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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,2): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Graul, Richard: Antoine-Jean Gros: geb. am 17. März 1771 in Paris, gest. daselbst am 25. Juni 1835
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https://doi.org/10.11588/diglit.36324#0247
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ANTOINE-JEAN GROS.

Kunflexperten Lebrun erweiterte den Gehchtskreis. Lebrun's Frau, die nach-
mals berühmte Porträtmalerin Vigee-Lebrun, hatte Gefallen an dem munteren
Wefen des aufgeweckten Knaben, deffen lebendige Augen voller Theilnahme dem
Zuge ihres Pinfels folgten. »Aber warum machfl du immer nur Herren und
Damen, und nie Pferde?" fragte er he einh. Als nun die Künfllerin verhcherte,
he könne keine machen, da setzte he das hebenjährige Kind durch die Gefchick-
lichkeit in Erhaunen, mit der es ein Pferd fkizzirte. Das Rofs in feiner Be-
wegung, das war und blieb die Pafhon Gros'. Nicht weit von der Wohnung, in
der rue des petits champs, lag der Marflall des Herzogs von Orleans, hier
machte Gros feine Pferdefludien. Später noch, als er nach dreijährigem Be-
fuch das College Mazarin verladen hatte, gab es für ihn kein gröfseres Vergnügen,
als eine alte Rohnante der Nachbarfchaft als Ritter zu befleigen oder mit
einem Kameraden dem Zuge der Gefpanne auf der Fahrt zu den Wettrennen
zu folgen. Gros ward in der Folge der erfte moderne franzöhfche Maler,
welcher an Stelle des konventionellen Pferdes feiner Vorgänger das richtig
beobachtete Thier mit realihifcher Treue darhellte. Gern rühmte hch der Künfller
diefer Fähigkeit und meinte einh in Hinblick auf Carle Vernet's Pferde, nein
einziges der feinen fei im Stande, drei von der Art Vernet's aufzufrehen".
Schon mehrfach hatte der kleine Gros unzweifelhafte Proben eines aufser-
gewöhnlichen Talentes abgelegt. Zum Neujahrstag 1779 überreichte er der
Mutter, der er in zärtlicher Liebe zugethan war, eine allegoriiche Kompofition,
zwölfjährig zeichnete er die Porträts der Eltern und ein andermal den Grofs-
vater Durand. Da galt es nun, für den angehenden Künfller den geeigneten
Lehrmeifter zu finden. Der Vater machte hch auf und nahm ihn mit hch in
den Salon im Louvre, und als er auf die Frage, welches der ausgehellten Gemälde
ihm das bette dünke, erfuhr, dafs dies David's »Andromache den Leichnam
Hektor's beweinend" fei, wurde zur grofsen Freude des jungen Kritikers be-
fchlohen, ihn zu David ins Atelier zu thun.
Das war im Jahre 1783. David's Behreben, nach Vien's Vorgang die Pfade
der Tradition zu verladen, trat in jenem Bilde deutlicher zu Tage als in irgend
einem feiner bisherigen Werke. Der Maler des »Schwures der Horazier" erfcheint
darin wie vorgebildet. Ungeheurer Beifall lohnte den Künfller. Noch nie
fchien die Antike tiefer erfafst, die packende Wahrheit des Ausdrucks forgfamer
beachtet — der eklektifch zufammengefuchte Apparat, die würdige Drapirung,
verdeckte noch das hohle Pathos der Darftellung, liefs den Mangel an echter
Empfindung nicht bewufst werden. Diefer Erfolg, der David endgültig in die
Akademie brachte, genügte dem ehrgeizigen Streber nicht. Zu gründlicheren
Studien zog er zum zweiten Male nach Italien (Ende September 1784), fo dafs
der Eintritt Gros' in fein Atelier verfchoben werden mufste. Für diefen war die
Verzögerung ein Jahr ungeduldigfler Erwartung. Mit eifernem Fleifse, bis zur
Gefährdung feiner Gefundheit, bereitete er hch auf leine Lehrzeit vor und machte
unter der hrengen Obhut feines Vaters fchnelle Fortfehritte. Im Oktober
des folgenden Jahres kehrte David, nunmehr der gefeierte Schöpfer der »Horaziern,
die er in Rom vollendet hatte, nach Paris zurück und begann, umringt von einer
wachfenden Schar ergebener Schüler die Stellung eines diktatorifchen Meiflers zu
 
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