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den Menschen ungeziemend ist, ein dem Gegenstand
angemessenes Empfinden zu zeigen, und daß alle Vorgänge
in dieser Welt gleich indifferent sind, sondern ich
glaube, daß es auch Dinge gibt, welche 'eher dem Laster
fern als der Tugend nahe liegen’, und von unserem Geist
eine Anteilnahme fordern, die 'jenseits allen Tadels’
steht. ”104.
Rubens Diskrepanz zwischen dem Ideal der Stoa und der
Realität basiert auf der Lehre des christlichen
Neostoizismus des Justus Lipsius, die eine differenzierte
und vor allem gemäßigte Auffassung der stoischen Ethik
beinhaltete.105 Günter Abel hat Lipsius Lehre als ”(...)
eine auf Realitätsbewältigung abzielende praktische Philo-
sophie"106 interpretiert, und alles deutet darauf hin, daß
Rubens sie für sich annahm.107
Die vorausgegangenen Exkurse haben gezeigt, wie sehr Rubens
durch seine Ausbildung und sein intellektuelles Umfeld dem
Humanismus verbunden war und sich mit dessen Inhalten in
ständiger Auseinandersetzung befand. Angesichts von Rubens
universeller Ausbildung besteht die Frage vor allem darin,
welche ikonographischen Quellen er für die Bilder die
"Krönung des Tugendhelden" und den "Trunkenen Herkules"
verwandt haben kann und welche Aspekte des christlichen
Neostoizismus im Münchener, Dresdener sowie Kasseler Bild
ihren Niederschlag gefunden haben.
4.2. Die "Krönung des Tugendhelden" (München)
In der "Krönung des Tugendhelden" nimmt der Tugendheld in
seiner metallenen Rüstung die Hauptachse des Bildes ein.
Waffen sind nicht zu entdecken, wobei die Funktion des
Stabes in seiner rechten Hand nicht sichtbar wird. Von
104) Brief an Pierre Dupuy voa 15. 7. 1626, vgl. des Original (spanisch) ia COB, III.
Bd., S. 444; das Zitat staaat aus Tacitus, Historiae I, 49; zitiert nach Harnkes
Übersetzung, 1965, S. 21.
105) Auch Kubens enge Freunde Rockox und Horetus bekannten aich zua christlichen
Neostoiziaaus des J. Lipsius, vgl. Vlleghe, 1981, S. 144ff. u. 147f..
106) Abel, 1978, S. 69.
107) Vgl. zu der Theaatlk auch Eckert, W.P.J Oie Darstellung der Affekte ia Werk des
Peter Paul Bubena, in: Pathos, Affekt, Gefühl, Philosophische Beitrige, hrsg. von
Ingrid Craeaer Buegenberg, Freiburg, München 1981, S. 103-129.
den Menschen ungeziemend ist, ein dem Gegenstand
angemessenes Empfinden zu zeigen, und daß alle Vorgänge
in dieser Welt gleich indifferent sind, sondern ich
glaube, daß es auch Dinge gibt, welche 'eher dem Laster
fern als der Tugend nahe liegen’, und von unserem Geist
eine Anteilnahme fordern, die 'jenseits allen Tadels’
steht. ”104.
Rubens Diskrepanz zwischen dem Ideal der Stoa und der
Realität basiert auf der Lehre des christlichen
Neostoizismus des Justus Lipsius, die eine differenzierte
und vor allem gemäßigte Auffassung der stoischen Ethik
beinhaltete.105 Günter Abel hat Lipsius Lehre als ”(...)
eine auf Realitätsbewältigung abzielende praktische Philo-
sophie"106 interpretiert, und alles deutet darauf hin, daß
Rubens sie für sich annahm.107
Die vorausgegangenen Exkurse haben gezeigt, wie sehr Rubens
durch seine Ausbildung und sein intellektuelles Umfeld dem
Humanismus verbunden war und sich mit dessen Inhalten in
ständiger Auseinandersetzung befand. Angesichts von Rubens
universeller Ausbildung besteht die Frage vor allem darin,
welche ikonographischen Quellen er für die Bilder die
"Krönung des Tugendhelden" und den "Trunkenen Herkules"
verwandt haben kann und welche Aspekte des christlichen
Neostoizismus im Münchener, Dresdener sowie Kasseler Bild
ihren Niederschlag gefunden haben.
4.2. Die "Krönung des Tugendhelden" (München)
In der "Krönung des Tugendhelden" nimmt der Tugendheld in
seiner metallenen Rüstung die Hauptachse des Bildes ein.
Waffen sind nicht zu entdecken, wobei die Funktion des
Stabes in seiner rechten Hand nicht sichtbar wird. Von
104) Brief an Pierre Dupuy voa 15. 7. 1626, vgl. des Original (spanisch) ia COB, III.
Bd., S. 444; das Zitat staaat aus Tacitus, Historiae I, 49; zitiert nach Harnkes
Übersetzung, 1965, S. 21.
105) Auch Kubens enge Freunde Rockox und Horetus bekannten aich zua christlichen
Neostoiziaaus des J. Lipsius, vgl. Vlleghe, 1981, S. 144ff. u. 147f..
106) Abel, 1978, S. 69.
107) Vgl. zu der Theaatlk auch Eckert, W.P.J Oie Darstellung der Affekte ia Werk des
Peter Paul Bubena, in: Pathos, Affekt, Gefühl, Philosophische Beitrige, hrsg. von
Ingrid Craeaer Buegenberg, Freiburg, München 1981, S. 103-129.