DOI Artikel:
Urzidil, Johannes: Der Maler Ján Zerzavý
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0054
JAN ZERZAVY—PRAG GEMÄLDE »VENEDIG
DER MALER JAN ZERZAVY
VON JOHANNES URZIDIL
Jan Zerzavy ist eine der eigenwilligsten Ge-
stalten der tschechischen Moderne. In seinem
ungewöhnlichen Schaffen vereinigen sich ver-
schiedene Komponenten: eine gewisse graziöse
Unbeholfenheit, wie sie der Volkskunst seiner
Heimat eigen ist, eine sakrale Feierlichkeit.
Zerzavy hat als Künstler eine zwanzigjährige
Entwicklung hinter sich, ist vom ersten Tag an
seinen malerischen Erkenntnissen treu geblie-
ben, kämpfte konsequent in den vordersten
Reihen der Moderne. Er ist ein Zeichner von
sicherstem Duktus, kristallklar und unerbittlich ;
er nimmt die Farbe so außerordentlich ernst
und ist seiner eigenen Arbeit gegenüber von so
unbarmherziger Strenge, daß seine Produktion
sich auf wenige Werke im Jahr beschränkt.
Wir bringen hier wichtige Proben seines neue-
sten Schaffens, eines der geheimnisvollen Bil-
der aus Venedig, phantastisch und heroisch in
seiner Einsamkeit, Gestaltung eines unbewegten
Schweigens, das den Hingang jener Geschlechter
zu beklagen scheint, die allein berufen waren,
diese Piazetten und Molen zu bevölkern. Stille
zu formen, darin liegt Zerzavy s größte Meister-
schaft. Auch in seinen figuralen Darstellungen
herrscht eine ungebrochene, geradezu dämo-
nische Stille, ein überlegenes Maßhalten in den
Details, das entfernt an ostasiatische Motiva-
tionen gemahnt.
In einem der Sprüche des Lao Tse heißt es,
Reinheit und Stille seien der Welt Richtmaß.
Dieses Gesetz wirkt im Maler Zerzavy und sein
Schaffen bringt es sinnfällig zum Ausdruck:
Musikalität der stillen Größe, Reinheit der edlen
Einfalt. Ohne daß er im geringsten originalitäts-
lüstern wäre, ergibt sich bei ihm immer etwas
Besonderes. Er hat nicht bloß besondere Er-
lebnisse, besondere Gedanken, besondere Mo-
tive und besondere Themen. Er verfügt auch
über besonders funktionierende Räume, über
Linien mit besonderem Willen und über eine
Farbenskala, die durch eigentümliche Erregung
dividiert ist. Daß alles in der Welt und die
Welt selbst durch und durch geistig sei, ist ihm
grundlegende Erkenntnis. Deshalb ist alles im
höchsten Grade ernst und wichtig zu nehmen. . .
DER MALER JAN ZERZAVY
VON JOHANNES URZIDIL
Jan Zerzavy ist eine der eigenwilligsten Ge-
stalten der tschechischen Moderne. In seinem
ungewöhnlichen Schaffen vereinigen sich ver-
schiedene Komponenten: eine gewisse graziöse
Unbeholfenheit, wie sie der Volkskunst seiner
Heimat eigen ist, eine sakrale Feierlichkeit.
Zerzavy hat als Künstler eine zwanzigjährige
Entwicklung hinter sich, ist vom ersten Tag an
seinen malerischen Erkenntnissen treu geblie-
ben, kämpfte konsequent in den vordersten
Reihen der Moderne. Er ist ein Zeichner von
sicherstem Duktus, kristallklar und unerbittlich ;
er nimmt die Farbe so außerordentlich ernst
und ist seiner eigenen Arbeit gegenüber von so
unbarmherziger Strenge, daß seine Produktion
sich auf wenige Werke im Jahr beschränkt.
Wir bringen hier wichtige Proben seines neue-
sten Schaffens, eines der geheimnisvollen Bil-
der aus Venedig, phantastisch und heroisch in
seiner Einsamkeit, Gestaltung eines unbewegten
Schweigens, das den Hingang jener Geschlechter
zu beklagen scheint, die allein berufen waren,
diese Piazetten und Molen zu bevölkern. Stille
zu formen, darin liegt Zerzavy s größte Meister-
schaft. Auch in seinen figuralen Darstellungen
herrscht eine ungebrochene, geradezu dämo-
nische Stille, ein überlegenes Maßhalten in den
Details, das entfernt an ostasiatische Motiva-
tionen gemahnt.
In einem der Sprüche des Lao Tse heißt es,
Reinheit und Stille seien der Welt Richtmaß.
Dieses Gesetz wirkt im Maler Zerzavy und sein
Schaffen bringt es sinnfällig zum Ausdruck:
Musikalität der stillen Größe, Reinheit der edlen
Einfalt. Ohne daß er im geringsten originalitäts-
lüstern wäre, ergibt sich bei ihm immer etwas
Besonderes. Er hat nicht bloß besondere Er-
lebnisse, besondere Gedanken, besondere Mo-
tive und besondere Themen. Er verfügt auch
über besonders funktionierende Räume, über
Linien mit besonderem Willen und über eine
Farbenskala, die durch eigentümliche Erregung
dividiert ist. Daß alles in der Welt und die
Welt selbst durch und durch geistig sei, ist ihm
grundlegende Erkenntnis. Deshalb ist alles im
höchsten Grade ernst und wichtig zu nehmen. . .