SEIN LEBEN.
ITALIEN. ROM.
7
Ideen der Encyklopädiften, die Begeiferung für die Freiheitskämpfe Amerika's
die erwachenden Hoffnungen des Volkes beim Heraufdämmern der Revolution
knüpften zwifchen ihnen ein inniges Band, und daneben erfüllte eine fülle Schwärmerei
für die liebliche Schwefter des Freundes das Herz des Malers, der empfänglich,
liebebedürftig und fchwach genug war, eine Zeit lang hch felbft und feine Um-
gebung über die Feffeln zu täufchen, die ihn an die Heimath ketteten.
Endlich reifst er hch los, um in Dijon um den römifchen Preis der Stände von
Burgund zu konkurriren ; aber fchon auf der Reife klagt er in Briefen voll über-
ftrömender, faft weiblicher Empfindung über den Verluft feines Glückes. Am
Ende des Jahres i/8ß finden wir ihn wieder bei feinem Lehrer Devosge, verftimmt
über die immer neue Verzögerung der Konkurrenz, traurig und muthlos über die
Trennung von den Parifer Freunden, fafl verzweifelnd an der eigenen Kraft und
Zukunft. Schliefslich, im Sommer 1784, kam die entfeheidende Klaufur, bei der von
nur einem Mitbewerber die Rede ift, über den er felbft fchreibt, fein Talent fei
nicht zu fürchten. Ueber die Preisaufgabe wiffen wir nichts, ftatt deffen aber
eine Gefchichte, die den liebenswürdigen Menfchen in feiner ganzen felbftlofen
Herzensgüte erfcheinen läfst. Während der Arbeit hört er in der anftofsenden
Zelle die Seufzer des Rivalen, dem die Kräfte vertagen. Prudhon löft ein Brett
der trennenden Wand heraus, läfst fein eigenes Gemälde im Stich und eilt dem
Genoffen zu Hülfe. Ohne daran zu denken, dafs er hch felber fchadet, thut er
fein Beftes, und diefer Leiftung wird der Preis zuerkannt. Der Sieger war indefs
aufrichtig genug, zu geliehen, wem er den unerwarteten Erfolg verdankte, und die
Stände verbefferten den fchnell erklärten Irrthum. Prudhon erhält die römifche
Penhon, und feine Kameraden tragen ihn, voll Bewunderung für feine That, im
Triumph durch die ganze Stadt Dijon.
Aber fo nah am Ziele der Sehnfucht, mufs er noch einmal alles Bangen
der vieljährigen Erwartung durchkoflen; Natur und Menfchen fcheinen hch gegen
ihn verfchworen zu haben. Endlofe Schwierigkeiten und Abenteuer verzögern
die Fahrt: fchon am 5. November harrt er feiner Abreife im Halen von Mar-
feille, und erh im Januar 1785 erblickt er die ewige Stadt und betritt den ge-
heiligten Boden der neuen Kunft.
In Rom jedoch ftört ihm die eigene Stimmung den Vollgenufs des Aufent-
haltes. Sein weiches Gemüth fühlt hch unglücklich am fremden Ort und entbehrt
in der ernhen Majehät diefer Umgebung fchmerzlich die befreundeten Seelen, mit
denen er feine Eindrücke auszutaufchen liebte. ((Wenn mein Geilt hch freut,
ift doch mein Herz entfernt von Zufriedenheit. Alles hier ift nichtig für mich, und
ich beifse heimlich in den Zaum der Melancholie, ohne auch nur zu verfuchen,
meine Traurigkeit zu zerftreuen.o Die Mehrzahl der Künftler, die er antraf, er-
regten feinen Unwillen durch anmafsende Urtheile über die gröfsten Meifter der
Vergangenheit; und gerade die unleidliche Schwatzhaftigkeit feiner Landsleute
widerte ihn an. So lebte er einfam und zurückgezogen, feinen Studien und
Rehexionen hingegeben. Natürlich begann auch er, der Zeitrichtung folgend,
mit Zeichnungen nach der Antike ; aber er fah he mit völlig anderen Augen an
als Mengs und feine Anhänger, als Jacques-Louis David und feine Schüler. Bald
entzückten ihn Ralfaels Meifterwerke, vor allem ((die wundervollen Teppiche,
ITALIEN. ROM.
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Ideen der Encyklopädiften, die Begeiferung für die Freiheitskämpfe Amerika's
die erwachenden Hoffnungen des Volkes beim Heraufdämmern der Revolution
knüpften zwifchen ihnen ein inniges Band, und daneben erfüllte eine fülle Schwärmerei
für die liebliche Schwefter des Freundes das Herz des Malers, der empfänglich,
liebebedürftig und fchwach genug war, eine Zeit lang hch felbft und feine Um-
gebung über die Feffeln zu täufchen, die ihn an die Heimath ketteten.
Endlich reifst er hch los, um in Dijon um den römifchen Preis der Stände von
Burgund zu konkurriren ; aber fchon auf der Reife klagt er in Briefen voll über-
ftrömender, faft weiblicher Empfindung über den Verluft feines Glückes. Am
Ende des Jahres i/8ß finden wir ihn wieder bei feinem Lehrer Devosge, verftimmt
über die immer neue Verzögerung der Konkurrenz, traurig und muthlos über die
Trennung von den Parifer Freunden, fafl verzweifelnd an der eigenen Kraft und
Zukunft. Schliefslich, im Sommer 1784, kam die entfeheidende Klaufur, bei der von
nur einem Mitbewerber die Rede ift, über den er felbft fchreibt, fein Talent fei
nicht zu fürchten. Ueber die Preisaufgabe wiffen wir nichts, ftatt deffen aber
eine Gefchichte, die den liebenswürdigen Menfchen in feiner ganzen felbftlofen
Herzensgüte erfcheinen läfst. Während der Arbeit hört er in der anftofsenden
Zelle die Seufzer des Rivalen, dem die Kräfte vertagen. Prudhon löft ein Brett
der trennenden Wand heraus, läfst fein eigenes Gemälde im Stich und eilt dem
Genoffen zu Hülfe. Ohne daran zu denken, dafs er hch felber fchadet, thut er
fein Beftes, und diefer Leiftung wird der Preis zuerkannt. Der Sieger war indefs
aufrichtig genug, zu geliehen, wem er den unerwarteten Erfolg verdankte, und die
Stände verbefferten den fchnell erklärten Irrthum. Prudhon erhält die römifche
Penhon, und feine Kameraden tragen ihn, voll Bewunderung für feine That, im
Triumph durch die ganze Stadt Dijon.
Aber fo nah am Ziele der Sehnfucht, mufs er noch einmal alles Bangen
der vieljährigen Erwartung durchkoflen; Natur und Menfchen fcheinen hch gegen
ihn verfchworen zu haben. Endlofe Schwierigkeiten und Abenteuer verzögern
die Fahrt: fchon am 5. November harrt er feiner Abreife im Halen von Mar-
feille, und erh im Januar 1785 erblickt er die ewige Stadt und betritt den ge-
heiligten Boden der neuen Kunft.
In Rom jedoch ftört ihm die eigene Stimmung den Vollgenufs des Aufent-
haltes. Sein weiches Gemüth fühlt hch unglücklich am fremden Ort und entbehrt
in der ernhen Majehät diefer Umgebung fchmerzlich die befreundeten Seelen, mit
denen er feine Eindrücke auszutaufchen liebte. ((Wenn mein Geilt hch freut,
ift doch mein Herz entfernt von Zufriedenheit. Alles hier ift nichtig für mich, und
ich beifse heimlich in den Zaum der Melancholie, ohne auch nur zu verfuchen,
meine Traurigkeit zu zerftreuen.o Die Mehrzahl der Künftler, die er antraf, er-
regten feinen Unwillen durch anmafsende Urtheile über die gröfsten Meifter der
Vergangenheit; und gerade die unleidliche Schwatzhaftigkeit feiner Landsleute
widerte ihn an. So lebte er einfam und zurückgezogen, feinen Studien und
Rehexionen hingegeben. Natürlich begann auch er, der Zeitrichtung folgend,
mit Zeichnungen nach der Antike ; aber er fah he mit völlig anderen Augen an
als Mengs und feine Anhänger, als Jacques-Louis David und feine Schüler. Bald
entzückten ihn Ralfaels Meifterwerke, vor allem ((die wundervollen Teppiche,