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Nebenbuhlern" eröffnete. Es ist allerdings nichts speciell Zeitge-
mäßes, was dies vortreffliche Lustspiel vor der „Komödie der Ir-
rungen" voraus hat. Hier liegt die Sache anders; cs ist ganz ein-
fach in all' und jeder Beziehung ein besseres Stück. So kam es,
daß die „Komödie der Irrungen" nicht cinschlagen konnte. An einem
bereits halb ermüdeten Publikum, zog sie ziemlich gleichgültig vor-
über. Zur Wirkung kam nur die Sccue im 4. Akt, wo der Zau-
berer Pinch erscheint, um den von einer Partei für betrügerisch, von
der andern für wahnsinnig gehaltenen Antipholus von Ephesus durch
Beschwörungen zu heilen. Das bunte Durcheinander dieser Scene:
die Wuth des Antipholus, die Angst und Sorge seiner Gattin, das
Pathos des Zauberers und die nüchterne Entschiedenheit derer, die ihr
Geld haben wollen, das alles wirkte sehr komisch. Aber nichts an-
dres kam zur Geltung. Zum Theil glaub ich cS auf die Schau-
spieler schieben zu müssen; sie spielten nicht schlecht, aber lax, so
recht wie Leute, die wissen: es hört kaum irgend wer noch deutlich
bin und wir müssen rasch durch, es sei wie cs sei. Auf dem Ber-
liner Theater (so viel ich weiß) haben die Darstellungen des Stücks
guten Erfolg gehabt. Leider war ich bei keiner derselben zugegen
und kann mithin nicht vergleichen. Unter allen Shakespeare-Auf-
führungen, denen ich bis jetzt hier beigewohnt, war dies die
schwächste.
Gedichte von Robert Waldmüller. Hamburg, Otto Meißner.
1857. Min.-Aus. Geh. 1 Thlr., cleg. geb. 1 Thlr. 6 Sgr.
und
Laöcia passare von Robert Waldmüller. Hamburg, Otto Meiß-
ner, 1857. Min.-Ausgabe. Geh. 1 Thlr., cleg. geh. 1 Thlr.
6 Sgr.
Die Verlagshandlung zeigt noch folgende Werke von demselben
Verfasser au: „Merlins Feiertage", „Dichters Nachtquartiere" und
„Unterm Schindeldach". Die beiden oben genannten „Gedichte"
und „Lascia passare" enthalten zusammen 518 eng gedruckte Seiten
Gedichte. Man wird sehn, ob dieser embarras de richesse ein
solcher mehr für den Leser oder für den Verfasser ist.
Jeder belesene und federfertige Mensch bringt heut zu Tage
leicht ein Gedicht zu Stande, welches durch äußere Glätte, ja sogar
vermöge seines inneren Gehalts ansprechend sein mag, ohne gerade
als etwas Außergewöhnliches gelten zu dürfen. Nur wird ein Sol-
cher, je tiefer seine Bildung ist, von seiner bescheidenen Gabe nur
bescheidnen Gebrauch machen und Vieles, was er schreiben könnte,
ungeschrieben lassen.
Wir wollen nicht sagen, daß alle uns vorliegenden Gedichte
des Verfassers zu dieser Kategorie leicht zu gewinnender Fedcrfcr-
ligkcit gehören; aber doch bei Weitem die meisten derselben. Unter
den fast zweihundert Nummern seiner „Gedichte", welche, mit Aus-
nahme dreier Balladen, durchweg der lyrischen Gattung augehören
und durch die Uebcrschriftcn „Wett und Gemüth", „Muth", „So-
nette," „Oden, Episteln und Verwandtes", „Einsame Wanderung",
„Ghaselcn", „Balladen", „Ohne Reime" und „Knittelverse" in neun
Abtheilungen geordnet sind, begegnen wir wenigen, die das Gepräge
eines höheren, poetischen Berufes an sieh trügen. Ihr allgemeiner
Charakter ist eine melancholische Resignation, begleitet von verstan-
desmäßigem, innerem Zuspruch. Wohl verrathen sic eine Seele,
die gelebt und gelitten hat, aber selten gelingt es ihnen, uns durch
frappante Züge zu fesseln. Tritt uns gelegentlich ein schwungvolle-
res Bild entgegen, so verweilt der Vers, mit allzu großem Behagen
bei solchem nun gefundenem Schatz und beutet ihn in abschwächcn-
dcr Weise aus. So gelingt ihin nach Form und Inhalt das fol-
gende Liedchen „Welten":
Wie sie in wilder Hast
Am Steg vorüber schäumen,
Wie sie sich trotzig bäumen,
Bei jedem Stein und Ast!
Sie haben keine Zeit,
Die Blumen zu genießen,
Die rings am Ufer sprießen
In bunter Ueppigkeit.
ES treibt sie fort und jagt
Sie drängendes Verlangen,
Zum Meere zu gelangen —
Das kaum nach ihnen fragt.
Aber gleich wird in dem folgenden, „Unaufhaltsam", dies Motiv in
breitester Weise benutzt, ohne etwas zu sagen, was wesentlich nicht
schon in dem vorigen enthalten wäre. Die Welle wird aufgefor-
dert, inne zu halten, da sie das Meer zwar sehen, aber sich ver-
lieren wird; worauf die Welle dem Dichter antwortet:
Und geh' ich auch verloren,
Gestillt wird doch nicht eh'r
Was mit mir ward geboren:
Tie Sehnsucht nach dem Meer.
Ein Drang, der nicht zu bannen,
Der stärker ist, als ich,
Treibt rastlos mich von dannen —
Und Aehnliches treibt Dich.
Nicht kannst den Strom Du hemmen
Der Zeit; er wird in's Meer
Auch Dich hinunter schwemmen —
Und ohne Wiederkehr.
Die Abtheiluug „Welt und Gemüth" schließt mit dem lebendig fri-
schem Gedicht „Auf dem Meere." Der rastlose Dampfer, ein güld-
nes Frauenbild unterm Bugsprit führend, durchfurcht in uuabläßigem
Kampf die Wellen:
Sie spritzen hinauf und fordern
Mit lautem Uebermnth,
Daß er das Bildniß werfe
Hinunter in die Flnth.
Er aber unermüdlich
Durch nichts gehemmt, beirrt,
Strebt zu dem fernen Ziele, —
Das er erreichen wird.
Die Abtheilung „Muth" zeigt uns das Sich-Aufraffen des GemüthS
mit einem Zuspruch, den wir oben schon als einen verstandsmäßigen
bezeichnet haben. In der That enthalten die meisten dieser Ge-
dichte, „Bewußtwerden", „Du lebst nur, wenn Du fröhlich lebst,k
u. s. w., nicht viel mehr, als Paraphrasen einfacher Gedanken, die
sich füglich alle in das intcrjectionsartige „Auf!" zusammen drän-
gen lassen; auch trägt ein Gedicht diese Ueberschrift und die Schluß-
strophe desselben lautet:
Es weiß Dir's keine Seele Dank,
Wenn Du verdroßen schauest,
Statt daß Du mit beherztem Sang
Die Welt und Dich erbauest.
Die Natur trägt das Ihrige zur Ermnthigung des Dichters
:t und der Frühling bietet ihm seine Stoffe. Wir lassen es uns
fallen, wenn er die verbrauchte Personification des „Junker Mai"
bermalö anzuwenden nicht verschmäht, denn wir kennen bereits das
>?aß seiner Erfindungsgabe; aber wir können ihm noch weniger
eatuliren, wenn er, von diesem Motiv angeregt, weiter geht und
ns eine zweite Personification in „Fräulein Juni" bringt, ein
Schst geschraubter, schon mit dem Namen ganz unverträglicher
Nebenbuhlern" eröffnete. Es ist allerdings nichts speciell Zeitge-
mäßes, was dies vortreffliche Lustspiel vor der „Komödie der Ir-
rungen" voraus hat. Hier liegt die Sache anders; cs ist ganz ein-
fach in all' und jeder Beziehung ein besseres Stück. So kam es,
daß die „Komödie der Irrungen" nicht cinschlagen konnte. An einem
bereits halb ermüdeten Publikum, zog sie ziemlich gleichgültig vor-
über. Zur Wirkung kam nur die Sccue im 4. Akt, wo der Zau-
berer Pinch erscheint, um den von einer Partei für betrügerisch, von
der andern für wahnsinnig gehaltenen Antipholus von Ephesus durch
Beschwörungen zu heilen. Das bunte Durcheinander dieser Scene:
die Wuth des Antipholus, die Angst und Sorge seiner Gattin, das
Pathos des Zauberers und die nüchterne Entschiedenheit derer, die ihr
Geld haben wollen, das alles wirkte sehr komisch. Aber nichts an-
dres kam zur Geltung. Zum Theil glaub ich cS auf die Schau-
spieler schieben zu müssen; sie spielten nicht schlecht, aber lax, so
recht wie Leute, die wissen: es hört kaum irgend wer noch deutlich
bin und wir müssen rasch durch, es sei wie cs sei. Auf dem Ber-
liner Theater (so viel ich weiß) haben die Darstellungen des Stücks
guten Erfolg gehabt. Leider war ich bei keiner derselben zugegen
und kann mithin nicht vergleichen. Unter allen Shakespeare-Auf-
führungen, denen ich bis jetzt hier beigewohnt, war dies die
schwächste.
Gedichte von Robert Waldmüller. Hamburg, Otto Meißner.
1857. Min.-Aus. Geh. 1 Thlr., cleg. geb. 1 Thlr. 6 Sgr.
und
Laöcia passare von Robert Waldmüller. Hamburg, Otto Meiß-
ner, 1857. Min.-Ausgabe. Geh. 1 Thlr., cleg. geh. 1 Thlr.
6 Sgr.
Die Verlagshandlung zeigt noch folgende Werke von demselben
Verfasser au: „Merlins Feiertage", „Dichters Nachtquartiere" und
„Unterm Schindeldach". Die beiden oben genannten „Gedichte"
und „Lascia passare" enthalten zusammen 518 eng gedruckte Seiten
Gedichte. Man wird sehn, ob dieser embarras de richesse ein
solcher mehr für den Leser oder für den Verfasser ist.
Jeder belesene und federfertige Mensch bringt heut zu Tage
leicht ein Gedicht zu Stande, welches durch äußere Glätte, ja sogar
vermöge seines inneren Gehalts ansprechend sein mag, ohne gerade
als etwas Außergewöhnliches gelten zu dürfen. Nur wird ein Sol-
cher, je tiefer seine Bildung ist, von seiner bescheidenen Gabe nur
bescheidnen Gebrauch machen und Vieles, was er schreiben könnte,
ungeschrieben lassen.
Wir wollen nicht sagen, daß alle uns vorliegenden Gedichte
des Verfassers zu dieser Kategorie leicht zu gewinnender Fedcrfcr-
ligkcit gehören; aber doch bei Weitem die meisten derselben. Unter
den fast zweihundert Nummern seiner „Gedichte", welche, mit Aus-
nahme dreier Balladen, durchweg der lyrischen Gattung augehören
und durch die Uebcrschriftcn „Wett und Gemüth", „Muth", „So-
nette," „Oden, Episteln und Verwandtes", „Einsame Wanderung",
„Ghaselcn", „Balladen", „Ohne Reime" und „Knittelverse" in neun
Abtheilungen geordnet sind, begegnen wir wenigen, die das Gepräge
eines höheren, poetischen Berufes an sieh trügen. Ihr allgemeiner
Charakter ist eine melancholische Resignation, begleitet von verstan-
desmäßigem, innerem Zuspruch. Wohl verrathen sic eine Seele,
die gelebt und gelitten hat, aber selten gelingt es ihnen, uns durch
frappante Züge zu fesseln. Tritt uns gelegentlich ein schwungvolle-
res Bild entgegen, so verweilt der Vers, mit allzu großem Behagen
bei solchem nun gefundenem Schatz und beutet ihn in abschwächcn-
dcr Weise aus. So gelingt ihin nach Form und Inhalt das fol-
gende Liedchen „Welten":
Wie sie in wilder Hast
Am Steg vorüber schäumen,
Wie sie sich trotzig bäumen,
Bei jedem Stein und Ast!
Sie haben keine Zeit,
Die Blumen zu genießen,
Die rings am Ufer sprießen
In bunter Ueppigkeit.
ES treibt sie fort und jagt
Sie drängendes Verlangen,
Zum Meere zu gelangen —
Das kaum nach ihnen fragt.
Aber gleich wird in dem folgenden, „Unaufhaltsam", dies Motiv in
breitester Weise benutzt, ohne etwas zu sagen, was wesentlich nicht
schon in dem vorigen enthalten wäre. Die Welle wird aufgefor-
dert, inne zu halten, da sie das Meer zwar sehen, aber sich ver-
lieren wird; worauf die Welle dem Dichter antwortet:
Und geh' ich auch verloren,
Gestillt wird doch nicht eh'r
Was mit mir ward geboren:
Tie Sehnsucht nach dem Meer.
Ein Drang, der nicht zu bannen,
Der stärker ist, als ich,
Treibt rastlos mich von dannen —
Und Aehnliches treibt Dich.
Nicht kannst den Strom Du hemmen
Der Zeit; er wird in's Meer
Auch Dich hinunter schwemmen —
Und ohne Wiederkehr.
Die Abtheiluug „Welt und Gemüth" schließt mit dem lebendig fri-
schem Gedicht „Auf dem Meere." Der rastlose Dampfer, ein güld-
nes Frauenbild unterm Bugsprit führend, durchfurcht in uuabläßigem
Kampf die Wellen:
Sie spritzen hinauf und fordern
Mit lautem Uebermnth,
Daß er das Bildniß werfe
Hinunter in die Flnth.
Er aber unermüdlich
Durch nichts gehemmt, beirrt,
Strebt zu dem fernen Ziele, —
Das er erreichen wird.
Die Abtheilung „Muth" zeigt uns das Sich-Aufraffen des GemüthS
mit einem Zuspruch, den wir oben schon als einen verstandsmäßigen
bezeichnet haben. In der That enthalten die meisten dieser Ge-
dichte, „Bewußtwerden", „Du lebst nur, wenn Du fröhlich lebst,k
u. s. w., nicht viel mehr, als Paraphrasen einfacher Gedanken, die
sich füglich alle in das intcrjectionsartige „Auf!" zusammen drän-
gen lassen; auch trägt ein Gedicht diese Ueberschrift und die Schluß-
strophe desselben lautet:
Es weiß Dir's keine Seele Dank,
Wenn Du verdroßen schauest,
Statt daß Du mit beherztem Sang
Die Welt und Dich erbauest.
Die Natur trägt das Ihrige zur Ermnthigung des Dichters
:t und der Frühling bietet ihm seine Stoffe. Wir lassen es uns
fallen, wenn er die verbrauchte Personification des „Junker Mai"
bermalö anzuwenden nicht verschmäht, denn wir kennen bereits das
>?aß seiner Erfindungsgabe; aber wir können ihm noch weniger
eatuliren, wenn er, von diesem Motiv angeregt, weiter geht und
ns eine zweite Personification in „Fräulein Juni" bringt, ein
Schst geschraubter, schon mit dem Namen ganz unverträglicher