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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Valentin, Veit: Cornelius, Overbeck, Schnorr, Veit, Führich, 2, Blüthezeit in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0432
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JULIUS SCHNORR VON CAROLSFELD.

des unabwendbaren Gefchickes der grimme Hagen, und deffen, hier wenigstens,
elegifch gestimmter Bruder Dankwart träumt vor Sich hin; und endlich treten
neben die greife Ute die beiden jüngeren Söhne^Abfchied nehmend: he ahnt das
Unheil und erfafst warnend den jüngften, den Liebling, als wollte he ihn nicht von
hch Iahen, während er in die Ferne deutet, wohin die Pflicht ihn ruft; Gernot
aber hnnt in hch verfenkt der Warnung nach. Zu diefer Ouvertüre fügt der
Künftler an der durch ein Tonnengewölbe gebildeten Decke in vier Schmalen
langgeftreckten Feldern vier reiche Darstellungen hinzu, in welchen er mit Sicherem
Griffe vier Höhepunkte der Handlung erfafste: he deuten gleichfam das Ziel an,
das, wenn diefe Charaktere zu handeln beginnen, unabwendbar erreicht werden
mufs. Der Hochzeit der beiden Königspaare, wobei feltfamer Weife beide Könige
die Frauen an der linken Hand zur Kirche führen, Steht der Leichenzug gegen-
über, welcher den erfchlagenen Siegfried in düftrer Nacht bei Fackellicht nach
Haufe geleitet(S. 133). Der dieHunnen in leidenschaftlichem Rachegefühl zumKampf
mit den in der brennenden Halle hch mühfam verteidigenden Burgunden herbei-
führenden Chriemhilde tritt, nur von Dietrich und Hildebrand umgeben, der ver-
einfamte König Etzel gegenüber, die Hände klagend erhebend: auf der einen
Seite wird Hägens Leichnam und der vom Rumpfe getrennte Kopf gleich-
fam als Sühne herbeigetragen, während andererseits Frauen das von Hagen er-
fchlagene Kind Etzels und Chriemhildens zu feiner gleichfalls erfchlagenen Mutter
jammernd betten. Uns Scheint, dafs gerade in diefen kleinen Bildern die leiden-
schaftliche Wucht der Dichtung am ergreifendsten zum Ausdruck gekommen ift:
in den grofsen Bildern reicht des Künftlers Kraft, die höchst gefchickt und
wirkungsvoll komponirten Scenen mit feelifchem Leben zu durchtränken, nicht
in gleichem Maafse hin, wie hier. Um ein Bild zu Schaffen, dazu genügt eben
nicht die Stilvolle Komposition, die Schnorr meisterhaft verfteht, wenn auch nicht
zu verkennen ift, dafs er Sich allzu gleichmäfsig an ein einförmiges Schema hält
und ihm den Gegenstand unterordnet Statt das Prinzip der Komposition dem
jedesmaligen Charakter des Gegenstandes zu entnehmen. Zum Bilde gehört
auch ein entsprechendes geistiges und feelifches Leben, deffen Energie mit dem
MaafsStab des Bildes wachfen mufs, wenn die den Raum glücklich erfüllenden
Perfonen nicht ihrerfeits leer erfcheinen Sollen. Es iSt daher begreihich, dafs
Schnorrs Kompositionen da, wo Sie ihren Charakter als Illustrationen behaupten
können, weit ergreifender wirken als hier, wo Sie eine Selbständige Bedeutung für
Sich in Anfpruch nehmen, wie dies Aufgabe des Bildes iSt, während die Illustra-
tion ebenfo zur Erläuterung des Textes dient, wie der Sie begleitende Text auf
ihr VerStändnifs zurückwirkt. (Ueber das Verhältnifs von Bild und Illustration
vgl. meinen Auffatz ^Lebende Bildern in den Grenzboten 1880 S. 187 ff). Schnorr
hat die Motive der Königsbaubilder meilt noch einmal für die Cotta'fche Aus-
gabe des Nibelungenliedes in Pfizers Bearbeitung 1843 verwerthet, für welche er
in Verbindung mit Neureuther die Zeichnungen für die Holzfchnitte gefchaffen
hat. Nicht nur erfcheinen hier die Bilder losgelöft von dem Zwange des ge-
gebenen Raumes und in Folge davon vielfach umgeftaltet und verbeffert: Sie er-
füllen auch in Verbindung mit dem Texte ihre AuSgabe vortrefflich, dem gegen-
über Sie nicht nur ein Führer für die bildliche Vorstellung der Perfonen und der
 
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