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Dorotheum <Wien> [Hrsg.]
Inkunabeln, Frühdrucke: eine französische Handschrift des XV. Jahrhunderts ; seltene Holzschnittbücher des XV. und XVI. und Kupferstich-Werke des XVI. und XVII. Jahrhunderts ; hervorragende französische illustrierte Bücher des XVIII. Jahrhunderts ; seltene Kunst-Publikationen, Auktionskataloge, Marées-Drucke, Restif de la Bretonne in Erstausgaben, alte Atlanten, Bücher in kostbaren Einbänden usw. ; illustrierte Bücher des XIX. u. XX. Jahrhunderts ; Auktion: 15. und 16. Mai 1925 (Katalog Nr. 157) — Wien, 1925

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https://doi.org/10.11588/diglit.15513#0008
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Pergament-Handschrift.

LIVRE D'HEURES. Französische Handschrift des
15. Jahrhunderts auf Pergament mit Miniaturen
geziert. 121 Blätter (20'5 X 14 cm), von vorzüglicher Erhaltung
und in schönem, altimitiertem Lederbande von
Meisterhand (Carl Sontag jun. in Leipzig). Die alte Schnitt-
vergoldung noch erkennbar. Auf den Deckeln je 4 Metall-
buckeln, ferner 2 an Lederstreifen befestigte Schließen.

Der Band enthält 9 größere, allseitig von Ranken- und Blumenwerk um-
gebene bildliche Darstellungen, 4 Lettres historiees und eine Unzahl
kleinerer Text-Initialen, in zweierlei Größe, rot, blau, goldig, mit Zier-
ranken und entsprechendes Zeilenfüllsel in Farben und Gold. Die größeren
Bilderstellen dar: Blatt 13 v Engel,einen Wappenschild an Gehänge haltend,
steht vor einem torartigen Bau, im Hintergrunde eine Stadt mit Türmen;
Blatt 14 R Verkündigung Mariae, in dem vom Erzengel Gabriel gehaltenen
Spruchband Ave gracia plena dominus tecum; Blatt 38 R Maria und Josef
anbetend vor dem Jesukind; Blatt 44R der Engel verkündigt den Hirten
die Geburt Jesu (Gloria in excelsis deo); Blatt 48 R die Anbetung der
heil, drei Könige; Blatt 52R Beschneidung Jesu im Tempel; Blatt 56R
der bethlehemitische Kindermord; Blatt 64R König David im Gebet;
Blatt 89R ein die Totenmesse lesender Priester. Die figürlichen Bild-
initialen finden sich Blatt 25R Heimsuchung Mariae; Blatt 35R Christus
am Kreuze, unterhalb Maria und Johannes; Blatt 36R Herabkunft des
heil. Geistes; Blatt 59R die Flucht nach Ägypten. Sie sind trotz der
Kleinheit des zur Verfügung gestandenen Raumes figurenreich und in
vortrefflicher Perspektive gearbeitet. Auch sonst ist die Darstellung gut,
die Farbengebung diskret und geschmackvoll, Gewänder und Randver-
zierungen durchaus mit Gold gehöht, Blattwerk und Blumen in großer
Feinheit und Genauigkeit ausgeführt. Die Sujets entsprechen, wie die
obigen Angaben zeigen, den in den Livres d'heures üblichen Darstellungen.
Im ganzen stellt sich der Schmuck des Buches als eine tüchtige franzö-
sische Arbeit vom Ende des 15. Jahrhunderts dar.
Die Entstehung des Buches oder vielmehr dessen Ort betreffend, wäre
folgendes zu sagen: Sowohl in der Litanei (Blatt 76R fg.) als besonders
im Kalender zu Anfang der Handschrift, findet sich eine Anzahl von un-
gewöhnlichen Namen. Auf den äußersten Nordwesten Frankreichs, die
Bretagne, kann schon die durch Minium erfolgte Hervorhebung des heil.
Ivo zum 19. Mai hinweisen {Patron der Bretagne), ferner der mit Minium
geschriebene Namen Maclovius zum 11. Juli und 15. November (Hinweis
auf das Bistum St. Maid), Michaelis archangeli nicht nur zum 29. Sep-
tember, sondern auch zum 16. Oktober, und zum 28. Juli die Eintragung
Sansonis episcopi Dolensis (Dol war dem Bistum St. Malo benachbart).

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