ANTONIO CANOVA.
Schönheit in der Hand, nur den unteren Theil des Körpers mit einem Gewand
leicht verhüllt. Man pries diefe Darfellung als eine entzückende poetifche Me-
tamorphofe und begeiferte lieh an der klaff fchen Verbindung von Porträtähn-
lichkeit und Idealität der Formen. Kurz vorher hatte Canova Napoleons
Mutter, Lätitia, porträtirt, in ganzer Figur und antikem Kofürn, völlig in der
Haltung der bekannten Agrippina-Statuen der römifchen Kunft. An dem Denk-
mal Alheris, das er zu derfelben Zeit für die Kirche Sta. Croce in Florenz aus-
führte, war befonders die Kolofalfatue einer trauernden Italia Gegenfand der
Bewunderung.
Kaum geringeren Beifall fanden bei vielen feiner Verehrer die »idealen
Genrefgurena von Tänzerinnen in antiker Gewandung, die zu eben diefer Zeit
entf andern Sie gehören jedoch mit der übertriebenen Zierlichkeit ihrer Pofen,
die fch der vulgären Ballet-Grazie in bedenklicher Weife nähert, keineswegs zu
den verdienftlichen Leifungen des Künflers. Ein weit erfreulicheres Werk der-
felben Epoche if die Statue des Paris, die in der Weichheit und Fülle der
Formen an den Dionyfostypus der alten Kunft: erinnert. (Ein Exemplar diefer
Statue behtzt die Münchener Glyptothek.) Von der nicht grofsen Zahl von
Werken, in denen Canova damals von Neuem eine Excurlion in das Gebiet des
Heroifchen unternahm, ift die Statue des Palamedes durch einen Zufall zu
Grunde gegangen; es wurde behauptet, dafs auf ihre kraftvolleren und frengeren
Formen der Jafon Thorwaldfens Einfufs gehabt. Von diefem Jugendwerk des
dänifchen Künflers, mit welchem derfelbe 1803 in Rom debütirte, hatte Canova
felbf neidlos gerühmt, es fei in einem neuen grofsartigen Stil gebildet, und es
if vielleicht nicht falfch, auch bei einigen anderen Werken aus diefer Zeit, die
durch eine frengere Behandlung aufallen, einen gewiffen Einfuls diefes »neuen
Stilsa anzunehmen. Von einer tiefgehenden Einwirkung des nordifchen Künflers
auf Canova's Richtung kann nicht die Rede fein. Im Wefentlichen hat fch
an feinem Kunfcharakter bis zuletzt nichts geändert. Die Statuen des Ajax
und Hektor, an denen er bald nach Beendigung des Palamedes arbeitete,
haben nicht das Uebertriebene feiner früheren Heroengefalten, aber der Nerv
einer farken männlichen Kraft fehlt diefen Werken ebenfo fehr, wie jenen.
Die ehemals hochberühmte Gruppe Thefeus und der Kentaur, in welcher
Canova das ganze Raffinement feiner Technik erfchöpfte, vermag über den
Mangel feiner Begabung für das Heroifche ebenfo wenig hinwegzutäufchen. Die
gewaltfame Bewegung des Helden hat, freng genommen, nur den Charakter
einer Attitüde, die Kompoftion erfcheint geradezu als ein Rückfall in die thea-
tralifche Manier der Werke, in denen fch Canova zuerf an Aufgaben der heroi-
fchen Gattung verfuchte. Die Gruppe, 1803 begonnen, wurde 181p vom Kaifer
von Oeferreich erworben und if in Wien in dem fogenannten »ThefeustempeD
aufgefeilt.
Im Oktober 1810 reife Canova zum zweiten Mal nach Paris, einer neuen
Einladung Napoleons folgend, der dies Mal von feiner Hand das Porträt der
Kaiferin wünfehte und überdies darauf dachte, ihn ganz in feinen Dienf zu
ziehen. Paris follte in der Univerfalmonarchie, die Napoleons Ehrgeiz erträumte
und deren riefenhaftes Phantafebild zu jener Zeit der Verwirklichung nahe fchien,
Schönheit in der Hand, nur den unteren Theil des Körpers mit einem Gewand
leicht verhüllt. Man pries diefe Darfellung als eine entzückende poetifche Me-
tamorphofe und begeiferte lieh an der klaff fchen Verbindung von Porträtähn-
lichkeit und Idealität der Formen. Kurz vorher hatte Canova Napoleons
Mutter, Lätitia, porträtirt, in ganzer Figur und antikem Kofürn, völlig in der
Haltung der bekannten Agrippina-Statuen der römifchen Kunft. An dem Denk-
mal Alheris, das er zu derfelben Zeit für die Kirche Sta. Croce in Florenz aus-
führte, war befonders die Kolofalfatue einer trauernden Italia Gegenfand der
Bewunderung.
Kaum geringeren Beifall fanden bei vielen feiner Verehrer die »idealen
Genrefgurena von Tänzerinnen in antiker Gewandung, die zu eben diefer Zeit
entf andern Sie gehören jedoch mit der übertriebenen Zierlichkeit ihrer Pofen,
die fch der vulgären Ballet-Grazie in bedenklicher Weife nähert, keineswegs zu
den verdienftlichen Leifungen des Künflers. Ein weit erfreulicheres Werk der-
felben Epoche if die Statue des Paris, die in der Weichheit und Fülle der
Formen an den Dionyfostypus der alten Kunft: erinnert. (Ein Exemplar diefer
Statue behtzt die Münchener Glyptothek.) Von der nicht grofsen Zahl von
Werken, in denen Canova damals von Neuem eine Excurlion in das Gebiet des
Heroifchen unternahm, ift die Statue des Palamedes durch einen Zufall zu
Grunde gegangen; es wurde behauptet, dafs auf ihre kraftvolleren und frengeren
Formen der Jafon Thorwaldfens Einfufs gehabt. Von diefem Jugendwerk des
dänifchen Künflers, mit welchem derfelbe 1803 in Rom debütirte, hatte Canova
felbf neidlos gerühmt, es fei in einem neuen grofsartigen Stil gebildet, und es
if vielleicht nicht falfch, auch bei einigen anderen Werken aus diefer Zeit, die
durch eine frengere Behandlung aufallen, einen gewiffen Einfuls diefes »neuen
Stilsa anzunehmen. Von einer tiefgehenden Einwirkung des nordifchen Künflers
auf Canova's Richtung kann nicht die Rede fein. Im Wefentlichen hat fch
an feinem Kunfcharakter bis zuletzt nichts geändert. Die Statuen des Ajax
und Hektor, an denen er bald nach Beendigung des Palamedes arbeitete,
haben nicht das Uebertriebene feiner früheren Heroengefalten, aber der Nerv
einer farken männlichen Kraft fehlt diefen Werken ebenfo fehr, wie jenen.
Die ehemals hochberühmte Gruppe Thefeus und der Kentaur, in welcher
Canova das ganze Raffinement feiner Technik erfchöpfte, vermag über den
Mangel feiner Begabung für das Heroifche ebenfo wenig hinwegzutäufchen. Die
gewaltfame Bewegung des Helden hat, freng genommen, nur den Charakter
einer Attitüde, die Kompoftion erfcheint geradezu als ein Rückfall in die thea-
tralifche Manier der Werke, in denen fch Canova zuerf an Aufgaben der heroi-
fchen Gattung verfuchte. Die Gruppe, 1803 begonnen, wurde 181p vom Kaifer
von Oeferreich erworben und if in Wien in dem fogenannten »ThefeustempeD
aufgefeilt.
Im Oktober 1810 reife Canova zum zweiten Mal nach Paris, einer neuen
Einladung Napoleons folgend, der dies Mal von feiner Hand das Porträt der
Kaiferin wünfehte und überdies darauf dachte, ihn ganz in feinen Dienf zu
ziehen. Paris follte in der Univerfalmonarchie, die Napoleons Ehrgeiz erträumte
und deren riefenhaftes Phantafebild zu jener Zeit der Verwirklichung nahe fchien,