Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Züge kriegerischen und räuberischen Naturlebens. „Ter Fluch" ist daß auch aus dem kunstvollen Gewände des Rhythmus und Reimes
der Erguß bittern Zornes eines betrogenen Mädchens gegen den das treue Kindesauge des Volksliedes uns unbefangen anschaue.
Verführer, wiederum aber in engster Verbindung mit der Liebe des Wir können deshalb des Uebersetzers eigenthümlicher Behauptung:
Rumänen zur Natur, nämlich als Fluch der Schwalben gegen; „er habe dem Reimgeklingel hin und wieder mehr opfern müssen,
diejenigen, welche deren Nester muthwillig zerstören, ebenfalls in den als vor der rumänischen Volkspoesie zu verantworten sei; auch sei
Ländern rumänischer Zunge bekannt. „Vidoa" enthält als charac- ihm nie der Hochmuth ausgestiegen, Sachen zu liefern, die als Ori-

teristisches Merkmal manchen Zug scheußlicher Grausamkeit, indem
darin die Rache eines bedrängten Kämpfers geschildert wird, die derselbe,
nachdem er endlich seinen Gegner niedergestreckt, an seiner (des

ginale gelten könnten", nicht beipflichten, indem es uns eben des
Dichters (ohne dessen Inspiration auch der wahre Uebersetzer
nicht denkbar ist) Aufgabe zu sein scheint, den Reim so ganz im

Siegers) Gattin nimmt, weil letztere sich weigerte, ihrem Manne Dienste des Gedankens, der Empfindung zu verwenden, daß wir
im Augenblicke der Bedrängniß beizustehen. „Der Geist" führt!unwillkürlich jeden Eindruck eines „Geklingels" verlieren, unb auf

uns einen Volks-Aberglauben, gemäß dessen über jedes Gefäß, aus
welchem man eben trinken will, ein Kreuz geschlagen, auch hinein-
geblasen werden muß, „um die Geister aus dem Getränke hiuaus-

diese Weise Schöpfungen so ursprünglichen Gepräges empfangen,
daß deren Geltung als Originale nicht mehr ein unberechtigter
„Hochmuth", sondern ein schönes Recht ist. Auch ist es kein Hoch-

zubannen", in frischer Schilderung vor. Die Ballade „Kira" er- mnth, sprachliche Unrichtigkeiten zu vermeiden, die hier allerdings

zählt die ungerechte, grausame Rache dreier Brüder an ihrer ge-
waltsam entführten Schwester; die einzelnen Eharaetere dieses Ge-
dichts treten mit unheimlicher Kraft heraus. „Burtschelö Hügel"
lehrt uns, daß rumänische Ansichten über die Nothwendigkeit stren-
ger Sonntagsfeier in überraschend moderner Ausgeprägtheit vorhan-
den waren, daß aber auch die Einwürfe des practischen Lebens
gegen dies Princip bei den Rumänen volle Beachtung fanden, ja
daß schließlich sogar der Sünder eine große Belohnung vom Fürsten
empfängt. Ebenso schlägt in der Ballade „Novak und die Tochter
des Kadi" die Eutsührung der Geliebten dem Liebhaber in jovialer
Wendung zum Vortheile aus, da sicherlich auf des Entführers
Vertheidigungsrede:

Jugend wird stets tolle Streiche treiben,

Und die Alten machenö wieder gut!

die Verzeihung des zornigen Vaters erfolgt, wenn sie auch nicht
erzählt ist. Sehr frisch und characteristisch sprechen die „Volkslie-
der" an; es sind eben Einzelklänge voll Muth und Gluth, stellen-
weise sehr drollig und zart. In der „Kirche von Podoleni" ist der
in Sagen oft vorkommende Grimm des Bösen gegen die Gottes-
häuser enthalten. Er stürzt sich mit dem Kirchenthnrm in die Wel-
len des Flusses und verlischt zwar darin wie ein zischender Blitz;
allein die Fluth kocht seitdem und man hört ein Stöhnen ans der
Tiefe; nur durch eine himmlisch reine Liebe zweier unschnldsvoller
Wesen kann das zertrümmerte Heiligthum wieder entsühnt und er-
löst werden:

Stellte solch' ein Paar sich ein?

Das weiß nur der Fluß allein!

Uebrigcus tritt dieses Gedicht und das folgende Schlußgedicht
der Sammlung, „die Perlen", welches ein Märchen ist, das auf
sehr zarte, innige Weise die Mutterliebe feiert, vortheilhaft vor den
andern hervor, und wir stehen nicht an, dies deln Umstande zuzn-
schreiben, daß der Uebersetzer es erst ans zweiter, aus der Hand
seines Freundes Alexaudri, hat. Zwar hatte er diesen, wie in den
Noten gesagt wird, wegen Zuschueiduug des Stoffs in Verdacht ge-
nommen; da er den letzteren aber später von einem Zigcuuermäd-

zn oft wiederkehren, um für Druckfehler gehalten zu werden, abge-
sehen von einer hartnäckig zur Anwendung kommenden falschen Be-
tonung, welche sich nicht im mindesten um Länge und Kürze der
Silben kümmert und namentlich in den Hexametern des Anhangs:
„Poetische Erzeugnisse neuerer Zeit", Unglaubliches leistet.

Dieser Anhang bietet das Beste in zwei Gedichten von Ko-
staki Konaki, welcher am Ende des vorigen Jahrhunderts blühte,
„wo die ersten rumänischen Dichter auftraten", unter denen er der
einzige war, der seine Sachen im Druck erscheinen ließ. Die übri-
gen Gedichte haben die Erweckung oder das Bewußtsein des Natio-
nalgefühls zum Inhalt. Trotz manches markigen Einzelzuges ist die
strotzende Natürlichkeit der älteren Lieder nicht darin, sondern desto
mehr Reflexion. Eine reichere Auswahl müßte zeigen, ob der Ucber-
setzer Recht hat, der uns mittheilt, daß in den Donau-Provinzen
unter den Rumänen eine aufkeimende Literatur, „und zwar in über-
raschender Form" im Entstehen ist.

Zur Goethe-Literatur.

(HoetheS Jyauft. Briefwechsel mit einer Dame, herausgegeben
von Albert Grün. Gotha, Verlag von H. Scheube. 1856.

Met leven van CSoethe, door J. W. Schaefer. Uit
lict hoogduitsch vertaald door C. M. van Hees. Met een
voorrede van C. W. Opzoomer. 2 deele. Utrecht, W. F.
Dannenfelser. 1856.

Wenn Nef. die umfangreichen Eommentare zu den Werken un-
serer Dichter in die Hand nimmt, Schriften, die oft doppelt und
dreifach so stark sind, wie die erläuterten Dichtungen selbst, so drängt
sich ihm unwillkürlich das quis leget haec? des römischen Satiri-
kers auf. Und nun vollends die Faust-Literatur! Wie viel ist schon
längst begraben, und immer circulirt ein neues Blut. Als Bischer

in den haitischen Jahrbüchern eine strenge Revue der bisherigen
chen genau eben so überliefert bekam, so schreibt er offenbares Ver- Fanst-Literatnr voruahm, ahnte er wohl schwerlich, welch ein üppi-

diensr des ersten Bearbeiters ruhig dem Volke zu, abgesehen davon,
daß dieses später recht wohl nach Jenem erzählt haben kann; man
hat ja solche Beispiele.

ger Nachwuchs noch bevorstehe, und noch weniger werden wir jetzt
behaupten wollen, daß wir zu einem Abschluß gelangt seien. Das
geniale Werk hat in der Nation einen festeren Boden, in ihrem

Blicken wir nun auf die Sammlung zurück, so nölhigt uns dieser! Denken eine immer weitere Peripherie gewonnen; es ist aus den
Blick auf des Uebersetzers Frage: liegt Poesie in dem rumänischen Volks-! esoterischen Kreisen mehr und mehr herausgetrctcn und entfaltet
sinne? ein entschiedenes Ja ab. Durch das Ganze strömt poetischer seine geiftbezwingende Gewalt selbst von der Bühne herab mit im-
Geist, ohne daß wir uns verhehlen können, wie derselbe durch den nuer mächtigeren Schwingen. Selbstverständlich reden wir von dem
Uebersetzer im Allgemeinen wohl noch unverringerter und naturwüch- ersten Thcil, welcher durch Gehalt und Form der allgemeinen Bil-
figer uuö zugänglich zu machen gewesen wäre. Es erscheint uns düng stets näher stehen wird, als der geheimnisvolle deutungsschwere
als Aufgabe einer wahrhaft guten Uebersetzuug, Form und Inhalt zweite Thcil, um den eine kleinere Gemeinde von Bewunderern sich
in metrischem Zusammenschmelzen so harmonisch wirksam zu machen, j schaart.
 
Annotationen