Wiesen im allerfrischesten Grün, Weidengebüsch und Pap-
peln im üppigsten Wüchse, kleine Weiher und Tümpel, mit Schilf
und Binsen umsäumt und mit - Entengrün und Mümmelken über-
wachsen, Durchblicke in bläuliche Fernen, Landhäuschen im Hinter-
gründe ihrer Gärtchen, von der Sonne goldig beschienen, eingeramm-
tes Pfahlwerk und halb im Sande steckende Fischerböte, Pachtgehöfte
mit rosenschimmerigen Spanferkeln, Vanerhütten, in dichtem Ge-
büsch versteckt, aber von aufsteigenden Rauchringeln verrathen, —
es sind immer dieselben Details und Motive, aber die Natur wie-
derholt sich oft, sie ist mit Himmel, Erdgründen und. Bäumen so
freigebig, wie der französische Koch, von dem Boileau redet, mit
Muskate; sie hat allenthalben davon angebracht, und ein Maler darf
es eben so machen. Obwohl etwas einförmig, sind die kleinen Land-
schaften von Flers immer sehr ansprechend durch Feinheit, Farbe
und Tokkirung. Nur an große Stücke muß er sich nicht heranma-
chen; denn da zeigt sich, daß er sie nicht recht bezwingen kann. Da-
gegen ist er unumschränkter Herr und König in seinem kleinen Reiche
von Grasplätzen, Bruchweiden, Binsen, Mühlen und malerischen
Häuschen; hier bewährt und behält er immer Klarheit, Frische,
Transparenz, Stille, alle bäurischen, oder vielmehr ländlichen Eigen-
schaften. Der „Binnenhof", der „Meierhof", die „.Wiese" .(alle
drei in der Gegend von Aumale), der „Frühling an der Marne"
und die „Mühle am Sichon" sind delikate, wahre und niedliche Bil-
der: ihr Anblick ist ein lieber Genuß, er giebt uns das süße
Gefühl des Landes, und macht große Lust, alles im Stich zu lassen
und weit weg von dem tollen Paris, in Ruhe und Stille zu
leben.

Mehr gesteigert und unruhiger in der Anlage und der Har-
monie sind die Bilder von Felix Haffner, die eben keine Sehn-
sucht im Gcmüthe wecken, sondern sogleich durch bewegte, tiefe Töne
und eine lebhafte Farbenstimmung das Auge reizen. Er liebt es^
Scenen aus dem Elsaß darzustellen, das gleichzeitig sein Geburts-
land und die Heimath seines Talents ist; wenn er auch ab und zu
Ausflüge in's Badische macht, so kehrt er doch immer wieder auf
die linke Rheinseite des Elsasses zurück, denn er findet hier, was An-
dere oft sehr weit weg suchen, charakteristische Gestalten, malerische
Trachten und reichhaltige Natur. Haffner ist nicht bloß Landschaf-
ter; er malt auch Genrestücke oder Stücke, wo Genre und Laud--
schast verbunden sind, und gefällt in beiden Fächern durch ein an-
ziehendes Gemisch von Zierlichkeit und Bäuerlichkeit. Aus etwas'
derbe Formen setzt er sehr frische, -lebendige Farben von überaus
feinem, tiefem und köstlichem Ton. Er malt Hühnerhöfe mit der'
Farbenpracht alter Kirchenfenster, wo die Sonne durchscheint, und
seine Bauermägde prangen in ihren Kraut- und Rübenfeldern wie
byzantinische Kaiserinnen, was eine anmuthige und wunderliche Wir-
kung hervorbringt. Dieser Künstler bekümmert sich um etwas, wo-
ran die Maler heutzutage eben nicht viel denken: nämlich um die
Farbe an und für sich genommen, wie ein Blumenstrauß, wie ein-
Schillerstoff, wie ein Ensemble von- Tönen, die harmonisch für's
Auge sind; ein Bild von Haffner ist, abgesehen von Gegenstand und
Form, interessant durch ein Grün, ein Roth, ein Gelb, das uns
ungefähr so gefällt, wie uns eine Hagebuttenrose, ein Prachtkäfer-
flügel, ein Geranienblatt gefallen würde; es ist ein rein körperlicher
Eindruck, wie der einer einzelnen Note, die voll und rund aus ei-
nem Pariser Flügel heraustönt und durch- ihren schönen, herrlichen-
 
Annotationen