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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Nemitz, Fritz: Berlin als Kunststadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0238
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II
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ERICH BUTTNER—BERLIN

GEMÄLDE»BLUMEN«

BERLIN ALS KUNSTSTADT

VON DR. FRITZ NEMITZ

Dem „Niedergang Münchens als Kunststadt",
über den Wilh. Hausenstein im August-
heft 1929 berichtet hat und den wohl jederKunst-
freund beklagt, entspricht der Aufstieg Ber-
lins. Hausenstein sieht den Grund des Rück-
ganges in dem Versagen der leitenden Personen,
in Fehlern der Kulturpolitik; er wehrt sich gegen
die Zwangsläufigkeit dieser Vorgänge, möchte
nicht wahrhaben, daß diese ehemals so heitere
und weltoffene Stadt in künstlerischen Dingen
sich ausgeschaltet hat. Er sträubt sich gegen
das Schicksalhafte dieses Ablaufs aus Liebe zu
München. Aber der Rückgang Münchens ist
durch die veränderte politische, soziale, gesell-
schaftliche Lage bedingt und darum zwangs-
läufig, notwendig, „Schicksal". Der Auszug der
Künstler ist die Folge dieser veränderten Struk-
tur, ist die Antwort der „Gruppe" der Künst-
ler — das Wort Gruppe soziologisch gemeint —
auf die neue Situation.

Die Vormachtstellung Berlins als Kunststadt
ist heute wohl — das wird niemand leugnen
können — entschieden. Es ist Zentrale des
deutschen Kunsthandels, wichtiger Umschlags-

platz des internationalen Kunstmarktes, wie
auch Zentrale des Auktionswesens. Auf dem
Gebiete des Ausstellungswesens teilt es den
Rang mit anderen Städten, wenngleich retro-
spektive Ausstellungen wie die von Manet, Dau-
mier u. a. der Hauptstadt vorbehalten bleiben.

Berlin hat etwa 100 Kunsthandlungen, darun-
ter eine Reihe bedeutender und größter Firmen,
es gibt seit einigen Jahren das „Quartier Tier-
garten", in dem die meisten Kunsthandlungen
jetzt konzentriert sind; die Ausstellungen ziehen
wie auf dem laufenden Band vorüber — ist Berlin
damit aber Mittelpunkt des deutschen Kunst-
lebens? Bedeutet es das, was München einmal
war, was Paris heute noch für Frankreich ist?

Und die Generationen der in Berlin lebenden
Künstler selbst — es sind etwa 3000 — welche
Rolle spielen sie in dem Organismus der Stadt?
In welchem Maße sind sie legitim? In welchem
Maße beeinflußt ihre Arbeit das Wesen der Stadt?

Das sind Fragen, die der Klärung bedürfen.
— Berlin ist zwar Hauptstadt des Reiches, aber
nicht Mittelpunkt, nicht ausstrahlende Mitte.
Und so ist Berlin wohl Zentrale, Sammelstelle,
 
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