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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 38.1916

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Lüthgen, Eugen: Kunst im Kunstgewerbe
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https://doi.org/10.11588/diglit.8538#0375
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Kunst im Kunstgewerbe.

künstlerischem
Zweck? Ein Bild,
das die Aufgabe
hat, eine Wand
zu schmücken und
zu gliedern, sein
künstlerisches Le-
ben mit dem Raum-
leben zu einer ge-
steigerten Einheits-
wirkung zu ver-
schmelzen, oder
eine Vase, die an
einer bestimmten
Stelle des Raumes
aufgestellt eine
durchaus ver-
wandte Aufgabe
hat, oder ein vene-
tianisches Glas, ein
Wandbehang, ein

mittelalterlicher
Schrein, ein goti-
sches Kirchenge-
stühl. Wo hätte
in allen diesen
Dingen der zufäl-
lige Zweck die
Form bestimmt?
Man versuche nur
einmal an allem,
was man sieht, An-
teil zu nehmen, und
vor der Wirkungs-
form verschwindet
jeder Gedanke an
den Zweck. Neben
dem Zweck, ja trotz
des Zweckes, so
könnte man, um
diesen Gedanken-
gang auf die Spitze
zu treiben, sagen,
hat der Künstler
seine Gestaltung
zuerst für das Auge
ersonnen. — Daß
er der Forderung
des immanenten
Gebrauchszweckes
jedesmal genüge,
bedarf für den
Künstler keiner Er-
wägung. Die Tiefe
des Kunstwerkes,
die eine Bereiche-
rung und Steige-

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entwürfe von willi münch-karlsr. »ziervasen in majolika«

rung des durch die
Wirkung der For-
men erschütterten
Lebensgefühles er-
gibt , kann allein
den sichtbaren Ge-
genstand in die
Höhe der Kunst
erheben. Durch
ihn unterscheidet
sich das Kunst-
werk von den Din-
gen eines guten Ge-
schmacks. Ein be-
liebiges Rechteck,
wie etwa die Ober-
fläche eines Buch-
Einbandes, oder
ein zylinderförmi-
ges Glas, sie mö-
gen aus noch so
kostbaren Stoffen
bestehen, sie ha-
ben mit der Kunst
nichts zu tun. Erst
die durch die schöp-
ferische Eigenart
der Formen und
Farben geschaffene
Gefühlswelt, in der
ein freies Sichaus-
leben innerlichster
Wesenszüge durch
die Schönheit der
Form ermöglicht
wird, schafft das
Kunstwerk. Diese
Tiefe hat tausend-
fach verschiedene
Grade. Wo sie
völlig zu fehlen
beginnt, mag das
Reich des guten
Geschmackes herr-
schen. Das heutige
Kunstgewerbe bie-
tet dafür zahlreiche
Beispiele, lüthgen.
£

In unpersönlicherAn-
wendung bezeich-
net Stil jene Geseke
oder die Art der
Formengebung einer
Kunst, wie sie sich aus
den technisch-geisti-
gen Bedingungen er-
gibt. . . Winkelmann.

XIX. August 1916. 8
 
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