Der Vorhang.
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gleichnamigen Tragödie schon zu Anbeginn an dem Grabe des Proteus sitzen,
da dieses ihr ständiger Aufenthalt ist, den sie nur auf ganz besonderen Anlass
verlässt (393), vgl. 797: ipxc xäsiu toöS' äeWsus 18p«; ky.ic, und 1228: tivs' et' 01-
y-^a-tc -ziyov ; Nicht viel anders liegen die Dinge für Andromache (Eurip. Androm.
44). die auch schon zu Anfang des Dramas an dem Altar des Thetideion sitzt.
Und der Sachlage in den euripideischen «Schutzflehenden» entspricht die Situa-
tion der Schutzsuchenden in Sophokles «König Oidipus» so genau, dass auch
sie wohl schon an den Stufen des Palastes versammelt zu denken sind, noch
bevor dem Zuschauer das Zeichen zum Beginn des Dramas gegeben ward.
In den «Wolken», den «Wespen», dem «Orestes» sah man zu Anfang des
Stückes Personen im Schlafe, in den «Troerinnen» Hekabe in stummer Ver-
zweiflung vor dem Spielhause liegen. In dem «Befreiten Prometheus» des Aischylos
und in der «Andromeda» des Euripides erschienen von Anbeginn an die Schau-
spieler an Felsen gefesselt. Hier ist überall die Annahme, dass das Stück zunächst
mit stummem Spiel eröffnet wurde, kaum möglich. Übrigens Aväre ein solches
Gebärdenspiel, wie man es etwa zu Beginn der «Acharner» oder des «Friedens»
voraussetzen könnte, bei der Beschaffenheit des offenen griechischen Schauhauses
eine überaus unvorteilhafte Art der Eröffnung.
In allen diesen Auftritten konnte der Schein der Wirklichkeit — wenigstens
nach den uns geläufigen Vorstellungen — am besten erzielt werden, wenn die
Zuschauer gleich von Anfang an ein fertiges Bild zu sehen bekamen. Daher sind
auch die Neueren immer wieder, trotz des Mangels antiker Zeugnisse, zu der
Annahme zurückgekehrt, dass bei den Aufführungen dieser Dramen schon ein
Vorhang verwendet worden sein müsse, so neuerdings Weissmann, S. 32 f. und
jetzt auch Bethe, S. 186 f.
In einigen der angeführten Fälle Hess sich vielleicht der Forderung, ein
fertiges Bild zu zeigen, auch ohne besondere Vorrichtung Genüge thun. Die in
den Vorhallen schlafenden Personen konnten durch einen kleinen Vorhang, der
den Vorraum (wie das auch im wirklichen Leben vorkam) nach aussen abschloss,
und Andromeda konnte durch das Proskenion der vorausgehenden Tragödie
(vgl. S. 215) bis zum Beginn des Stückes den Blicken der Zuschauer entzogen
werden. Aber diese Erklärung versagt schon bei dem «Befreiten Prometheus»,
da dieser an demselben Felsen gefesselt erscheint, der zum Schluss des voraus-
gehenden Dramas in die Erde versunken Avar, und sie lässt sich auch für den
«Herakles», die «Herakliden», die «Schutzflehenden» nicht anwenden, da man
nicht wohl annehmen kann, dass vor den Tempeln und Palästen, die in diesen
Dramen dargestellt waren, in den vorausgehenden Tragödien noch andere Schmuck-
wände, durch die sie hätten verdeckt werden können, aufgebaut waren. Hier
konnte also nur mittelst eines vorgezogenen Vorhanges, der das Proskenion
verhüllte, jener Grad von Illusion, der unseren Gewohnheiten nach unerlässlich
erscheint, erzielt Averden. Und in der That ist ein Vorhang ein überaus einfaches
Hilfsmittel, das den Alten ebenso nahe gelegen haben muss Avie uns Modernen.
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gleichnamigen Tragödie schon zu Anbeginn an dem Grabe des Proteus sitzen,
da dieses ihr ständiger Aufenthalt ist, den sie nur auf ganz besonderen Anlass
verlässt (393), vgl. 797: ipxc xäsiu toöS' äeWsus 18p«; ky.ic, und 1228: tivs' et' 01-
y-^a-tc -ziyov ; Nicht viel anders liegen die Dinge für Andromache (Eurip. Androm.
44). die auch schon zu Anfang des Dramas an dem Altar des Thetideion sitzt.
Und der Sachlage in den euripideischen «Schutzflehenden» entspricht die Situa-
tion der Schutzsuchenden in Sophokles «König Oidipus» so genau, dass auch
sie wohl schon an den Stufen des Palastes versammelt zu denken sind, noch
bevor dem Zuschauer das Zeichen zum Beginn des Dramas gegeben ward.
In den «Wolken», den «Wespen», dem «Orestes» sah man zu Anfang des
Stückes Personen im Schlafe, in den «Troerinnen» Hekabe in stummer Ver-
zweiflung vor dem Spielhause liegen. In dem «Befreiten Prometheus» des Aischylos
und in der «Andromeda» des Euripides erschienen von Anbeginn an die Schau-
spieler an Felsen gefesselt. Hier ist überall die Annahme, dass das Stück zunächst
mit stummem Spiel eröffnet wurde, kaum möglich. Übrigens Aväre ein solches
Gebärdenspiel, wie man es etwa zu Beginn der «Acharner» oder des «Friedens»
voraussetzen könnte, bei der Beschaffenheit des offenen griechischen Schauhauses
eine überaus unvorteilhafte Art der Eröffnung.
In allen diesen Auftritten konnte der Schein der Wirklichkeit — wenigstens
nach den uns geläufigen Vorstellungen — am besten erzielt werden, wenn die
Zuschauer gleich von Anfang an ein fertiges Bild zu sehen bekamen. Daher sind
auch die Neueren immer wieder, trotz des Mangels antiker Zeugnisse, zu der
Annahme zurückgekehrt, dass bei den Aufführungen dieser Dramen schon ein
Vorhang verwendet worden sein müsse, so neuerdings Weissmann, S. 32 f. und
jetzt auch Bethe, S. 186 f.
In einigen der angeführten Fälle Hess sich vielleicht der Forderung, ein
fertiges Bild zu zeigen, auch ohne besondere Vorrichtung Genüge thun. Die in
den Vorhallen schlafenden Personen konnten durch einen kleinen Vorhang, der
den Vorraum (wie das auch im wirklichen Leben vorkam) nach aussen abschloss,
und Andromeda konnte durch das Proskenion der vorausgehenden Tragödie
(vgl. S. 215) bis zum Beginn des Stückes den Blicken der Zuschauer entzogen
werden. Aber diese Erklärung versagt schon bei dem «Befreiten Prometheus»,
da dieser an demselben Felsen gefesselt erscheint, der zum Schluss des voraus-
gehenden Dramas in die Erde versunken Avar, und sie lässt sich auch für den
«Herakles», die «Herakliden», die «Schutzflehenden» nicht anwenden, da man
nicht wohl annehmen kann, dass vor den Tempeln und Palästen, die in diesen
Dramen dargestellt waren, in den vorausgehenden Tragödien noch andere Schmuck-
wände, durch die sie hätten verdeckt werden können, aufgebaut waren. Hier
konnte also nur mittelst eines vorgezogenen Vorhanges, der das Proskenion
verhüllte, jener Grad von Illusion, der unseren Gewohnheiten nach unerlässlich
erscheint, erzielt Averden. Und in der That ist ein Vorhang ein überaus einfaches
Hilfsmittel, das den Alten ebenso nahe gelegen haben muss Avie uns Modernen.