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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Valentin, Veit: Cornelius, Overbeck, Schnorr, Veit, Führich, 3, Kampf und Ausgang
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https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0020
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IO

CORNELIUS.

«Mit fchwerem Kummer habe ich den Gedanken an diefes Epos der Malerei
aufgegeben, jenem Schmerz der verlorenen, erden Liebe nicht unähnlich.9
(Förder II, S. 1$.) Es wäre von höchdem Interede, wenn lieh der Ichriftliche
Vorfchlag von Cornelius erhalten hätte. Er lielse uns einen äulserd werthvollen
Einblick in das allmähliche Reifen diefes fein Leben erfüllenden Planes thun und
das Verhältnis genauer erkennen, in welchem diefer ältere Plan zu der für Berlin
gefchaffenen fpäteren Verkörperung des grolsen Weltgedichtes deht. So aber
dnd wir hierfür auf die Ausführung in der Ludwigskirche felbd angewiefen.
Der Grundcharakter diefes eingelchränkten Planes lälst dch wohl am
tredendden dahin bedimmen, dals er uns in erhabenen Abbreviaturen die Haupt-
momente des Weltprozedes nach chridlicher Auffaffungsweife vorführt, es aber
unterer Phantade überlälst, alle die wichtigen Zwilchenglieder, belonders aber
die lebendige Beziehung auf die dch unabläldg erneuende Menfchheit und in ihr
auf uns felbd zu ergänzen. Das Werk id darin dem Volksliede nicht unähnlich,
das, foweit es epifch id, denlelben Charakter der Abbreviatur an dch trägt.
Und wie jenes, wendet dch auch diefes Werk zum Volke, um zu diefem in einer
Allen verdändlichen Sprache zu reden, ihm eine Lehre, eine Auffadung mit-
zutheilen, wie de gerade diefer Meider aus der heiligen Gefchichte und ihrer
Beziehung zur Weltentwicklung gewonnen hat. So dellt dch das Werk von
vornherein auf den Standpunkt jener ernden Schöpfungen des vierzehnten und
fünfzehnten Jahrhunderts, welche diesfeits und jenfeits der Alpen die heilige
Gefchichte noch nicht zum Vorwand gebrauchten, um das kündlerifche Vermögen
ihrer Schöpfer aufzuweifen, fondern welche unter enthaltfamer Zurückfchiebung
des eigenen Wefens die in dem Boden der heiligen Gefchichte verborgenen
Quellen hervorzulocken dichten, damit de den Seelen eine ködliche Labe würden,
nach deren Genuls de keinen Durd nach anderem Wader empfänden. Aber
gerade in der Fedhaltung und Betonung diefes Standpunktes liegt zugleich der
Grund, weshalb der moderne Meider nicht fo wirken kann, wie es jene Alten
vermochten. Ihnen dand als natürlicher und zugleich der Sache und dem Zweck
entfprechender Ausdruck eine Herbigkeit der Form zur Verfügung, welche auch
zu uns noch lympathilch redet, weil de ungefucht und felbdverdändlich id. Der
moderne Meider kann die inzwifchen eingetretene Formentwicklung eben fo
wenig ableugnen und unterdrücken, wie das felbdverdändliche Bedreben, zugleich
als Kündler nicht nur zu Ichaffen, fondern auch darauf hinzuwirken, dals fein
kündlerilches Schaden als lölches empfunden werde, dals es im Einklang mit
unterer Art, Kundwerke zu betrachten, auch auf unler Gefallen wirke: der moderne
Kündler kann nicht mehr ausfchlicfslich religiös wirken, er muls auch ädhetifch
wirken. Soweit es dch dabei um Dardellung hidorilcher oder als hidorifch
geltender Thatfachen handelt, werden die beiden Richtungen wohl neben einander
bedehen können. Sobald aber die hidorilche Thatfache den Anlpruch auf
Wiedergabe eines realidifch gedachten Vorganges aufgiebt und den Anfpruch
erhebt, als Symbol einer weit über das Einzelereignils hinausgehenden Bedeutung
für die Gefammtentwicklung der Welt zu gelten, wenn allb, datt dem Einzelnen
es zu überladen, dch mit der Geltung lelbd auseinander zu letzen, welche das
realidifch dargedellte Einzelereignils für das Heil feiner Seele haben foll, der
 
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