SEINE MENSCHEN.
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Natürlich find die Grenzen feines Ideales auch die Grenzen feiner Kunft.
In diefer zielt alles darauf ab, die menfchliche Natur in der Anmuth und in dem
Liebreiz einer unbefangenen Erfcheinung und mit der Fähigkeit für alles Glück
des Lebens künfUerifch zu verklären. Es ift nicht wahr, dafs Correggio nichts
Höheres kennt, als den flnnlichenGenufs; obwohl er andererfeits allerdings das
Edle und Erhabene als folches nicht fchildert. Man kann aber feine Welt nicht
eine unmoralifche nennen, weil der Zwiefpalt der Gemüther, Trauer und Schmerz
daraus verbannt find, weil man hier glücklich und felbft zufrieden ift, wie es
Kinder find und wie es Märchen erzählen, weil man hier jubelt, entzückt und be-
geiftert ift, wie man es auf Erden nicht, fein kann. In diefem, wenn man will,
engen Zirkel künftlerifcher Vorftellungen herrfcht Correggio unumfchränkt und
fleht damit einzig da unter den gröfsten Künftlern feines Landes, mit denen er
nur dies gemein hat, dafs er demfelben für die Kunft glücklichften Zeitalter an-
gehört.
Anmerkungen.
1) Opere di Antonio Raffaello Mengs etc., publicate da G. N. d'Azara. Parma 1780. Vol. II. pag.
133—ipi. — Luigi Pungileoni: Memorie istoriche di Ant. Allegri. Parma 1817—21. 3 Bände. —
Correggio von Julius Meyer. Leipzig 1871.
2) E. Müntz im Bulletin de l'Union centrale, Notices sur les manufactures italiennes de tapisserie.
Paris 1876.
3) Quirino Bigi, Notizie di Antonio Allegri, di Antonio Bartolotti, suo maestro e di altri pittori
corregiesi. Modena 1873. Die Schrift enthält den Nachweis, dafs in der zweiten Hälfte des fünfzehn-
ten Jahrhunderts auch in Correggio die Malerkunft geblüht hat. Dafs der hervorragendfte unter den
dort anfäfhgen Malern Antonio Bartolotti gewefen fei, kann noch nicht als hinreichender Beweis dafür
angefehen werden, wie Bigi annehmen wiil, dafs diefer Maler der Lehrer des Antonio Allegri gewefen fei.
4) Von Fr. Bianchi ift fonft nur noch das grofse Bild der Verkündigung in der Galerie zu Modena
allgemein bekannt. Die folgenden Angaben über diefen vermeintlichen Lehrer Correggio's verdanke ich
dem Senatore Giovanni Morelli in Mailand: "Francesco Bianchi foll um 1457 in Ferrara geboren fein.
Derfelbe ift, wie ich feft glaube, in der Schule bei Cofimo Tura gewefen und hat feinerfeits höchft
wahrfcheinlich Panetti und Lorenzo Cofta beeinflufst. Mazzolino aber ift Schüler des Lorenzo Cofla
ebenfo wie Doffo Dofh. Francesco Bianchi fetzte tich um 1480 in Modena feft. Um das Jahr 1300 foll
derfelbe in Gefellfchaft des Francia und Lorenzo Cofta im Palaft der Bentivoglio zu Bologna mit Fresco-
malereien befchäftigt gewefen fein, doch find diefelben im Jahre 1306 mit dem Palaft zu Grunde gegan-
gen. In einem Wohnzimmer des barberinifchen Palaftes zu Rom befinden fleh zehn Tafeln, Apollo mit
den Mufen darftellend. Diefelben ftammen aus dem Schlöffe von Urbino, wo he im Anfang des XVII.
Jahrhunderts von Baldi noch gefehen wurden. Diefer Biograph des Federigo da Montefeltro fchreibt he
dem Timoteo Viti zu. Meiner Meinung nach hnd he von Francesco Bianchi gemalt. Auch das Berliner
3) Vergl. die trefflichen Auffätze Tiber die Galerie Borghefe von Iwan Lermolieff in den Jahrgängen
IX—XI der Zeitfchrift für bildende Kunft.
6) Man könnte annehmen, Correggio habe eine fremde Zeichnung nach Mantegna's Madonnenbild
für die Madonna des heiligen Franciscus in Dresden benutzt, aber die grofse Nähe der Ortfchaften
Correggio und Mantua macht dies nicht wahrfcheinlich. Uebrigens ift der auf der rechten Schulter der
Madonna aufliegende Schleier im Dresdner Bilde im Gegenfatz zu dem coftaifch-ferrarehfchen Stil aller
übrigen Bildtheile in dem Mantegna eigenthümlichen abnormen Faltenfyftem gezeichnet: eine wohl zu
Gunften unterer Hypothefe fprechende Thatfache.
7) Waagen, Treasures of Art in Great Britain Vol. II, S. pp nennt und befchreibt in dem Bild bei
Lord Afhburton die hl. Margaretha an Stelle der hl. Martha. Beide Heilige führen das Attribut des
Drachens, woraus fleh die Verwechslung leicht erklärt. Die Heilige in jenem Bilde führt aber aufserdem
noch das Afperforium, was he als hl. Martha kenntlich macht. Dr. Guftavo Frizzoni in Maiiand ver-
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Natürlich find die Grenzen feines Ideales auch die Grenzen feiner Kunft.
In diefer zielt alles darauf ab, die menfchliche Natur in der Anmuth und in dem
Liebreiz einer unbefangenen Erfcheinung und mit der Fähigkeit für alles Glück
des Lebens künfUerifch zu verklären. Es ift nicht wahr, dafs Correggio nichts
Höheres kennt, als den flnnlichenGenufs; obwohl er andererfeits allerdings das
Edle und Erhabene als folches nicht fchildert. Man kann aber feine Welt nicht
eine unmoralifche nennen, weil der Zwiefpalt der Gemüther, Trauer und Schmerz
daraus verbannt find, weil man hier glücklich und felbft zufrieden ift, wie es
Kinder find und wie es Märchen erzählen, weil man hier jubelt, entzückt und be-
geiftert ift, wie man es auf Erden nicht, fein kann. In diefem, wenn man will,
engen Zirkel künftlerifcher Vorftellungen herrfcht Correggio unumfchränkt und
fleht damit einzig da unter den gröfsten Künftlern feines Landes, mit denen er
nur dies gemein hat, dafs er demfelben für die Kunft glücklichften Zeitalter an-
gehört.
Anmerkungen.
1) Opere di Antonio Raffaello Mengs etc., publicate da G. N. d'Azara. Parma 1780. Vol. II. pag.
133—ipi. — Luigi Pungileoni: Memorie istoriche di Ant. Allegri. Parma 1817—21. 3 Bände. —
Correggio von Julius Meyer. Leipzig 1871.
2) E. Müntz im Bulletin de l'Union centrale, Notices sur les manufactures italiennes de tapisserie.
Paris 1876.
3) Quirino Bigi, Notizie di Antonio Allegri, di Antonio Bartolotti, suo maestro e di altri pittori
corregiesi. Modena 1873. Die Schrift enthält den Nachweis, dafs in der zweiten Hälfte des fünfzehn-
ten Jahrhunderts auch in Correggio die Malerkunft geblüht hat. Dafs der hervorragendfte unter den
dort anfäfhgen Malern Antonio Bartolotti gewefen fei, kann noch nicht als hinreichender Beweis dafür
angefehen werden, wie Bigi annehmen wiil, dafs diefer Maler der Lehrer des Antonio Allegri gewefen fei.
4) Von Fr. Bianchi ift fonft nur noch das grofse Bild der Verkündigung in der Galerie zu Modena
allgemein bekannt. Die folgenden Angaben über diefen vermeintlichen Lehrer Correggio's verdanke ich
dem Senatore Giovanni Morelli in Mailand: "Francesco Bianchi foll um 1457 in Ferrara geboren fein.
Derfelbe ift, wie ich feft glaube, in der Schule bei Cofimo Tura gewefen und hat feinerfeits höchft
wahrfcheinlich Panetti und Lorenzo Cofta beeinflufst. Mazzolino aber ift Schüler des Lorenzo Cofla
ebenfo wie Doffo Dofh. Francesco Bianchi fetzte tich um 1480 in Modena feft. Um das Jahr 1300 foll
derfelbe in Gefellfchaft des Francia und Lorenzo Cofta im Palaft der Bentivoglio zu Bologna mit Fresco-
malereien befchäftigt gewefen fein, doch find diefelben im Jahre 1306 mit dem Palaft zu Grunde gegan-
gen. In einem Wohnzimmer des barberinifchen Palaftes zu Rom befinden fleh zehn Tafeln, Apollo mit
den Mufen darftellend. Diefelben ftammen aus dem Schlöffe von Urbino, wo he im Anfang des XVII.
Jahrhunderts von Baldi noch gefehen wurden. Diefer Biograph des Federigo da Montefeltro fchreibt he
dem Timoteo Viti zu. Meiner Meinung nach hnd he von Francesco Bianchi gemalt. Auch das Berliner
3) Vergl. die trefflichen Auffätze Tiber die Galerie Borghefe von Iwan Lermolieff in den Jahrgängen
IX—XI der Zeitfchrift für bildende Kunft.
6) Man könnte annehmen, Correggio habe eine fremde Zeichnung nach Mantegna's Madonnenbild
für die Madonna des heiligen Franciscus in Dresden benutzt, aber die grofse Nähe der Ortfchaften
Correggio und Mantua macht dies nicht wahrfcheinlich. Uebrigens ift der auf der rechten Schulter der
Madonna aufliegende Schleier im Dresdner Bilde im Gegenfatz zu dem coftaifch-ferrarehfchen Stil aller
übrigen Bildtheile in dem Mantegna eigenthümlichen abnormen Faltenfyftem gezeichnet: eine wohl zu
Gunften unterer Hypothefe fprechende Thatfache.
7) Waagen, Treasures of Art in Great Britain Vol. II, S. pp nennt und befchreibt in dem Bild bei
Lord Afhburton die hl. Margaretha an Stelle der hl. Martha. Beide Heilige führen das Attribut des
Drachens, woraus fleh die Verwechslung leicht erklärt. Die Heilige in jenem Bilde führt aber aufserdem
noch das Afperforium, was he als hl. Martha kenntlich macht. Dr. Guftavo Frizzoni in Maiiand ver-
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