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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 29.1911-1912

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Michel, Wilhelm: Albert Weisberger, München
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https://doi.org/10.11588/diglit.7012#0290
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Albert Weisgerber.

ALBERT WEISGERBER MÜNCHEN.

Gemälde: »Kreuzigung«

pressionismus haben ihre Spuren hinterlassen.
Es ist, wie wenn jemand beim Erlernen einer
fremden Sprache sich bestimmte Redewendun-
gen und Ausdrucksarten durch Nachsprechen
einzuprägen sucht, in der geheimen Absicht,
sie später eben doch persönlich umzuprägen
und nach eigenem Stilgefühl zu verwenden. Ich
gestehe, daß dieses eifrige Studium der male-
rischen Phraseologie nur dazu gedient hat, mich
noch mehr für Weisgerber einzunehmen. Es
liegt in diesem Verfahren viel Achtung für die
fremde Sprache und der ernste Wille, sie sich
von Grund aus anzueignen. Die Originalitäts-
Anbetung der Gegenwart geht sicherlich fehl,
wenn sie schon dem Anfänger mit der Forde-
rung absoluter Selbständigkeit des malerischen
Ausdruckes kommt. Es gibt für den werdenden
Künstler nur eine unerläßliche Forderung zu er-

füllen, jene, die in den Synonymen Kraft,
Ernst und Wille beschlossen liegt.

Diese Eigenschaften hat Weisgerber immer
besessen. Und außerdem eine geschmeidige,
empfindende Hand, außerordentlich viel kolo-
ristischen Geschmack, viel Gabe für Kompo-
sition und ein heftiges, rücksichtsloses Aus-
drucksstreben. So geschieht das Wunder, daß
er die freigewählten Meister alle schnell wieder
überwindet und langsam, mit zäher Beharrlich-
keit, Linie für Linie, Zug für Zug das reine Bild
seines eigenen Wesens, seiner eigenen Künstler-
schaft herausarbeitet. Woran erkennt man heute
ein Weisgerbersches Bild, da seine Hand-
schrift so häufig wechselt? Meiner Meinung
nach an der außerordentlichen Energie des
Ausdruckes und an gewissen malerischen Fein-
heiten, die eminent sind und die ihm von den

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