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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 27.1910-1911

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Schmid, Max: Wettbewerb für das Bismarck-National-Denkmal
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https://doi.org/10.11588/diglit.7379#0453
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Grenze erreicht, manche sogar überschritten.
Ein Zeichen dafür, daß unseren heutigen Künst-
lern vielfach das Gefühl für das „est modus in
rebus" verloren gegangen ist.

Gewaltig ist heute die Enttäuschung weitaus
der meisten Wettbewerber, weil die Majorität
des Preisgerichtes diesen Standpunkt grund-
sätzlich verwarf. „Jeder Versuch, durch über-
mäßige Ausdehnung eine Wirkung zu erzielen,
konnte nicht den Beifall der Preisrichter fin-
den", so lautet das Schlußurteil der Jury.

Eine bittere Erfahrung für viele Bewerber.
Aber ist das nicht ein Charakteristikum jedes
Wettbewerbes, daß der Künstler dabei nicht
dem ausgesprochenen Willen eines bekannten
Bauherrn, sondern der ungewissen Meinung
einer unbestimmten Mehrheit gegenübersteht?
Daraus resultiert dann eine unendliche Freiheit
und Mannigfaltigkeit der Lösungen. In diesem
Sinne ist natürlich jeder Wettbewerb eine
Lotterie, aber eine Lotterie, in der auch der
Verlierende gewinnt, wenn er nicht mit vor-
gefaßten Meinungen und übertriebenen Hoff-
nungen, sondern mit der Absicht an die Auf-
gabe herantritt, vor allem seine eigne Kraft zu
stählen und aus den Erfolgen der Anderen
im Falle der Niederlage zu lernen, bis auch ihm
einmal der Sieg winkt. So aufgefaßt ist selbst
dieser große Wettbewerb, der unendliche Opfer

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forderte, ein Segen für die Künstlerschaft. Da-
mit soll nicht geleugnet werden, daß manchem
diese Opfer bitter schwer geworden sind. Wenn
heute von 379 Teilnehmern nur 20 eine mate-
rielle Entschädigung erhalten und weitere 21
durch eine lobende Erwähnung einen Trost da-
von getragen haben, so bleibt dem großen Rest
nur eines übrig. Das stolze Bewußtsein, daß
sie Zeugnis abgelegt haben für jene ideale Ge-
sinnung, die trotz der unleugbaren materiellen
Notlage in unserer Künstlerschaft steckt. Des-
wegen hat der Kunstausschuß des Bismarck-
denkmals es für notwendig gehalten, sämtliche
Entwürfe auf längere Zeit im Kunstpalast zu
Düsseldorf öffentlich zugänglich zu machen, ehe
sie vielleicht wieder in der Stille eines Magazin-
raumes oder eines Ateliers verschwinden.
* * »

Für das Preisgericht war es eine schwere
Verantwortung, in wenigen Tagen diese 379
Entwürfe, zum Teil riesige Modelle, zahllose
Zeichnungen, Schnitte und Grundrisse auf ihre
künstlerische Qualität, wie auf ihre praktische
Verwendbarkeit zu prüfen! Welche Verant-
wortung, insbesondere angesichts der Tatsache,
daß schon vor Beginn der Sitzungen in Schrift
und Druck den Preisrichtern Voreingenommen-
heit und allerhand unlautere Absichten vor-
geworfen waren. Merkwürdigerweise haben
 
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