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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 4.1899

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Schumann, Paul: Wilhelm Steinhausen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6387#0128
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404

Paul Schumann: Wilhelm Steinhausen.

wilhelm stein hausen. »Saturn« und *Luna«. Masken vom Fratzeneck auf der Zeil zu Frankfurt a. M.

der künstlerischen Lithographie in Deutsch-
land veröffentlicht hat, und ein paar Blätter
aus den Breitkopf und Härtel'schen Samm-
lungen (Deutsche Kunstblätter und Flug-
blätter) ermöglichen eine weite Verbreitung
seiner Kunst. Ein Kritiker hat sie einmal
eine Kirchhofskunst genannt; wollte er damit
sagen, dass Steinhausen sich zumeist still,
ernst und feierlich gebe, so wollen wir diese
Bezeichnung gerne als ein Lob für den
Frankfurter Meister annehmen. Wollte er
aber damit einen Tadel aussprechen, so be-
weist er nur gänzliches Unverständniss. Ganz
anders urtheilt Richard Muther in seiner
»Geschichte der Malerei im 19. Jahrhundert«,
indem er über Steinhausen im Anschluss an
die Kunst der Piloty und Delaroche schrieb:
»Die Reaktion gegen diese Scheinkunst brach
sich mit Wilhelm Steinhausen, einem wenig
gewürdigten Meister von kraftvoller Tiefe des
Ausdrucks Bahn«. So kurz dieses Urtheil
ist, so gewichtig fällt es in die Wagschale.
Es gibt wenig so ausgesprochene und feste
Persönlichkeiten in der Kunst wie Wilhelm
Steinhausen: Trotz trüber Jahre hat er seine

Ideale allezeit unentwegt festgehalten; in
dürrer Zeit hat er, mit Hans Thoma vereint,
die Poesie herüber retten helfen in die
Gegenwart. Seine Kunst ist aus tief inner-
licher Sehnsucht geboren und wendet sich
gleich einer Liebesverkündigung und Liebes-
werbung an die Herzen der tief und innerlich
Empfindenden. Die innige Vertrautheit mit
der Natur aber, auf der sie beruht, ihre hohe
Aufrichtigkeit und innere Wahrhaftigkeit
verleihen ihr eine Lebenskraft, die Wilhelm
Steinhausen einen festen Platz in der
deutschen Kunstgeschichte sichert. Einem
Wunsche möchten wir am Schlüsse noch
Ausdruck geben: möchte sich ein Verleger
finden, der Wilhelm Steinhausen beauftragte,
die gesammte Bibel zu illustriren; er ist ein
Meister der Zeichenkunst und keiner noch —
Albrecht Dürer ausgenommen — hat die
Gestalten und Vorgänge der heiligen Schrift
so innerlich, so edel, so deutsch empfunden
wiederzugeben gewusst, wie Wilhelm Stein-
hausen. Ein solches Buch müsste wahrlich
ein grosser Erfolg werden.

Paul Schumann—Dresden.
 
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