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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Rochowanski, Leopold W.: Ladeneinrichtungen von Josef Hoffmann
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O. L.: Die gute maschinelle Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0348

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Ladeneinrichtungen von Josef Hoffmann

muß nicht mehr über einen breiten Tisch hin-
übersprechen und laut werden, man kann flü-
stern und ganz allein an einem besonderen Tisch
besichtigen, überlegen und auswählen.

Der Wohnraum und der Geschäftsraum sind
in unserer Zeit große Gegensätze geworden.
Das war nicht immer so. Vor nicht gar langem
sah manche Wohnung einem Geschäftsladen
ähnlich. Jeglicher Besitz wurde überall in den
Räumen auf Tischen, Konsolen, Etageren und
anderen Inszenierungsgeräten aufgestellt, aus-
geschrien, preisgegeben. Heute ist eine andere

Haltung in die Wohnung eingezogen, man ver-
schließt seine Lieblingsschätze —■ selbst wenn
sie wirklich wertvoll und kostbar sind — in
Schränkchen, sogar in solche ohne Glas, die
geöffnet werden müssen, um ihren Inhalt zeigen
zu können.

Nur die Geschäftsräume haben ihre Auslagen
behalten und zeigen in gesteigerter Sprache
ihren Besitz. Aber doch meist nicht den ganzen.
Die Vielrednerei ist auch hier verpönt; spar-
same, wohl abgewogene Lockrufe wirken zu-
verlässiger auf den Käufer. l. w. rochowanski.

DIE GUTE MASCHINELLE FORM

Die Maschine ist zunächst nichts als eine
Helferin des Menschen. Sie erleichtert
ihm die Arbeit, sie steigert die Quantität der
Leistung. Man hat lange hin- und hergeredet
über ihre angeblichen schlechten Eigenschaften,
über ihre sozusagen „moralische" Minderwer-
tigkeit. All das ist falsch: hat die Maschinen-
arbeit manchmal — besonders am Beginn des
modernen technischen Zeitalters — Untugen-
den gezeigt, so waren dies lediglich Untugen-
den der Menschen. Bequeme Ausflucht, sie
der Technik zur Last zu legen! Die Maschine
ist ethisch wertfrei. Sie hilft dem Menschen zur
Erreichung minderwertiger oder sogar ver-
werflicher Zwecke. Sie kann ihm aber ebenso
gut auch helfen bei ehrenwerten und ästhetisch
einwandfreien Zielsetzungen.

Am Beginn der modernen, technisch-indu-
striellen Entwicklung wurde die Maschine viel-
fach zur Nachahmung der Handarbeit miß-
braucht. Denn die Begriffe von „guter Form"
waren, wie nicht anders möglich, zunächst noch
völlig an der Handarbeit orientiert. Die Ma-
schine war gleichsam noch nicht ästhetisch
„einkalkuliert", in ähnlicher Weise, wie die
besondere Statik des Eisenbetonbaues im An-
fang noch keinen festen Platz im ästhetischen
Bewußtsein der Massen hatte, im Gegensatz
zur Statik des alten Stein- und Mörtelbaues.

Heute liegen die Dinge ganz anders. Man
hat mit der Maschine arbeiten gelernt. Man hat
ihre Arbeitsgesetze begriffen. Man hat gelernt,
ihr richtige, d. h. ihrem Wesen angemessene
Aufgaben der Formung zu stellen. Man ist mit
jenem modernen Menschendenken an sie heran-
getreten, das einen so klaren Sinn für das
Eigengesetzliche der Dinge und Erschei-
nungen bekundet; für das Eigengesetzliche, d. h.
für das Wirkliche und Wahre, für das Echte
und Freiwillige, für das Gewachsene und Legi-
time. Sieht man genau zu, so bemerkt man,

daß diese neue Achtsamkeit auf das Ansich-
Wirkliche, auf das Konkret-Einmalige ein durch-
gehender Zug in allem modernen Tun und For-
schen ist. Nicht die Wirklichkeit soll sich un-
sern vorgefaßten Begriffen fügen; sondern wir
zeigen uns auf allen Gebieten bereit, unsre Be-
griffe nach der Wirklichkeit umzumodeln. Die
Maschine hat als Hand-Ersatz begonnen, gerade
wie das Automobil als Kutsche mit ausgespann-
ten Pferden begonnen hat. Heute weiß man
um die autonome Leistungsfähigkeit der
Maschine Bescheid, gerade wie man um die
autonome Form des von Explosivkräften ge-
triebenen Wagens Bescheid weiß. Die Maschine
sucht in der gewerblichen Produktion nicht mehr
die Handarbeit nachzuahmen, sondern sie sucht
freie, eigene Werte, die Werte einer guten Form,
die mit keinem Partikelchen ihres Wesens be-
hauptet, ein einmaliges, „beseeltes", in traulich-
gemütvoller Auseinandersetzung zwischen Hand
und Material entstandenes Einzelstück zu sein,
sondern ein Endergebnis hochgezüchteter Mas-
senfabrikation. Nicht die geglückte Einmalig-
keit, sondern das objektiv Gute, Brauchbare
und Zuverlässige wird gesucht. Der Mensch ist
klarer, urteilssicherer geworden; deshalb gibt
die von ihm gelenkte Maschine auch klarere
und ethisch einwandfreiere Arbeit. Gewiß wird
die schöne, beseelte Handarbeit daneben immer
ihren Wert behalten. Aber man muß wissen,
daß sie etwas Besonderes ist, an das auch
besondere Ansprüche gestellt werden.

Wir möchten dies alles auch mit Bezug auf
die Silberarbeiten nach Entwürfen von Christa
Ehrlich (Wassenaar, Holland) gesagt haben. Sie
sind alle maschinell hergestellt und für Serien-
fabrikationbestimmt: klare, übersichtliche, tech-
nisch-schöne Formen, gut erfühlt und objektiv
dem Auge wie der Hand Genüge leistend.

Herstellerin der Objekte ist die holländische
Silberwarenfabrik „ Voorschoten"......o. l.
 
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