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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 37.1915-1916

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Waldschmidt, Wolfram Ulrich: Grabmalkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8533#0348
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Grabmalkunst.

gedankenlosen Ausrufen, ja in schlechten, wenn
auch gut gemeinten Versen wird noch immer
Erstaunliches an Geschmacklosigkeit geleistet.
Echt, schlicht und einfach wie die Inschrift sei
dasMaterial: Kalkstein, Muschelkalk, Sandstein,
auch gewisse deutsche helle Granite sind dem
schwedischen Granit unbedingt vorzuziehen.

Was nun den plastischen Schmuck anlangt,
so ist zu betonen, daß sich das Relief im all-
gemeinen der gärtnerischen Umrahmung besser
einfügt als die Rundfigur, wie denn auch die
edelen Erzeugnisse des griechischen Meißels,
die Stelen vor dem Dipylontor zu Athen, auf
diesen Schmuck nicht verzichten. Die Freifigur
kann uns in organischer Verbindung mit der
Architektur befriedigen, bei isolierter Aufstel-
lung wirkt sie leicht puppenhaft, in Carrara-
marmor wie Zuckerguß. Bei der Bestellung von
Portraits sollte man besonders vorsichtig sein,
um nicht in den Stil des schon erwähnten Mai-
länder Panoptikums zu geraten.

Um auf weite Kreise aufklärend und ge-
schmackbildend zu wirken, hat die Wiesbadener
Gesellschaft ein „Büro zur Vermittelung künst-

lerischer Grabdenkmäler" gegründet, das Ent-
würfe unserer ersten Künstler zu verhältnis-
mäßig bescheidenen Preisen zur Ausführung
bringt. Durch energische Verbreitung des treff-
lichen „Flugblattes" könnte gewiß auch auf die
kleinen Bürger, Beamten, Kaufleute usw., die
in ihrer Ahnungslosigkeit erfolgreich an der
Verschandelung unserer Friedhöfe mitwirken,
segensreich gewirkt werden, sodaß die Bestre-
bungen der Gesellschaft eine unabsehbare so-
ziale Bedeutung gewinnen würden. Wie oft
kommt es vor, daß Familien, die keineswegs
mit Glücksgütern gesegnet sind, sich das Brot
vom Munde absparen, um ein ebenso kost-
spieliges wie schmackvolles Denkmal der Un-
kultur zu errichten. Dabei hätten die Leute für
das Geld, das sie leichtsinnig für ein fertig ge-
kauftes Fabrikat eines beliebigen Handwerkers
verschleuderten, die preisgekrönte Arbeit
eines Künstlers von Ruf erwerben können!
Hoffen wir, daß all die Ungeheuerlichkeiten,
die weniger der Pietät, als der Eitelkeit ihre
Entstehung verdanken, nach und nach gänzlich
ausgerottet werden........ w. waldschmidt.

ENTWURF: ARCHITEKT L. MINNER WIESBADEN. .GRABMAL IN MUSCHELKALKSTEIN«

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