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BERNARDINO LUINI.
Erlöfers fpielen und die liebenden Jünger in Anbetung und Trauer verfunken
find. Luini kam hier feine dichterifche Begabung fehr zu Statten, wir verdanken
derfelben Gehalten, die zu dem Schönhen gehören, was es überhaupt in der
italienifchen Kunh giebt, und um derentwillen allein fchon ein Befuch Lugano's
kch lohnt, Gehalten, wie die vor dem Kreuz knieende Magdalena, und der Jo-
hannes, welcher dem herbenden Heiland fein Gelübde ablegt. Wer diefe Fi-
guren einmal gefehen hat, dem werden he unauslöfchlich im Gedächtnifs bleiben.
Und abgefehen von den Hauptgruppen, findet hch noch fo viel des Bewunderns-
werthen auf dem Bilde, dafs tagelanges Studium dazu gehört, um allen Schön-
heiten gerecht zu werden. Es fei hier nur auf die Gruppe hingewiefen, welche
das Bild links abfchliefst. Eine Frau in farbenreicher Gewandung trägt auf dem
Arme einen Knaben, der hch geänghigt an die Mutter klammert, er ih offenbar
durch die Ereigniffe aus der Faffung gebracht, ein anderer Knabe, der müde zu
fein fcheint und auch gern von der Mutter getragen wäre, wendet fragend den
Blick zu ihr hinauf, he legt befchwichtigend ihre Rechte auf feine Schulter.
Diefe Gruppe ih vollkommen unabhängig gedacht und wird, auch wenn man
he aus dem Rahmen des Bildes herausnimmt, ihre Wirkung nicht verfehlenC?).
Es ih intereffant, dafs Luini bei einer der im Hintergründe dargehellten
Epifodcn, bei der Grablegung, auf ein früheres in Oel gemaltes Bild in Mailand
zuruckgriff, auf die Pieta nämlich, welche in S. Giorgio al Palazzo die dritte Ka-
pelle rechts vom Eingang fchmückt. Die fünf Haupthguren diefer herrlichen
Compohtion finden wir hier in kleinem Mafshabe wieder, fo zu fagen als Nach-
klang von Luini's Wirkfamkeit in Mailand.
ln welchem Alter mag der Meiher gehanden haben, als er fein Pafhonsbild in
Lugano malte? Auf eine Tradition gehützt, die in Saronno umgeht, hat man
angenommen, dafs er damals fchon ein Greis war von mindehens 6$ Jahren.
In Saronno nämlich heht die Ueberlieferung das Porträt Luini's in dem Alten
zur äufserhen Rechten auf dem Bilde: Chrihus unter den Schriftgelehrten.
Diefe Tradition himmt aber keineswegs mit der Euganer Tradition überein,
welche in einem Mann in den behen Jahren das Bildnifs Luini's heht, nämlich
in dem Centurionen rechts vom Kreuze Chrihi. Welche Tradition hat nun mehr
Wahrfcheinlichkeitsgründe für hch? Wir meinen, die letztere, denn einmal hndet
hch der Kopf des Centurionen ebenfalls in Saronno und dann, wie es fcheint,
noch zum zweiten Mal auf der Pafhon in Lugano. Jener malerifch drapirte und
zum Bilde hinausfehende Mann mit der reichgeftickten Kappe auf dem Bilde:
»Die Anbetung der Magier^, und der heilige Rochus auf dem Pilafter rechts
in Sta. Maria degli Angeli hnd offenbar übereinhimmend mit dem Centurionen,
wenn he auch in der Auffaffung wefentlich auseinander gehen. Als Centurio hat hch
' Luini mehr nach dem Leben aufgefafst, während er als Heiliger hch bedeutend
idealihrte. Es ih wohl auch kein Zufall, dafs gerade über feinem Haupte in rö-
mifchen Ziffern die Jahreszahl 152p heht, das Datum der Vollendung des Bildes.
Von den Bedingungen, unter welchen diefe Riefenarbeit enthand, und der
Zeit, die der Meiher auf he verwandte, ih nur wenig bekannt. Defendente Sacchi
hat zwar in einer kurzen Monographie über Luini einiges archivalifche Material
beigebrachRS) allein es ih zu dürftig, um einen klaren Einblick zu gewähren in
BERNARDINO LUINI.
Erlöfers fpielen und die liebenden Jünger in Anbetung und Trauer verfunken
find. Luini kam hier feine dichterifche Begabung fehr zu Statten, wir verdanken
derfelben Gehalten, die zu dem Schönhen gehören, was es überhaupt in der
italienifchen Kunh giebt, und um derentwillen allein fchon ein Befuch Lugano's
kch lohnt, Gehalten, wie die vor dem Kreuz knieende Magdalena, und der Jo-
hannes, welcher dem herbenden Heiland fein Gelübde ablegt. Wer diefe Fi-
guren einmal gefehen hat, dem werden he unauslöfchlich im Gedächtnifs bleiben.
Und abgefehen von den Hauptgruppen, findet hch noch fo viel des Bewunderns-
werthen auf dem Bilde, dafs tagelanges Studium dazu gehört, um allen Schön-
heiten gerecht zu werden. Es fei hier nur auf die Gruppe hingewiefen, welche
das Bild links abfchliefst. Eine Frau in farbenreicher Gewandung trägt auf dem
Arme einen Knaben, der hch geänghigt an die Mutter klammert, er ih offenbar
durch die Ereigniffe aus der Faffung gebracht, ein anderer Knabe, der müde zu
fein fcheint und auch gern von der Mutter getragen wäre, wendet fragend den
Blick zu ihr hinauf, he legt befchwichtigend ihre Rechte auf feine Schulter.
Diefe Gruppe ih vollkommen unabhängig gedacht und wird, auch wenn man
he aus dem Rahmen des Bildes herausnimmt, ihre Wirkung nicht verfehlenC?).
Es ih intereffant, dafs Luini bei einer der im Hintergründe dargehellten
Epifodcn, bei der Grablegung, auf ein früheres in Oel gemaltes Bild in Mailand
zuruckgriff, auf die Pieta nämlich, welche in S. Giorgio al Palazzo die dritte Ka-
pelle rechts vom Eingang fchmückt. Die fünf Haupthguren diefer herrlichen
Compohtion finden wir hier in kleinem Mafshabe wieder, fo zu fagen als Nach-
klang von Luini's Wirkfamkeit in Mailand.
ln welchem Alter mag der Meiher gehanden haben, als er fein Pafhonsbild in
Lugano malte? Auf eine Tradition gehützt, die in Saronno umgeht, hat man
angenommen, dafs er damals fchon ein Greis war von mindehens 6$ Jahren.
In Saronno nämlich heht die Ueberlieferung das Porträt Luini's in dem Alten
zur äufserhen Rechten auf dem Bilde: Chrihus unter den Schriftgelehrten.
Diefe Tradition himmt aber keineswegs mit der Euganer Tradition überein,
welche in einem Mann in den behen Jahren das Bildnifs Luini's heht, nämlich
in dem Centurionen rechts vom Kreuze Chrihi. Welche Tradition hat nun mehr
Wahrfcheinlichkeitsgründe für hch? Wir meinen, die letztere, denn einmal hndet
hch der Kopf des Centurionen ebenfalls in Saronno und dann, wie es fcheint,
noch zum zweiten Mal auf der Pafhon in Lugano. Jener malerifch drapirte und
zum Bilde hinausfehende Mann mit der reichgeftickten Kappe auf dem Bilde:
»Die Anbetung der Magier^, und der heilige Rochus auf dem Pilafter rechts
in Sta. Maria degli Angeli hnd offenbar übereinhimmend mit dem Centurionen,
wenn he auch in der Auffaffung wefentlich auseinander gehen. Als Centurio hat hch
' Luini mehr nach dem Leben aufgefafst, während er als Heiliger hch bedeutend
idealihrte. Es ih wohl auch kein Zufall, dafs gerade über feinem Haupte in rö-
mifchen Ziffern die Jahreszahl 152p heht, das Datum der Vollendung des Bildes.
Von den Bedingungen, unter welchen diefe Riefenarbeit enthand, und der
Zeit, die der Meiher auf he verwandte, ih nur wenig bekannt. Defendente Sacchi
hat zwar in einer kurzen Monographie über Luini einiges archivalifche Material
beigebrachRS) allein es ih zu dürftig, um einen klaren Einblick zu gewähren in