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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0165
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ARBEITEN DES IDEALEN STILS.

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mit holdfeligem Ausdruck fpielt fie hnnend mit einem Schmetterling. Aufserdem
modellirte Rauch für die Chorfchranken des Berliner Doms den Apoftel Thaddäus,
durch welchen der am wenigften gelungene von den zwölf Apofleln Peter Vifcher's
erfetzt worden ifl. Den Taufflein des Domes in Marmor mit den vier Evangeliflen
reihen wir des gleichen Charakters wegen an, obwohl die Figuren nicht rund,
fondern in ftarkem Hochrelief gebildet find. Rund ifl eine antik gewandete weib-
liche Figur, mit aufwärts gerichtetem Blick betend an eine Ara gelehnt, welche
für das Grabmal der Gräfin von der Schulenburg modellirt ward. Aufserdem
liegen nur noch Skizzen vor, z. B. für den dekorativen Schmuck des Berliner
Schaufpielhaufes, darunter ein Apoll in der Biga, ferner eine Danaide als Gegen-
flück zu einer antiken, Hero und Leander für das Schlofs des Kurfürflen von
Heden, ein Löwenkämpfer für die Treppenwange des Mufeums u. f. w. Dabei
mag der vortrefflichen Leitungen Rauch's in der Thierplaflik gedacht fein: des
Löwen für Scharnhorft's Grabmal, der ruhenden Hirfche für den Grofsherzog von
Mecklenburg-Strelitz, des Adlers mit dem Blitz. Jene Werke der idealen Plaflik
aber flehen denjenigen Schadow's in gleicher Weife gegenüber, wie die Werke
hiflorifchen Stils, indem bei Schadow die getreue Nachahmung der fchönen Natur
in den Vordergrund tritt, auch lediglich beabhchtigt ifl, während Rauch überall
die fchöne Natur nur als Trägerin eines gedanklichen Inhalts verwendete, wie hch
noch klarer ergeben wird, wenn wir die Hauptperiode feines idealen Schaffens
betreten.
Nun aber bleibt noch eine befondere Gattung bildnerifcher Darflellung zur
spezielleren Betrachtung und Vergleichung mit Schadow's Werken übrig: Rauch's
Arbeiten in der Reliefplaftik. Unter Schadow's Leitung hat Rauch fein erftes
Relief gemacht, die S. 1$ erwähnte Ausführung der Schadow'fchen Skizze für
die Pepiniere. Wir erinnern uns des dort mitgetheilten auszeichnenden Urtheils,
welches der Meifler über den Schüler fällte, können aber nicht unterfchreiben,
dafs Rauch hch damals weinen vorzüglichen Grad von Gefchicküchkeit insbefondere
in Behandlung des Reliefs" erworben hatte. Wenige Jahre fpäter würde Rauch
felbh an diefer Arbeit hcher diefelbe Kritik geübt haben, welche er am erflen
unter feiner Aufhcht entftehenden Relief Rietfchel's vornahm : er fah drei Tage
lang der Reliefbehandlung eines Paulus ftillfchweigend zu, nahm dann einen Draht
und fchnitt faft die Hälfte von der Höhe der Figur herunter, die dem verblüfften
Schüler zu Füfsen hei; — «wie kann man nur eine fo infame Klempnerarbeit
machen!" — fagte er — «nur fo hoch darf es fein." Ifl in der Ausführung
jenes Reliefs für die Pepiniere immerhin ein gewiffenhaftes Studium des Nackten
fowohl als auch der Gewandlegung unverkennbar, fo zeigt hch die Schülerarbeit
doch in einer befangenen Gebundenheit der Bewegungen und der häuhg outrirten
Charakterihik des Ausdrucks: wir glauben als eine Folge eben des zu gewiffen-
haften Studiums, indem hch die Ermüdung der Modelle hchtlich darin wieder-
fpiegelt. Vor allem aber ifl die ftiliftifche Behandlung des Reliefs nach Rauch's
eigener Cenfurerhndung eine «Klempnerarbeit" : Flach- und Hochrelief letzteres
foweit, dafs einzelne Figuren fall rund aus der Fläche hervortreten. Schadow's
vortreffliche Skizze vom Jahre 18oß ifl glücklicherweife in einem Metallabgufs
erhalten, welcher das Kenotaphium des General-Chirurgen Görcke im Garten des
 
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