DARSTELLUNG DES PARADIESES.
27
terihrende Epifode in den Vordergrund ftellt, welche er dann nach jeder Rich-
tung hin in der Compohtion und Durchführung zu bewältigen und zur Schönheit
zu redigiren vermag, diele Decenz ift bei Tintoretto nicht zu fuchen. Ihn reizt
ja gerade die Schilderung lebhafter Action, die Schilderung der Erregtheit, welche
bis zur Wildheit geht. So hat man denn auf ruhige, edle Compohtion von vorn
herein zu verzichten: das Einzelne aber erregt nicht leiten Freude und noch öfter
Staunen. Freude empfindet man über den wahrhaft jugendfrifchen Realismus,
welcher die einzelnen Stellungs- und Gruppirungsmotive auszeichnet, wie denn
z. B. die Gruppe der vorrückenden Bogenlchützen in der »Eroberung der Stadt
Zara« mit den ßhönften Inlpirationen eines Benozzo Gozzoli auf gleicher Stufe
fteht. Staunen erregt es, mit welcher Virtuohtät, Kühnheit und Sicherheit bei
den vier Plafondbildern das Princip der Untenhcht trotz der Bewegtheit des Her-
gangs durchgeführt ift. Coloriftißh ftehen diele fünf Schlachtenbilder weit höher
als die gleichzeitigen Arbeiten in der Scuola San Rocco.
Den Schluß der Plafondmalereien in der Sala del Conhglio Maggiore bildet
das große Mittelftück »Venezia unter den Gottheiten« und »Der Doge da Ponte
empfängt die Gelandtfchaften unterworfener Städte«. Tintoretto zeigt hch in
diefem Bilde von Paoloß Apotheofe der Venezia lo ftark infpirirt, als dies lein
Naturell erlaubte. Der Architektur ift eine bedeutende Stelle eingeräumt, aber
Tintoretto wußte he zu wenig für einen ftrengen Compohtions-Aufbau auszunützen.
Der Zulammenhalt mangelt, nicht bloß zwilchen dem irdilchen Hergang unten
und dem himmlilchen oben, löndern im untern Theile felbft fallen die Gruppen
auseinander, mangelt die Linie, die herrlchend durchginge.
In Bezug auf die künftlerilche Durchführung des Einzelnen fteht felbftver-
verftändlich jener Theil des Werkes, wo Tintoretto hch als Portraitmaler zeigen
kann, weit höher als die Schilderung der olympilchen Exiftenzen — ein Blick auf
Paoloß Venezia hinüber macht dies nur um lo fühlbarer.
Das gewaltigfte Werk aber, mit welchem Tintoretto die Sala del Maggior
Conhglio Ichmückte, ift die Darftellung des Paradieles, welche in einer Höhe von
32 Fuß und einer Breite von 7p Fuß die ganze Thronwand des Saales einnimmt.
Es ift die immenle That der letzten Lebensjahre des Künftlers und neben dem
»Ultimo Giudizio« und der »Kreuzigung« das am meiften charakteriftifche Zeugnils
für den Umfang und die Art feiner außerordentlichen künftlerifchen Begabung.
Tintorettoß Werk trat an Stelle eines großen Fresco, welches dort der Pa-
duaner Guariento im Jahre 1365 gemalt hatte, und das gleichfalls die Herrlichkeit
des Paradieles, mit der Krönung Mariaß als Mittelpunkt der Compohtion, dar-
ftellte. Durch den Brand von 1377 war es zwar nicht völlig zerftört, doch ftark
belchädigt worden; lo belchloß der Senat, die Ueberrefte deffelben mit einer
großen Leinwand, welche denfelben Stoß zur Darftellung brachte, zu überdecken.
Die Wahl des Senats hei zuerft auf Paolo Veronefe und den jüngeren Francesco
Baffano; daher kommt es, daß Girolamo Bar di, welcher von der Republik den
Auftrag hatte, die Stoffe für die einzelnen Darftellungen zu beftimmen, in leiner
»Dilucidazione di tutte le storie che si contengono nei quadri posti nuovamente
nelle sale dello scrutinio e del gran Consiglio« (Venezia, 1587) den Paolo und
Francesco Baffano als Maler des Paradiso nennt. Bardi pflegt nämlich von Ar-
beiten, die erft decretirt, in einer Weiß zu iprechen, als wären he fchon voll-
endet. Der Tod des Paolo (1588) zwang den Senat zu einer neuen Wahl. Tin-
4
27
terihrende Epifode in den Vordergrund ftellt, welche er dann nach jeder Rich-
tung hin in der Compohtion und Durchführung zu bewältigen und zur Schönheit
zu redigiren vermag, diele Decenz ift bei Tintoretto nicht zu fuchen. Ihn reizt
ja gerade die Schilderung lebhafter Action, die Schilderung der Erregtheit, welche
bis zur Wildheit geht. So hat man denn auf ruhige, edle Compohtion von vorn
herein zu verzichten: das Einzelne aber erregt nicht leiten Freude und noch öfter
Staunen. Freude empfindet man über den wahrhaft jugendfrifchen Realismus,
welcher die einzelnen Stellungs- und Gruppirungsmotive auszeichnet, wie denn
z. B. die Gruppe der vorrückenden Bogenlchützen in der »Eroberung der Stadt
Zara« mit den ßhönften Inlpirationen eines Benozzo Gozzoli auf gleicher Stufe
fteht. Staunen erregt es, mit welcher Virtuohtät, Kühnheit und Sicherheit bei
den vier Plafondbildern das Princip der Untenhcht trotz der Bewegtheit des Her-
gangs durchgeführt ift. Coloriftißh ftehen diele fünf Schlachtenbilder weit höher
als die gleichzeitigen Arbeiten in der Scuola San Rocco.
Den Schluß der Plafondmalereien in der Sala del Conhglio Maggiore bildet
das große Mittelftück »Venezia unter den Gottheiten« und »Der Doge da Ponte
empfängt die Gelandtfchaften unterworfener Städte«. Tintoretto zeigt hch in
diefem Bilde von Paoloß Apotheofe der Venezia lo ftark infpirirt, als dies lein
Naturell erlaubte. Der Architektur ift eine bedeutende Stelle eingeräumt, aber
Tintoretto wußte he zu wenig für einen ftrengen Compohtions-Aufbau auszunützen.
Der Zulammenhalt mangelt, nicht bloß zwilchen dem irdilchen Hergang unten
und dem himmlilchen oben, löndern im untern Theile felbft fallen die Gruppen
auseinander, mangelt die Linie, die herrlchend durchginge.
In Bezug auf die künftlerilche Durchführung des Einzelnen fteht felbftver-
verftändlich jener Theil des Werkes, wo Tintoretto hch als Portraitmaler zeigen
kann, weit höher als die Schilderung der olympilchen Exiftenzen — ein Blick auf
Paoloß Venezia hinüber macht dies nur um lo fühlbarer.
Das gewaltigfte Werk aber, mit welchem Tintoretto die Sala del Maggior
Conhglio Ichmückte, ift die Darftellung des Paradieles, welche in einer Höhe von
32 Fuß und einer Breite von 7p Fuß die ganze Thronwand des Saales einnimmt.
Es ift die immenle That der letzten Lebensjahre des Künftlers und neben dem
»Ultimo Giudizio« und der »Kreuzigung« das am meiften charakteriftifche Zeugnils
für den Umfang und die Art feiner außerordentlichen künftlerifchen Begabung.
Tintorettoß Werk trat an Stelle eines großen Fresco, welches dort der Pa-
duaner Guariento im Jahre 1365 gemalt hatte, und das gleichfalls die Herrlichkeit
des Paradieles, mit der Krönung Mariaß als Mittelpunkt der Compohtion, dar-
ftellte. Durch den Brand von 1377 war es zwar nicht völlig zerftört, doch ftark
belchädigt worden; lo belchloß der Senat, die Ueberrefte deffelben mit einer
großen Leinwand, welche denfelben Stoß zur Darftellung brachte, zu überdecken.
Die Wahl des Senats hei zuerft auf Paolo Veronefe und den jüngeren Francesco
Baffano; daher kommt es, daß Girolamo Bar di, welcher von der Republik den
Auftrag hatte, die Stoffe für die einzelnen Darftellungen zu beftimmen, in leiner
»Dilucidazione di tutte le storie che si contengono nei quadri posti nuovamente
nelle sale dello scrutinio e del gran Consiglio« (Venezia, 1587) den Paolo und
Francesco Baffano als Maler des Paradiso nennt. Bardi pflegt nämlich von Ar-
beiten, die erft decretirt, in einer Weiß zu iprechen, als wären he fchon voll-
endet. Der Tod des Paolo (1588) zwang den Senat zu einer neuen Wahl. Tin-
4