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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Asmus Jakob Carstens: geb. bei Schleswig den 10. Mai 1754, gest. in Rom den 25. Mai 1798
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0282
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ASMUS JAKOB CARSTENS.

Man darf behaupten, auch dem eminenteren Talent, der gröfsten Begabung hätte
dies verfagt bleiben mühen.
Mit dem ganzen Stolz des Idealihen verachtete er von Anlang an alles Mecha-
nifche in der Kunh, und der Kunhunterricht an der Kopenhagener Akademie wollte
ihm nicht viel belfer erfcheinen als eine mechanifche Abrichtung. "Bald nach meiner
Ankunft in Kopenhagen", fagter imAnfchlufs an den mitgetheilten Bericht, "ging ich
auch einigemal auf die Kunhakademie und fah, wie dort in den verfchiedenen
Klaffen nach Köpfen, Händen und Füfsen, nach Modellzeichnungen, Gipfen und
endlich nach der lebendigen Natur gezeichnet wurde; aber es wollte mir nicht
in den Sinn, auf diefe zerhückelte Art zu hudiren." Während der zwei erften
Winter in Kopenhagen hörte er die Vorlefungen des Profeffor Weidenhaupt über
Anatomie, im Uebrigen blieb fein Studium fah auslchliefslich auf jene eindringliche
Betrachtung der Antiken und ihre Reproduktion aus dem Gedächtnifs befchränkt,
durch die er hoffte, ihre Formenfprache hch geihig lebendig zu eigen zu
machen und leiner "Vorhellungskraft die Uebung und Fertigkeit zu erwerben, die
andere Künhler durch vieles Nachzeichnen blofs in Hand und Auge bringen."
Er verfchmähte jeden eigentlichen Unterricht; feine "einfame und mühfelige Art
zu hudiren und gleichfam alles felbh zu entdecken, brachte ihn", wie er felbh
bekannte, „zwar fehr langfam weiter", aber die Schwierigkeiten, die er zu be-
kämpfen hatte, befeuerten feinen Eifer, und der Gedanke, "he aus eigner Kraft
bekegen zu können und feine Kunh keinem Lehrer fchuldig zu fein, fchmeichelte
feinem Ehrgeiz." Dazu kam, dafs Carhens, der fchon 22 Jahre zählte, als er
nach Kopenhagen gelangte, auch feines Alters wegen, eine Art von Scheu empfand,
die Akademie zu befuchen, wo er feine Studien in den unterhen Klaffen, "neben
kleinen Jungen" hätte anfangen müffen.
Die Ungunh der äufseren perfönlichen Verhältnihe hatte ihn auf den Weg
.des Autodidakten gedrängt, aber zugleich auch fein kühner Idealismus und die
Geringfehätzung des herrlchenden Kunhtreibens. Die nüchterne Schulmethode,
das trockene Studium der Kunhgrammatik widerhrebte feiner Begeiherung; fo
ging er felbhändig feinen Weg, einen gefahrvollen Weg, und Niemand wird be-
haupten, dafs ihm gelungen fei, die Gefahren desfelben völlig zu überwinden.
Es lag von Anfang an etwas Tragifches in Carhens' Gefchick. Sein erhes
Auftreten, der erhe Beginn leiner ktinhlerifchen Arbeit bedeutete nichts anderes,
als einen völligen Bruch mit der künhlerifchen Tradition. War ein neuer
Auffchwung der Kunh auf anderem Wege möglich ? Es fcheint, die Los-
fagung vom Herkömmlichen war eine gefchichtliche Nothwendigkeit. Und doch
war der unfehätzbare Gewinn, zu welchem he führte, mit einem fehr empfind-
lichen Verluh verknüpft. So geihesarm die Kunh geworden, im Technifchen war
he noch keineswegs überall verkommen, he hand in diefer Beziehung noch im
Zufammenhang mit den Errungenfchaften der früheren glänzenden Kunhepochen.
Manches Gemälde der Zopfzeit, fo gering feine geihige Bedeutung ih, hat doch
noch einen gewihen Reiz in der Farbe. An der Kopenhagener Akademie fehlte
es nicht an Lehrern, die im Handwerklichen der Kunh nicht unerfahren waren,
Prof. Abildgaard, der damals nicht geringen Ruf befals, war ein Mann, der mit
Pinfel und Palette trefflich Befcheid wufste. — Mit dem Erwachen des revolutionären
 
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