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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Hardenberg, C. von: Zeitgeist und Zeitlaune
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0339

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PROFESSOR DR. JOSEF HOFFMANN

»HANDTASCHEN« WIENER WERKSTÄTTE

ZEITGEIST UND ZEITLAUNE

Die Mode interpretiert uns, deshalb ist es
so schwer, die Mode zu interpretieren.
Die Mode wird weit mehr von der Laune der
Zeit als vom Zeitgeist geschaffen.

Zeitgeist und Zeitlaune sind die gegebenen
Eltern des Zeitstils, daran ist nichts zu ändern.
Alle Versuche, auf künstlichem Wege Stil zu
schaffen, werden immer scheitern.

Die Zeitlaune ist ein seltsames Wesen, voller
Spieltrieb und Lust zu düpieren. Es ist viel
Kindliches und selbst Kindisches um sie, viel
Gefallsucht und Lust am Augenblickserfolg, da-
her sie dem ernsten Herrn Zeitgeist oft tolle
Streiche spielt! Wie köstlich bewahrheitet sich
das in so mancher Kulturperiode!

Zeitgeist und Zeitlaune singen gewisser-
maßen ein ewiges Duett, bei denen bald das
eine, bald das andere zu dominieren sucht. Da
kann sich die Zeillaune oft nicht genug tun in
schillernden Fiorituren, während sich der Zeit-
geist in einem würdigen Graduale gefällt, dann
wieder gefallen sich beide auf langen Strecken
in rührenden Konsonanzen.

In unserer neuen Zeit ist der Zeitgeist mit
seiner Sachlichkeit in der Melodie des Lebens-

stiles vorherrschend, wie lange sich Frau Zeit-
laune das gefallen läßt, bleibt abzuwarten.

Wenn eine Zeit käme, wo der Zeitlaune und
mit ihr dem Spieltrieb keine Mitwirkung in
unserer Wohnkultur gestattet wäre, dann wird
es traurig um das menschliche Heim aussehen!
Eine solche Zeit wird aber kaum kommen
können, man wird sich ihr vielleicht aus Not
oder irgend einem Meinungsterror zeitweilig
nähern, aber der Spieltrieb, der Trieb zweck-
lose Dinge aus Lust um ihrer selbst willen zu
tun, wird immer wieder seine unerschöpfliche
Fruchtbarkeit entfalten, und wirksam werden,
aller Sachlichkeit zum Trotz, graf Hardenberg.
*

Kunst ist Auslese und Darstellung der wert-
vollsten menschlichen Eigenschaften eines
Volkes, die bewahrte Seelensubstanz einer Zeit.
Wie der eigentliche Inhalt, der tiefste Grund
des Lebens etwas Überstoffliches, Immaterielles
ist, so stellt auch die Kunst den immer neuen
Versuch dar, das Immaterielle, Seelische, Gött-
liche zu fassen und zu formen, am Bedingten,
Stofflichen das Absolute, Immaterielle zur Er-
scheinung zu bringen.........fritz Nemitz.
 
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