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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 65.1929-1930

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Drei Plastiken von Ludwig Gies
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https://doi.org/10.11588/diglit.9252#0053

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berlin

DREI PLASTIKEN VON LUDWIG GIES

Meine Plastiken sollen musikalische oder
dichterische Rhythmen sein, die sich in
ihrem Zusammenklang zu einem geschlossenen
Gebilde vereinen" —■ so lautet eine gelegent-
liche Äußerung von Ludwig Gies über sein
eigenes Schaffen. Musikalisch-rhythmisch also
ist der Ausgangspunkt seiner Arbeit. Damit
schließt sich Gies jener Richtung in der neuesten
Bildhauerei an, die nicht im Nacherzählen realer
Naturform, sondern im eigenwertigen, eigen-
gesetzlichen, mithin ideellen Gebilde ihr Schaf-
fensziel erblickt. Sowohl im Inland wie im
Ausland (man denke an Bildhauer wie Archi-
penko, Ossip Zadkine, Gargallo usw.) hat diese
Richtung Fuß gefaßt. Wie sie von Ludwig Gies
verstanden wird, zeigen die Abbildungen nach
seinen neuesten Werken. Man betrachte z. B.
den hier gezeigten „Kopf". Er ist aus einem
Eichenholzblock herausgearbeitet und gibt des-
sen ursprüngliche Rohgestalt noch deutlich zu
erkennen. An der Hinterhauptseite entwickelt
sich ein üppiges ornamentales Leben, das mit
musikalischem Reichtum durcheinander wirrt.
Man kann dabei an einen Kranz mit Bändern
und an lang herabwallende Locken denken.

Aber klar (und durch die Polyphonie der andern
Formen in seiner Klarheit verstärkt) tritt das
Gesicht hervor, herrisch und gewalttätig im Aus-
druck ; das Ganze in der Wirkung fast mystisch
zu nennen, weil es halb als Spiel von Natur-
formen, halb als Gebilde von Menschenhand
erscheint. Etwas schier Spielzeughaftes liegt
in der Dreiergruppe, Mann und Frau mit Kind.
Exotische Formen, schwer und übersteigert,
springen auf, in wunderlichen Proportionen.
Sie befremden zunächst das Auge, bis dieses
auch hier eine musikalische Feinheit der Be-
ziehungen und eine verschwiegene, lyrische
Innigkeit des Gesamtausdrucks entdeckt. Am
faßlichsten zeigt sich Gies wohl in der dritten
Arbeit „Zwei Menschen". Wie vorher von der
Holzblockform, so geht Gies hier von einer bild-
samen Tonplatte aus. Sie klüftet sich in der
Mitte, die Ränder schwellen zu summarischer
Menschenform aus, Hände und Köpfe finden
sich zu einer zarten, innigen Begegnung; was
an Formangaben noch fehlt, fügt das Modellier-
holz, hier wie ein Schreibinstrument gehand-
habt, eilig hinzu. Es ergibt sich eine gesam-
melte , ausdrucksstarke Wirkung...... g. r.

XXXIII. Oltober 1929. 5
 
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