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JEAN-AUGUSTE-DOMINIQUE INGRES.
mittel gegen alle Widerwärtigkeiten: die Muhk. Er liebte He mit Leidenfchaft
und mit ebenfo energifchem Gefchmack für grofsartige Einfalt und für ausdrucks-
volle Tiefe des Inhalts: Gluck, Haydn, Mozart und Beethoven find feine Aus-
erwählten, zu denen er immer zurückkehrt.
Es bleibt bewundernswerth, mit welcher muthigen Ausdauer er die drücken-
den Verhältniffe ertrug, während das Elend immer vor feiner Thür ftand. Als
fclbfl die wenigen Gönner, die ihn damals zu fchätzen wufsten, zur Nachgiebig-
keit gegen den Zeitgefchmack riethen, erklärte er: wich habe mehr Muth als
meine Widerfacher Dummheit, mehr Hartnäckigkeit als das Schickfal, das mich
verfolgt.« Zeitweilig fah er fich ganz auf die armfelige Thätigkeit eines Porträt-
zeichners befchränkt und lebte von derartigen Behebungen, die ihm durch den
Fremdenbrom fpärlich genug zuhoffen. Für acht Scudi lieferte er ein Bruhbild,
für zwölf die ganze Figur; aber gerade unter diefen Bleihiftzeichnungen, mit
denen er damals kaum das tägliche Brot verdiente, find Meiherwerke, die man
heute mit Gold bedeckt. Obgleich er felbft auch hier nach äufserber Voll-
kommenheit ftrebte, konnte er als Maler doch nicht leiden, wenn man auf diefe
Blätter befonderes Gewicht legte. Als ihn Gericault 181/ bei feiner Anwefenheit
in Rom zum erften und einzigen Mal befuchte und hch ins Anfchauen der
Zeichnungen im Vorzimmer vertiefte, zeigte Ingres hch fo gereizt, dafs der ge-
wandte Gefellfchafter felbh nicht möglich fand wieder zu kommen. Wir ver-
liehen freilich, wie der Künhlcr dazu kam. Engländer, die ihr Conterfei wünfchten,
klopften wohl bei ihm an mit der Frage: "Wohnt hier der Zeichner, der die
kleinen Porträts macht?« — "Nein«, war die Antwort, "der hier wohnt, ilt ein
Maler!« und Ingres fchlug die Thür zu vor einem Befuch, den er fonh wie eine
Wohlthat begrüfst hätte.
So feit er an Rom hing, fo war er doch nicht glücklich. Seine Leibungen
höfsten allerdings Refpekt ein und hcherten ihm die Achtung; in feiner Heimath
aber Iah er hch vergeben, an den grofsen Erfolgen, die in Frankreich Auffchen
erregten, hatte er keinen Theil. Drei oder vier Mal in dreizehn Jahren hatte er
Arbeiten für den Salon nach Paris gefchickt, ohne eine Wirkung damit zu er-
reichen. Sein "Don Pedro, der den Degen Heinrichs IV. küfst« war 1814 fab
unbemerkt geblieben; als 1819 auf ein Mal "Philipp V. und Marfchall Berwick«,
die grofse "Odaliskc« und "Roger befreit Angelika«, eine Scene aus dem raten-
den Roland, crfchicnen, liefsen die tonangebenden Referenten eine ebenfo ab-
fprcchende als verbändnifslofe Kritik an ihm aus. Das bedeutende Beifpiel
kirchlicher Kunb, das er 1820 für Sta. Trinitä de' Monti vollendete, die Verleihung
der Schlüffel an Petrus, fand in dem kleinen Kreis der Franzofen in Rom ent-
fehiedenen Beifall; aber, was half es, dafs "Forbin und Vernet vor Bewunderung
auffchrieen«, wie Ingres fclbb berichtet "und Freund und Feind glcicher-
mafsen«, wenn es in diefer Kirche begraben, bei den Franzofen in Paris unbe-
kannt blieb?
Nach Frankreich zurückkehren konnte er nicht, da ihm die Mittel zu einer
folchen Ucberhcdlung fehlten, und die Beforgnifs, hch dort nach vierzehnjähriger
Abwcfenheit fab ebenfo unbekannt wiederzuhnden, wie er gegangen war, mufste
den Gedanken daran vollends verdrängen. Aber der Wunfch, fein Glück anderswo
JEAN-AUGUSTE-DOMINIQUE INGRES.
mittel gegen alle Widerwärtigkeiten: die Muhk. Er liebte He mit Leidenfchaft
und mit ebenfo energifchem Gefchmack für grofsartige Einfalt und für ausdrucks-
volle Tiefe des Inhalts: Gluck, Haydn, Mozart und Beethoven find feine Aus-
erwählten, zu denen er immer zurückkehrt.
Es bleibt bewundernswerth, mit welcher muthigen Ausdauer er die drücken-
den Verhältniffe ertrug, während das Elend immer vor feiner Thür ftand. Als
fclbfl die wenigen Gönner, die ihn damals zu fchätzen wufsten, zur Nachgiebig-
keit gegen den Zeitgefchmack riethen, erklärte er: wich habe mehr Muth als
meine Widerfacher Dummheit, mehr Hartnäckigkeit als das Schickfal, das mich
verfolgt.« Zeitweilig fah er fich ganz auf die armfelige Thätigkeit eines Porträt-
zeichners befchränkt und lebte von derartigen Behebungen, die ihm durch den
Fremdenbrom fpärlich genug zuhoffen. Für acht Scudi lieferte er ein Bruhbild,
für zwölf die ganze Figur; aber gerade unter diefen Bleihiftzeichnungen, mit
denen er damals kaum das tägliche Brot verdiente, find Meiherwerke, die man
heute mit Gold bedeckt. Obgleich er felbft auch hier nach äufserber Voll-
kommenheit ftrebte, konnte er als Maler doch nicht leiden, wenn man auf diefe
Blätter befonderes Gewicht legte. Als ihn Gericault 181/ bei feiner Anwefenheit
in Rom zum erften und einzigen Mal befuchte und hch ins Anfchauen der
Zeichnungen im Vorzimmer vertiefte, zeigte Ingres hch fo gereizt, dafs der ge-
wandte Gefellfchafter felbh nicht möglich fand wieder zu kommen. Wir ver-
liehen freilich, wie der Künhlcr dazu kam. Engländer, die ihr Conterfei wünfchten,
klopften wohl bei ihm an mit der Frage: "Wohnt hier der Zeichner, der die
kleinen Porträts macht?« — "Nein«, war die Antwort, "der hier wohnt, ilt ein
Maler!« und Ingres fchlug die Thür zu vor einem Befuch, den er fonh wie eine
Wohlthat begrüfst hätte.
So feit er an Rom hing, fo war er doch nicht glücklich. Seine Leibungen
höfsten allerdings Refpekt ein und hcherten ihm die Achtung; in feiner Heimath
aber Iah er hch vergeben, an den grofsen Erfolgen, die in Frankreich Auffchen
erregten, hatte er keinen Theil. Drei oder vier Mal in dreizehn Jahren hatte er
Arbeiten für den Salon nach Paris gefchickt, ohne eine Wirkung damit zu er-
reichen. Sein "Don Pedro, der den Degen Heinrichs IV. küfst« war 1814 fab
unbemerkt geblieben; als 1819 auf ein Mal "Philipp V. und Marfchall Berwick«,
die grofse "Odaliskc« und "Roger befreit Angelika«, eine Scene aus dem raten-
den Roland, crfchicnen, liefsen die tonangebenden Referenten eine ebenfo ab-
fprcchende als verbändnifslofe Kritik an ihm aus. Das bedeutende Beifpiel
kirchlicher Kunb, das er 1820 für Sta. Trinitä de' Monti vollendete, die Verleihung
der Schlüffel an Petrus, fand in dem kleinen Kreis der Franzofen in Rom ent-
fehiedenen Beifall; aber, was half es, dafs "Forbin und Vernet vor Bewunderung
auffchrieen«, wie Ingres fclbb berichtet "und Freund und Feind glcicher-
mafsen«, wenn es in diefer Kirche begraben, bei den Franzofen in Paris unbe-
kannt blieb?
Nach Frankreich zurückkehren konnte er nicht, da ihm die Mittel zu einer
folchen Ucberhcdlung fehlten, und die Beforgnifs, hch dort nach vierzehnjähriger
Abwcfenheit fab ebenfo unbekannt wiederzuhnden, wie er gegangen war, mufste
den Gedanken daran vollends verdrängen. Aber der Wunfch, fein Glück anderswo