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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Nemitz, Fritz: Berlin als Kunststadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0239

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Berlin als Kunststadt

M. H. PECHSTEIN—BERLIN

GEMÄLDE »MORGENSONNE«

Durchgangsstelle des Kunsthandels, aber nicht
Mittelpunkt, richtunggebendes, lebendiges Zen-
trum des deutschen Kunstlebens. Das hängt
mit dem kolonialen Charakter der Stadt zusam-
men, die nicht wie andere Städte organisch aus
einem Kern gewachsen, sondern von Fall zu
Fall künstlich erweitert ist. Dieses Künstliche,
Unorganische zeigt sich überall, im Stadtbild
wie in der Speisekarte, im Gesellschafts- wie
im Geschäftsleben. Auch im Kunstleben läßt
sich der koloniale Zug nicht verwischen.

Der größte Teil der Kunsthandlungen ver-
treibt alte Kunst, importiert aus allen Ländern.
Um deutsche Kunst, insbesondere um die Pro-
duktion der Lebenden kümmern sich nur ganz
wenige. „Der Berliner Händler tut viel für die
Würde der Kunst und seines Lokals. Die Auf-
machung gemahnt an die Mumifizenz großer
Banken. DerRaum, wo demKunden dasNeueste
gezeigt wird, ist ein Heiligtum mit Matratzen-

türen. Bei der auf die Packung verwendeten
Sorgfalt liegt die Gefahr nahe, den Inhalt zu
beeinträchtigen", schriebMeier-Graefe unlängst.

Alles ist da, glänzend aufgemacht, ausge-
zeichnet organisiert: es fehlt aber die Atmo-
sphäre, das Selbstverständliche, Intime. Es ist
ähnlich wie in dem Hause des reichen Mannes.
Er hat die kostbarsten Möbel, die teuersten
Bilder, aber alles steht und hängt im leeren
Raum. Nichts ist zwischen den Dingen, keine
Atmosphäre verbindet das einzelne. Doch!
eines verbindet sie: das Geld, der Preis.

Und der Künstler selbst? In welcher Bezieh-
ung und Wechselwirkung steht er zu der Stadt
und zur Bevölkerung?

Da die koloniale Natur Berlins mit der aus
allen Stämmen und mehreren Rassen bunt ge-
mischten Bevölkerung eine eigentliche Stadt-
gesinnung und somit eine Stadtkultur im pri-
mären Sinne nicht zu schaffen vermochte, war
 
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