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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 26.1910

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Kleine Kunst-Nachrichten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7378#0224
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Kleine Kunst-Nachrichten.

BERLIN. Cafe Kerkau. Bruno Paul hat
seine schöne Begabung für großstädtischen
Komfort der Einrichtung eines Cafehauses zugute
kommen lassen. Ein großes Haus, sozusagen ein
Palast wurde arrangiert; wir treffen eine Kollek-
tion von Räumen, deren jeder ein eigenes Gesicht
bekam. Paul bevorzugte diesmal kräftige Farben-
wirkungen; am kecksten ist ein helles, trompe-
tendes Rot, mit dem er die Sitjmöbel des einen
Saales bezog. Die reifste Wohnlichkeit haben
die Räume, die die Art der Paulschen Schiffs-
ausbauten zeigen; ein im Niveau höher gelegter,
also niedrigerer Rauchsalon, dunkelgrün zu ge-
flammter Birke, erinnert an den Washington. Der
große Musiksaal wird leider um einiges durch
die aufdringlichen Wandmalereien gestört, v.r.
£

DER WETTBEWERB „OROSS-BERLIN". Eine
späte Rettung; immerhin noch die Mög-
lichkeit einer Rettung! Das ist das Wahrzeichen
dieses Wettbewerbes, eines der größten der letjten
Zeit. Berlin ist endlich zur Besinnung gekommen;
es muß etwas geschehen, die gegenwärtigen
Übelstände des Stadtbildes zu beseitigen und den
weiteren Ausbau zu organisieren. Man beginnt
sich zu schämen, daß von den Theorien, von der
Wissenschaft und von der Kunst des Städtebaues
(im Aprilheft dieser Zeitschrift gab P. Westheim
ein Resümee dieser Probleme), gar so wenig für
die Reichshauptstadt profitiert wird. Nun möchten
die Kulturfreunde das Steuer herumwerfen; in-
dessen, welche Schwierigkeiten türmen sich auf!
Einen Wettbewerb schrieb man wohl aus, und
gute Lösungen, sogar ausgezeichnete, sind ein-
gegangen; aber selbst der unverbesserlichste
Optimist wird nicht hoffen, daß alles, daß auch
nur vieles von dem, was diese Vorschläge bringen,
verwirklicht werden dürfte. Immerhin, einige
Schritte vorwärts wird die Gesundung des ber-
linischen Stadtbildes, wird vor allem die Organi-
sation von Groß-Berlin jetjt, nach dieser Doku-
mentation des Möglichen und des Notwendigen,
wohl machen. Glück auf, armes, von der Speku-
lation eingeschnürtes, widernatürlich aufgeteiltes
und von unglückseligen Bebauungsplänen malträ-
tiertes Groß-Berlin.

Von den eingegangenen Entwürfen sollen zwei
näher charakterisiert werden. Der eine war im
wesentlichen durch die Ingenieure der Unter-
grundbahn bearbeitet worden; dazu hatten die
Herren Brix und Genzmer eine Architektur addiert.
Die Ingenieure sorgten für eine Besserung der
Verkehrswege, für die Neuanlage von Schnell-
bahnen, für Durchbrüche, um jetjt getrennte Stadt-
teile zusammenzubringen, für die Entlastung be-
stimmter Straßen, für die Umgehung der über-

häuften Verkehrszentren. Kurz, die Ingenieure
nutjten alle Möglichkeiten der modernen Technik,
des Straßenbaues und des Tiefbaues, um die Hy-
giene und den Verkehr der Weltstadt mustergültig
zu regeln. Was nun Brix und Genzmer hinzutaten,
war wirklich nichts anderes, als eine Beigabe
und darum schlecht. Sie glaubten, daß architek-
tonisch das Problem des Städtebaues mit so-
genannten Monumentalitäten zu lösen wäre. Mit
Kolonnadenreihen und Triumphbögen und pathe-
tischen Plätjen operierten sie nach Herzenslust.
So etwas kann unter Umständen seine Reize
haben; der Entwurf von Möhring und der von
Bruno Schmitj geben gleichfalls architektonische
Bilder, Neugestaltungen der Hauptplärje, Neu-
anlagen von metropolem Temperament. Freilich,
was diese beiden Künstler sich von der Phantasie
diktieren ließen, das hat einen schönen Schwung,
edlen Ausdruck und fruchtbare Leidenschaft.

Der zweite Entwurf, der genannt sein soll,
wurde von Hermann Jansen geschaffen. Er ist
die ideale Materialisation der reifsten theoretischen
Erwägungen und aller gesicherten Resultate der
Städtebau-Kunst und -Wissenschaft. Er hält sich
dennoch in den Grenzen der Möglichkeit. Ein
flüchtiger Blick auf den Plan zeigt ein großzügiges
System von Radial- und Gürtelbahnen, das, mit
vorhandenen und geplanten Anlagen rechnend,
sich durch notwendige Neuanlagen ergänzt. In
konzentrischen Kreisen, in immer weiteren Span-
nungen soll der Verkehr in und um Berlin fluten.
Breite und möglichst grade Ausfallstraßen wollen
die Massen der Menschen und der Fahrzeuge
vom Zentrum an die Peripherie bringen. Im
Innern der Stadt wurden mannigfach Verkehrs-
Absaugungen und -Umlegungen disponiert. Dabei
schonte Jansen stets künstlerisch wertvolle Stadt-
bilder und ersann neue Schönheiten, wo es irgend
anging. Aber diese künstlerischen Bildungen sind
der logische Ausdruck dessen, was die Größe
und die Gesundheit der Stadt beansprucht. Mit
besonderer Hingebung hat Jansen für den enge-
ren und weiteren Wald- und Wiesengürtel gesorgt.
Berlin muß sich Wälder und Grünflächen erhalten,
diese Frage ist eine der wichtigsten der gegen-
wärtiger! Bodenpolitik. Die Möglichkeit einer
Verwirklichung ist nur gegeben, wenn die Siede-
lungen von Wohnstätten und Fabrikstätten ge-
meinsam mit den Verkehrswegen in diesen freien
Gürtel zweckmäßig eingegliedert werden. Jansens
Vorschläge müssen gerade in diesem Sinne außer-
ordentlich gelobt sein; gerade diese Zuteilungen
beweisen, daß er das Problem von Groß-Berlin
an der Wurzel gepackt. Das eine ist gewiß:
Jansens Vorschlag für Groß - Berlin bekam mit
Recht den ersten Preis. kohert breuer.

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