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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Bertel Thorwaldsen: geb. 1770 in Kopenhagen, gest. 1844 daselbst
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0070
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BERTEL THORWALDSEN.

geringes Anfehn erlangt. Vor Saly, einem in feiner Art trefflichen Meiher, dem
Kopenhagen das ftattliche Reiterftandbild Friedrichs V. auf dem Platz der Ama-
lienburg verdankt, hatte fchon eine Anzahl anderer franzöfifcher Künhler in der
dänifchen Haupthadt gearbeitet und Barock und Rokoko in ziemlichem Reich-
thum eingebürgert. Weiter zurück, die Regierungsepoche ChrihiansIV. (1588—
1648) ausgenommen, die im Gebiete der Architektur manches interehante, ganz
unter dem perfönlichen Einhufs diefes Fürften enthandene Werk aufzuweifen
hat, gab es in Dänemark keine irgend nennenswerthe Kunhthätigkeit; niemals
war das Land Schauplatz einer eigenartigen künhlerifchen Entwicklung gewefen,
eine allgemeinere Kunftphege begann erh feit der Zeit jener fpäten franzöhfchen
Einwanderer, die Betheiligung einheimifcher Kräfte eigentlich erh gegen das
Ende des vorigen Jahrhunderts, in der Blüthezeit des akademifchen Zopfthums.
Man fing hier in der That mit dem an, womit die Kunh anderwärts aufhörte.
Unter den Profefforen der Kopenhagener Akademie war einer der ange-
fehenften der Maler Abildgaard, damals ein fo berühmter Mann, dafs ihm der
Erbprinz, fpäter Chrihian VIII., als Protektor der Kunhfchule felbft die Grabrede
hielt. An ihm, der hauptfächlich Carhens' Oppohtion erregt hatte, fand Thor-
waldfen feinen erhen Gönner. Nach dem Willen des Vaters follte er, wie es
fcheint, gleich nach feiner Conhrmation, die Akademie verlaffen, um hch aus-
fchliefslich dem Handwerk zu widmen. Abildgaard trat diefem Anhnnen mit
Entfchiedenheit entgegen, er verhalf feinem Schützling zur regelrechten Fort-
fetzung des akademifchen Studiums und forgte für ihn auch fpäter in rühmlicher
Weife. An dem väterlichen Gefchäft, das nun etwas beffer in Gang kam und
hch einigermafsen erweiterte, nahm Bertel, wie bisher, redlichen Antheil; noch
jetzt zeigt man in dem Gemach des Thorwaldfen-Mufeums, wo die Möbel des
Künstlers aufbewahrt find, ein hölzernes Uhrgehäufe, welches er damals als Ge-
hilfe des Vaters gefchnitzt. Das königliche Wappen über dem Eingänge zur
Hofapotheke und fpäter auch Arbeiten mehr künftlerifcher Art, wie die Beinernen
Löwen auf dem Rundplatz vor dem Friedrichsberger Garten führte er mit dem
Vater gemeinfchaftlich aus; nach der Aeufserung eines Handwerksgenolfen wurde
nun erh aus dem Alten etwas. An künhlerifchen Rathfchlägen liefs es Abild-
gaard, der den Manierismus der Zeit mit virtuofer Gefchicklichkeit und als echter
Profeffor des 18. Jahrhunderts repräfentirte, gleichfalls nicht fehlen; Thorwaldfen
modellirte gewiffenhaft nach feinen Entwürfen; und die erhen felbhändigen Ver-
fuche des willigen Schülers, zwei Reliefs: eine Caritas und der ruhende Amor,
mit dem er feine zweite Prämie gewann, zeigen in der künhlichen Politur der
Gehalten, wie er bemüht war, hch die akademifche Grazie des Meihers zu eigen
zu machen.
Unter den Bildhauern Kopenhagens war Johann Wiedewelt der einzige von
Bedeutung. Als Stipendiat der Akademie hatte er längere Zeit in Paris unter
der Leitung Guillaume Couhou's d. J. gearbeitet; dann war er in Rom zu
Winckelmann in freundfchaftliche Beziehungen getreten und hatte fpäter, nach
feiner Rückkehr nach Kopenhagen einen lebhaften Briefwechfel mit ihm unter-
halten. Winckelmann hegte grofse Erwartungen von dem Talent des jungen
Freundes, er hoffte feine kunhreformatorifchen Ideen durch ihn verwirklicht zu
 
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