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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 21.1907

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Gosebruch, Ernst: Hugo Lederers Krupp-Denkmal in Essen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6700#0318
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Hugo Lederers Krupp-Denkmal, in Essen.

PROFESSOR HUGO LEDERER—BERLIN.

Sockel-Figuren am Hamburger Bismarck-Denkmal.

zu den idealisierten Gruppen der Rundwand.
Du lieber Gott, was dabei nur — wenn es wirk-
lich wahr wäre — das Unerhörte sein soll! Auf
wie zahllosen Sockeln von Denkmälern sehen wir
nicht nackte Genien sifjen, ohne doch zu erwarten,
daß der oben dargestellte Dichter oder Musiker
im antiken Gewand mit bloßen Armen und Beinen
stände! Im übrigen habe ich den realistischen
Stil in diesem Standbild noch gar nicht finden
können. Dieselbe vereinfachende, mit großen
Linien und breiten Massen wirkende Hand, welche
die halbnackten Arbeiter aus dem Stein gehauen,
hat auch - und das ist das für unsere Kunst-
geschichte Wichtige - den in bürgerliche Tracht
gekleideten Herrn in Bronze gegossen. Dieser
Überrock, an dem nicht Naht, noch Knopfloch
zu finden ist, würde vor dem kritischen Auge
eines Schneidermeisters kaum Gnade finden.
Wie die geheimnisvoll mit der Wand noch ver-
wachsenen Figuren nicht Arbeiter der Fabrik,
sondern ganz allgemein Allegorien der Arbeit
und des Feierabends sein sollen, so ist auch die
Gestalt des Herrn, dem zum Beispiel die uns
vertraute Brille ganz fehlt, über das rein Bild-
mäßige hinaus zum Sinnbild geworden, und wir
wollen uns nun fragen — zum Sinnbild wessen?

Es wird vor der Nachwelt das Verdienst des
dritten Krupp bleiben, der ungeheuren Bedeutung
der zum Siege emporgestiegenen Industrie einen
sichtbaren Ausdruck verliehen zu haben. Der
Zeit der aufstrebenden Industrie, die mit hartem
Tritt die Ruhe eingeschlafener Provinzen störte,
die mit Erobererfäusten an die Tafeln veralteter,
dem Aufschwünge hinderlicher Geserje schlug,
und die gesellschaftliche Stellung nur gegen
schweren Widerstand errang, ist der Heimge-
gangene nicht mehr einzureihen. Mit der groß-
artigen Welt seiner Fabriken und dem Ruhm
seiner Fürsorgewerke war er eben zur Großmacht
geworden, die im Bewußtsein ihrer segen-
spendenden Kraft den Adel ausschlagen, sich den
Exzellenzentitel im Hause verbitten konnte, die
im schlichten bürgerlichen Rocke blieb, und doch
Kaiser und König an ihrem Tische sah.

Ich finde, daß der Bildhauer den Typus des
zur Macht gewordenen fürstlichen Kaufmanns
sehr glücklich getroffen hat. Jeder Prunk polierten
Granits oder Marmors ist in dieser Architektur,
jeder Aufwand stolzer Gebärden in dieser Gestalt,
die mit auf dem Rücken gekreuzten Händen in
der gelassenen Haltung des ruhig Abwartenden
dasteht, peinlich vermieden; der strenge, gehaltene

1908. V. 4.

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