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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,1): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1878

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Dobbert, Eduard: Duccio: geb. vor 1270, gest. nach 1320
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https://doi.org/10.11588/diglit.36088#0133
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DAS DOMBILD.

15

Volksmenge durch äusserst dichte Nebeneinanderftellung der Köpfe andeutet,
dabei aber eine verhältnilsmäfsig nur geringe Anzahl von Fiifsen fehen läfst.
Mit der Scene, welche Chriftus vor dem hch das Gewand über der Brüh
zerreilsenden Kaiphas zeigt, hat der Künftler jene Epifode verbunden, da Petrus
den Herrn zum zweiten Mal verleugnet, diefes Mal zwei Männern gegenüber,
welche vor der Thür des Kaiphas die verhängnifsvolle Frage an ihn thun. Wieder
ift die Verlegenheit des Apoftels trefflich gefchildert.
Auf der folgenden Tafel fehen wir Chriftus noch immer vor Kaiphas: man
hat ihm die Augen verbunden und nun wird er geichlagen und verhöhnt. Sehr
lebendig ift die Wuth in dem Gefleht jenes Peinigers dargeftellt, der den Arm
zum Schlage erhoben. Lebhaft und deutlich ift gefchildert, wie einige feiner
Quäler die freche Aufforderung an Chriftus richten, er möge ihnen weisfagen,
wer ihn fchlage. Vor der Thür des Gemaches aber fleht man Petrus den Herrn
zum dritten Mal mit fehr ausdrucksvollen Geberden verleugnen. Auf einer Stange
über ihm fitzt der krähende Hahn.
In den Bildern, welche uns Chriftus vor Pilatus vorführen, ift die charakter-
lofe Unfchlüfflgkeit des Letztem in wirkfamen Gegenfatz zu dem Fanatismus der
Juden gefetzt, welche jefu Tod fordern. Gerade hier aber zeigt hch auch wieder
recht deutlich, wie arm, verglichen mit Giotto, die Geberdenfprache ift, über
welche Duccio verfügt. In drei Bildern fitzt Pilatus in faft ganz übereinftimmen-
der Weife mit übereinander gefchlagenen Füisen und im Schoofse ruhender linker
Hand da. Nicht genug, der Künftler hat auf dem Bilde, in welchem Chriftus
vor Herodes fteht, dem letzeren wieder diefelbe Stellung gegeben. Den Arm-
. bewegungen aber, welche die leidenfchaftlich erregten Worte der Juden in den
Gerichtsfcenen begleiten, fehlt allzufehr jene Unmittelbarkeit, deren Mangel in
Duccio's Kunft fchon oben berührt wurde. Recht lebhaft hingegen ift die Ge-
berdenlprache der vor dem dornengekrönten Heilande im Hohne niedergeknieten
Gehalten, während bei der Geiiselung die Armhaltung fbwohl des Pilatus als
auch der Schergen, die das rohe Amt zu vollziehen haben, wieder etwas Höl-
zernes hat.
Zu den treffkehiten Compohtionen der ganzen Reihe gehört die ^Kreuz-
tragungn. Eine dichte Menge bewegt hch eilenden Schrittes an uns vorüber.
Simon von Cyrene trägt fchwer an dem grofsen Kreuze. Chriftus hebt hch
wieder in ungefuchtefter Weife als die Hauptperfbn von der Menge ab. Sehr
würdig find die trauernden Frauen gefchildert, die hch dem Zuge angefchloffen
haben, an ihrer Spitze die Mutter Maria.
Auch bei der ))KreuzigungK bildet die Frauengruppe, in deren Mitte die von
Johannes und zwei Gefährtinnen liebevoll geftützte Maria vor Schmerz in Ohn-
macht linkt, vielleicht den ergreifendften Theil der Darftellung. Immer wieder
gelingt Duccio und der henehfehen Schule überhaupt die Schilderung fanfter
weiblicher Charaktere beffer als diejenige energifcher Männergeftalten. So hnd
auch auf dem folgenden Bilde der x Kreuzabnahme^ das hch in der Gefämmtan-
ordnung wieder eng an die typifche Darftellungsweife anfchliefst, wie he uns
z. B. in einem Mofaikbilde zu Monreale und an den ehernen Thtiren des Barisanus
entgegentritt, die Frauen mit warmem Gefühle ausgeftattet. Die Mutter ift im
Begriff", in ihrem tiefen Seelenfchmerz einen Kufs auf die Lippen des geliebten
Sohnes zu drücken, deffen Leiche von Johannes und Jofeph von Arimathia mit
 
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