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JOHANN GOTTFRIED SCHADOW. 1788—1824.
Von einer kleinen Reife nach Hamburg und Lübeck 1823 flammt eine Reihe
Studien-Zeichnungen, welche Senatoren in Amtstracht, Frauen und Volkstypen
darftellen. So mufste 1833 Grethe Susemihl in Warnemünde als Charakterkopf
und wegen der kleidsamen Nationaltracht zum Porträtiren fitzen. Als Schadow's
Sohn Wilhelm 1826 als Direktor der Akademie nach Düffeldorf berufen war,
hei es dem Vater am Tage der Abreife, den 1. November ein, die wegziehende
Famiiie im Bilde bei hch zu behalten. Zwifchen 8 und 9 Uhr Morgens porträ-
tirte er den Sohn nebft Frau und zwei Kindern in fauberfter Bleiftiftzcichnung,
weifs gehöhet und mit leichter Anwendung von Röthel auf Lippen, Wangen und
in den Augenecken. Man begreift nicht, wie in fo kurzer Zeit auch nur diele
technifche Bewältigung der Aufgabe möglich war. Die Bilder find im Belitz der
Frau Eugenie Schadow.
Mit der Bezeichnung des Jahres 1832 findet hch eine grofse Kopie nach
Wilhelm Schadow's Gemälde der heben klugen und heben thörichten Jungfrauen;
und endlich hnden wir eine Anzahl fchöner Gewand-Figuren mit der Unterfchrift:
1836. G. Schadow in doloribus fecit.
Dies die datirten Arbeiten Schadow'fcher Zeichenkunh. Daneben flehen un-
gezählt die nicht datirten: Porträtköpfe, theils in feinfter Blei-Zeichnung reif zum
Stich, theils in dicken Strichen und gewifcht, aber alle charakteriftifch; oft koloffal,
oft lebensgrofs oder ganz klein; ebenfo ganze Porträthguren, von allen Seiten,
felbft von hinten, aber auch diele fo charakterihrt, dafs die treffende Aehnlich-
keit nicht einen Augenblick zu bezweifeln ift. Die Händel-Schütz, die Unger
hnd fehr oft gezeichnet. Dann offenbar karrikirte Köpfe und ganze Perfonen; fo
auf einem einzigen fchmalen Papierftreifen fünfunddreifsig Köpfe mit gefteigertem
phyhognomifchen Ausdruck, ferner Karrikaturen auf Napoleon nach feiner Nieder-
lage, fodann eine ganze Anzahl Ballethguren in der Tanzbewegung erfafst. Zer-
ftreut in den Mappen hnd gröfsere Kompohtionen: eine Darftellung des Todes
des Sokrates ; dazu viele Einzelftudien, auch Gewandhguren; Herkules mit dem
Löwen ; eine grosse Röthel-Zeichnung, die den Pan-Kultus zum Gegenftande hat;
das Urtheil Salomons, antike Bildhauerwerkstätte, Diana und Aktäon, Reliefent-
wurf: die klugen und thörichten Jungfrauen darftellend, vor allem eine Mähe
gezeichneter oder aquarellirter Entwürfe zu plaftifchen Grabdenkmälern mit ver-
zopfter Architektur; endlich Gewand-, Arm-, Hand-, Beinftudien, Gruppen, nackt
und bekleidet; Studien nach dem Nackten, vielfach offenbar für den fpäter zu
erwähnenden Schadow'fchen nPolyclet" und auf mehr als 20 Bogen über 30
Thier-Studien: Pferde, Kühe, Hunde in allen Gröfsen und Stellungen, auch in
einzelnen Gliedmafsen.
Das durchfchlagendfte Gemeinfame aller diefer Arbeiten ift die frappante
Charakteriftik, felbft mit den geringften Mitteln und auch da, wo es hch um
fchnellfte Erfaffung eines bewegten Momentes handelt, bei ausgeführterer Behand-
lung die Korrektheit und die Sauberkeit.
Bei den Hundeftudien ift das Windfpiel bevorzugt. Man heht, dafs dies in
Rückhcht auf die Bronzeftatue gefchah: Friedrich II. mit zwei Windfpielen in
Sansfouci, welche Schadow 1816, angeregt durch den Behtz einer vollftändigen
Uniform des Königs, in halber Lebensgröfse modellirte. — Mit Recht nannte
JOHANN GOTTFRIED SCHADOW. 1788—1824.
Von einer kleinen Reife nach Hamburg und Lübeck 1823 flammt eine Reihe
Studien-Zeichnungen, welche Senatoren in Amtstracht, Frauen und Volkstypen
darftellen. So mufste 1833 Grethe Susemihl in Warnemünde als Charakterkopf
und wegen der kleidsamen Nationaltracht zum Porträtiren fitzen. Als Schadow's
Sohn Wilhelm 1826 als Direktor der Akademie nach Düffeldorf berufen war,
hei es dem Vater am Tage der Abreife, den 1. November ein, die wegziehende
Famiiie im Bilde bei hch zu behalten. Zwifchen 8 und 9 Uhr Morgens porträ-
tirte er den Sohn nebft Frau und zwei Kindern in fauberfter Bleiftiftzcichnung,
weifs gehöhet und mit leichter Anwendung von Röthel auf Lippen, Wangen und
in den Augenecken. Man begreift nicht, wie in fo kurzer Zeit auch nur diele
technifche Bewältigung der Aufgabe möglich war. Die Bilder find im Belitz der
Frau Eugenie Schadow.
Mit der Bezeichnung des Jahres 1832 findet hch eine grofse Kopie nach
Wilhelm Schadow's Gemälde der heben klugen und heben thörichten Jungfrauen;
und endlich hnden wir eine Anzahl fchöner Gewand-Figuren mit der Unterfchrift:
1836. G. Schadow in doloribus fecit.
Dies die datirten Arbeiten Schadow'fcher Zeichenkunh. Daneben flehen un-
gezählt die nicht datirten: Porträtköpfe, theils in feinfter Blei-Zeichnung reif zum
Stich, theils in dicken Strichen und gewifcht, aber alle charakteriftifch; oft koloffal,
oft lebensgrofs oder ganz klein; ebenfo ganze Porträthguren, von allen Seiten,
felbft von hinten, aber auch diele fo charakterihrt, dafs die treffende Aehnlich-
keit nicht einen Augenblick zu bezweifeln ift. Die Händel-Schütz, die Unger
hnd fehr oft gezeichnet. Dann offenbar karrikirte Köpfe und ganze Perfonen; fo
auf einem einzigen fchmalen Papierftreifen fünfunddreifsig Köpfe mit gefteigertem
phyhognomifchen Ausdruck, ferner Karrikaturen auf Napoleon nach feiner Nieder-
lage, fodann eine ganze Anzahl Ballethguren in der Tanzbewegung erfafst. Zer-
ftreut in den Mappen hnd gröfsere Kompohtionen: eine Darftellung des Todes
des Sokrates ; dazu viele Einzelftudien, auch Gewandhguren; Herkules mit dem
Löwen ; eine grosse Röthel-Zeichnung, die den Pan-Kultus zum Gegenftande hat;
das Urtheil Salomons, antike Bildhauerwerkstätte, Diana und Aktäon, Reliefent-
wurf: die klugen und thörichten Jungfrauen darftellend, vor allem eine Mähe
gezeichneter oder aquarellirter Entwürfe zu plaftifchen Grabdenkmälern mit ver-
zopfter Architektur; endlich Gewand-, Arm-, Hand-, Beinftudien, Gruppen, nackt
und bekleidet; Studien nach dem Nackten, vielfach offenbar für den fpäter zu
erwähnenden Schadow'fchen nPolyclet" und auf mehr als 20 Bogen über 30
Thier-Studien: Pferde, Kühe, Hunde in allen Gröfsen und Stellungen, auch in
einzelnen Gliedmafsen.
Das durchfchlagendfte Gemeinfame aller diefer Arbeiten ift die frappante
Charakteriftik, felbft mit den geringften Mitteln und auch da, wo es hch um
fchnellfte Erfaffung eines bewegten Momentes handelt, bei ausgeführterer Behand-
lung die Korrektheit und die Sauberkeit.
Bei den Hundeftudien ift das Windfpiel bevorzugt. Man heht, dafs dies in
Rückhcht auf die Bronzeftatue gefchah: Friedrich II. mit zwei Windfpielen in
Sansfouci, welche Schadow 1816, angeregt durch den Behtz einer vollftändigen
Uniform des Königs, in halber Lebensgröfse modellirte. — Mit Recht nannte