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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (1,2): Kunst und Künstler Deutschlands und der Niederlande bis gegen die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Berlin, 1878

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Wurzbach, Alfred von: Paulus Potter: geb. in Enkhuyzen 1625, gest. in Amsterdam 1654
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https://doi.org/10.11588/diglit.34542#0312
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PAULUS POTTER.

Gefundheit unteres Künhlers bald untergraben und die Keime eines tödtlicben
Leidens zu rafcher Entwickelung gebracht zu haben.
In den letzten Jahren feines Lebens verlegt er leinen Wohnlitz vom Haag nach
Amherdam, ob, wie behauptet worden, in Folge einer Untreue, auf der er feine
Frau ertappt haben foll, ift lehr zweifelhaft. — Sein Bedenken erregender Gefundheits-
zuftand und die abermalige Schwangerlchaft der Gattin waren es vielleicht, welche
die beiden Gatten veranlagten am 2. Januar 16$3 ein wechfelfeitiges Teftament
zu errichten, aus welchem hervorgeht, dafs die Ehe noch damals, nachdem das
erfte Kind früh geftorben, kinderlos war. Wenige Wochen darauf am 23. Januar
1633 ward eine Tochter auf den Namen Dingenon getauft. Aber der Vater er-
lebte die Freude an diefem Kinde nicht mehr lange; fchonam 17. Januar des fol-
genden Jahres ward er felbft begraben.
Sein Porträt von der Hand des Bartholomäus van der Helft im Mufeum
des Haag, welches wir in Holzfchnitt mittheilen, trägt mit dem Jahre 1654, aus
welchem es datirt ift, wol nur das Datum feiner Vollendung und zeigt uns den
Meifter noch anfeheinend thätig vor feiner Staffelei.
Seine Wittwe fcheint lieh bald nach feinem Tode wieder zu ihrer Familie
nach dem Haag begeben zu haben, denn wir finden he dort im Jahre 1636 und
am 10. Februar 1637, an welchem Tage auch ihr Kind Dingenon begraben wurde.
Am 31. März 1661 verheirathete he hch wieder mit Dirk van Reenen, einem
Weinhändler und Wittwer aus dem Haag. Aus diefer Ehe ward am 13. Auguft
1663 ein Sohn auf den Namen Paulus getauft, ein Name, der die Gefchichte von
der unglücklichen erften Ehe Lügen zu ftrafen fcheint. —
Weftrheene, der das von Smith überkommene Verzeichnis der Werke Potter's
einer neuerlichen Prüfung unterzogen, zählt 106, resp. 130—140 Bilder des Meifters
auf. Doch auch feine Lifte bedarf noch einer Revihon, denn felbft unter diefen
106 angeblich conftatirten Potter's hnd einzelne zweifelhafte Werke, während
andere echte Bilder unerwähnt geblieben hnd. Man muls bei der Beurtheilung
Potter's von der aulserordentlichcn Meiherfchaft der Radirungen vom Jahre
1643 und 44 und der unglaublichen Vollendung feiner echten und unbezwei-
felten Bilder ausgehen, welche eine erftaunliche Kenntnifs der thierilchen Ge-
halt und Bewegung, ein leltcnes Gefühl für Grazie und Eleganz, einen ausge-
iprochenen Sinn für Zartheit des Colorits und eine ungewöhnliche Virtuohtät der
Detailbehandlung zeigen, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, dals dieler
Künftler, der mit van Eyck'fcher Delicateffe jede Flocke Wolle in dem Viiefs
feiner Schafe, jeden Halm im Grafe darzuftellen verband, ohne kleinlich und ängh-
lich zu werden, unmöglich der Urheber fo manchen Bildes fein kann, welches
feinen Namen voll und deutlich trägt.
Man ift gewöhnt den Stier im Haag als ein Meifterwerk hinzuhellen, aber
wer Potter's Staffelei-Bilder mit Aufmerkfamkeit gefehen, wird zu der Ueber-
zeugung gelangen, dafs diefes, wie alle jene, in welchen Potter aus dem Rahmen
des Kabinetsbildes heraustrat, auch im Entferntehen nicht mehr jenen bedeuten-
den Meiher zeigt. Ganz denfclben Eindruck hinterläfst das Reiterbild Dirk Tulp's
und die grofse Bärenjagd im Mufeum zu Amherdam. Er heht in Beiden an
Lebendigkeit und Energie der Bewegung weit hinter ähnlichen Leihungen eines
Fyt und Snayers zurück, während er doch in feinen kleinen Gemälden unüber-
troffen ih.
 
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