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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (2,3): Kunst und Künstler Italiens bis um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1879

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Rosenberg, Adolf: Jacopo Sansovino: geb. in Florenz 1477, gest. in Venedig 1570
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https://doi.org/10.11588/diglit.36093#0419

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BAU DER BIBLIOTHEK.

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Geichois glaubte Sanfovino gewiffen Schwierigkeiten zu begegnen, die er am
betten durch den oberften Lehrmeifter aller Architekten der Hochrenaittance zu
löten vermeinte. Er tchlug altb den Vitruv auf und fand eine Stelle, in welcher
der römilche Baukünftler es tadelte, dals gewiffe Architekten die Triglyphe auf
die Ecke eines Gebäudes gefetzt hätten. Bei der Umführung des Frieles um die
Ecke fei vielmehr darauf zu achten, dals auf jeder Seite eine halbe Metope zu
flehen käme, altem in extremis angulis semimetopia sint impressa«, Io drückt
hch Vitruv an der betreffenden Stelle aus, adimidia moduli latitudine^. Aus den
drei letzten Worten geht augenlcheinlich hervor, dafs es dabei nicht auf eine
mathematifch genaue Halbirung der quadraten Metope ankommt, fondern nur auf
zwei gleich grolse Metopenfegmente, die auf beide Seiten zu vertheilen find.
Sanfovino überiah vielleicht mit Abhcht diefe Modihcation und verletzte lieh
darauf, auf jede Seite eine halbe Metope zu bringen. Das war ein Problem,
deffen Löfung, Dank den Bemühungen des Cardinais Bembo, der unzweifel-
haft durch Aretino dafür interefhrt worden war, in allen vitruvianifchen Kreifen
auf das Eifrigfte ventilirt wurde. Sanfovino forderte alle Architekten und Vitruv-
gelehrten Italiens auf, ihre Modelle und Zeichnungen einzulenden, und wirklich
langten nach der Verhcherung feines Sohnes Zeichnungen, welche die Löfung
des angeblichen Problems verfuchten, aus Toscana, der Lombardei, Rom, Neapel
und andern Orten an. Die römifchen Architekten hatte Bembo perlonlich dazu
animirt, und Ichlielslich nahm die im Jahre 1542 in Rom mit grofsem Pomp ge-
gründete vitruvianilche Akademie die Angelegenheit in die Hand. In ihrem
Namen landte der Secretär Claudio Tolomei ein Gutachten über die Frage nach
Venedig ab.
Es ilb felbftverftändlich, dafs keiner c(er fremden Entwürfe vor den Augen
SanlovinoN Gnade fand. Eine fblehe Blöfse würde hch der ehrgeizige Mann, der
leine Löfung längft fertig hatte, nimmer gegeben haben. Es war ihm eben
nur darauf angekommen, einmal in grofsartigem Malsftabe von hch reden zu
machen, und nachdem er diefen Zweck mehrere Jahre hindurch erreicht hatte,
producirte er plötzliche ein Holzmodell, das er insgeheim angefertigt hatte, und
feine Freunde fanden, dafs feine Löfung die behe fei. Er hatte die halbe Metope
auf jeder Seite einfach dadurch erreicht, dafs er den Eckpilafter durch Anfätze
verbreiterte und auf diele Art den nöthigen Platz gewann. Das Anlehen Sanlo-
vino's wurde durch dielen mit grofsem Geichick in Scene geletzten Streit um
eine Nichtigkeit wefentlich erhöht, und er war nicht der Mann, der eine fblehe
Gelegenheit vorübergehen liefs, ohne feinen Vortheil davon zu ziehen. Diefen
letzten Erfolgen hatte er es wohl zu danken, dals der Rath ihm am 19. April
1539 eine Gehaltszulage von qoDucaten bewilligte, lo dals lein Gehalt lieh nun-
mehr auf 220 Ducaten belief. Indeffen gab es fchon damals Leute, welche den
Humbug, den Sanfovino mit feiner halben Metope getrieben," durchichauten, und
zu ihnen wird auch Sammiccheli, der grolse Nebenbuhler SanlbvinoN, gehört
haben. Ihre Meinung giebt wahrlcheinlich Vincenzo Scamozzi, der hch noch in
den letzten Lebensjahren SanfovinoN der Unterweifung des Meifters erfreut hatte,
in feiner Hdea delP Architettura<x wieder, wenn er fagt, es hätte gar keine Schwierig-
keit Vorgelegen; überdies lei SanlovinoN Löfung keine glückliche gewelen.
Gegen Ende des Jahres 134$ wurden in der Libreria die Rüftbogen errichtet
und mit der Wölbung der den Ablchluls bildenden Decke begonnen. Um die
 
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