Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

DOI article:
Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0164
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
58

CHRISTIAN DANIEL RAUCH. 1804 — 1830.

Ueberfendung derfelben die äRhetifche Rechtfertigung feines abfolut idealen Stand-
punktes unter Bezugnahme auf Schlüter's grofsen Kurfürften unternimmt^) Rauch,
zwifchen Schadow und Schinkel flehend, ging davon aus, dafs das wirklich
getragene Kleid für die Darflellung zu verwenden fei, um fowohl den Mann als
auch feine Zeit zu charakterihren, dafs aber die Art, wie er es anlegt, zur Be-
tonung deijenigen idealen Bedeutfamkeit der Perfon beitragen müffe, um welcher
willen ihr ein Standbild gefetzt wird. Es ift fehr bezeichnend: Schadow kann
feine realiRifch gefchaffenen Statuen gar nicht ohne die ihnen zukommende Kopf-
bedeckung denken; Rauch verwirft prinzipiell jede Kopfbedeckung, fobaldRedie
Ausprägung der Stirn beeinträchtigt und das Auge befchatten kann. Francke
hat er die nicht hindernde Kappe zugeflanden, aber nur mit äufserflem Wider-
Rreben hat er lieh dem pohtiven Befehl gefügt, Friedrich dem Grofsen fpäter in
deffen Denkmal den Hut aufzufetzen, den wir doch um alles nicht miffen möchten.
Endlich am Standbilde Kant's für Königsberg hat er fein äufserftes freiwilliges
Zugeftändnifs gemacht, indem er dem Philofophen, der in zeitüblicher Kleidung
dafleht, den Hut wenigRens in die Hand giebt. Dafs er das Zeitkoftüm auch
nicht militärifchen Standbildern zuerkannte, bezeugt diefes und weiterhin zu nennende
Beifpiele. Nur für eine einzige Kategorie verweigerte Rauch es wiederum grund-
fätzlich. Die Poehe galt ihm in dem Mafse für die abfolut ideale Kunft, dafs
die monumentale Darflellung ihres Prieflers, des Dichters, in keinem Punkte an
das Reale erinnern durfte. Es war ihm deshalb unmöglich, Goethe für das Stand-
bild in Frankfurt anders als in idealer Tracht zu komponiren und noch dreifsig
Jahre fpäter fcheitert der ihm zugedachte Auftrag auf das Doppelftandbild von
Schiller und Goethe an feiner Weigerung, ihnen das Zeitkoftüm anzuziehen. Ganz
etwas anderes war ihm die nicht monumentale Darflellung des Dichters in
Statuettengröfse. Hier hielt er wiederum das realiftifche KoRüm für das einzig
angemeflene, wie er in jener bekannten Statuette Goethe's im Hausrock darlegte.
Er fchuf damit jenen Goethe, mit welchem untere VorRellung von der äufseren
Erfcheinung des Dichters in feinem hohen Lebensalter feitdem aufs engRe ver-
wachfen iR.
Schon bei der erRen Begegnung mit dem Dichter, 1820, hatte Rauch die
BüRe Goethe's gemacht, welche noch jetzt neben der Trippel'fchen mafsgebend iR
für alle plaRifchen Goethe-DarRellungen. Zu den fonRigen BüRen des Jahrzehnts
von 1820 —1830 gehören noch die des KunRgenoffen Schadow, fowie Rauch's
SelbRporträt und das feiner Tochter Agnes, Schleiermacher's und einer grofsen
Zahl aus den Familien der regierenden Häufer von Preufsen und Rufsland. In
der Behandlung diefer BüRenarbeiten iR eine Entwickelung dahin wahrzunehmen,
dafs Rauch immer mehr darin fortfehritt, die Fixirung eines momentanen Aus-
drucks mit einer allgemeinen CharakteriRik zu vertaufchen, indem auch Rark
betonte Kopfwendungen immer mehr in Wegfall kommen zu GunRen der nun-
mehr bevorzugten StirnanRcht.
Von Rauch's gleichzeitigen Werken idealen Stils in runder PlaRik iR das
bedeutendRe das Marmorfitzbild der Adelheid von Humboldt als Pfyche, eine
Hauptzierde nicht blofs des Schloffes zu Tegel, fondern auch der idealen PlaRik
jener Zeit überhaupt. Der Oberkörper iR unbekleidet. Leicht geneigten Hauptes
 
Annotationen