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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Schürer, Oskar: Kampf ums "Flache Dach" im 18. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0352

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VEREINIGTE WERKSTATTEN A.G.

» GOBELIN-SESSEL DER > BREMEN c

KAMPF UMS „FLACHE DACH" IM 18. JAHRHUNDERT

Wir wollen es dahin gestellt sein lassen, ob
die reichlich bekannte Polemik ums
„Flache Dach" unsere moderne Architektur
wirklich gefördert hat. Ob sie nicht im Gegen-
teil die Problemstellungen, soweit sie ästhe-
tischer Art sind, auf einen Punkt getrieben hat,
wo sie in obstinatem „Für" oder „Wider" er-
starren mußten, ohne wesentliches zu den eigent-
lichen und das sind die Proportionsfragen inner-
halb einer modernen Architektur beizutragen.
Die fruchtbare Diskussion ums „Flache Dach"
ist technischer Natur. Und von der erfährt das
Publikum wenig. Ihre Lösung bringt die Wirk-
lichkeit: die Frankfurter Siedlungsbauten sind
zweifellos die besten Antworten auf alles Hin
und Her der Meinungen. Immerhin ist es nicht
nur für den Historiker interessant, von einer
Ahnenschaft dieser ganzen Bewegung zu hören,
die um 200 Jahre zurückliegt. Dem Direktor
der Nürnberger Stadtbibliothek Dr. Friedrich
Bock ist ein Fund — in den Beständen seiner
Bibliothek — geglückt, der hinter altväterlichen
Floskeln auf vergilbtem Druckpapier von einer
unglaublichen Aktualität ist. Es handelt sich
um ein kleines Schriftchen über „Altanen"
aus dem Jahre 1724, das den aus Nürnberg

stammenden Volkswirtschaftler Paul Jakob
Marperger zum streitbaren Verfasser hat. Er
wirkte in Berlin, wurde dann als kgl. polnischer
und kursächsischer Kammer- und Kommerzien-
rat nach Dresden berufen.

Diese alte Druckschrift ist ihrer ganzen Art
nach eine ausgesprochene Streitschrift, die ver-
blüffenderweise mit genau den gleichen Argu-
menten für das „Flache Dach" arbeitet wie die
heutige Polemik. Sie bemüht sich auch, genau die
gleichen Gegenargumente abzuweisen, die den
heutigen Verfechtern der neuen Bedachungs-
weise entgegengehalten werden. Da wird zu-
nächst einmal viel Beweismaterial aus der Bibel
für die Verwendung des flachen Daches zu bib-
lischen Zeiten angeführt. Dann aber kommen
lauter höchst aktuelle Ansichten. Gegen das
Steildach wird die dadurch verursachte Unsym-
metrie innerhalb des Stadtbildes angeführt. Als
praktisches Gegenargument gegen das Steildach
wird die Feuersgefahr, die das holzverschwen-
dende, schwere Steildach unangemessen ver-
mehre, ins Treffen geführt. Als praktische Mög-
lichkeiten des Flachdaches werden sodann
vermerkt seine Verwendbarkeit als isoliertes
Seuchenlazarett (!), als Aufstellungsort einer
 
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