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Twachtmann-Schlichter, Anke [Hrsg.]
Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland: Baudenkmale in Niedersachsen (Band 14,1): Stadt Hildesheim: mit den Stadtteilen Achtum, Bavenstedt, Drispenstedt, Einum, Himmelsthür, Itzum, Marienburg, Marienrode, Neuhof, Ochtersum, Sorsum, Steuerwald und Uppen — Hameln, 2007

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https://doi.org/10.11588/diglit.44417#0033
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das unvollendete Projekt aufgegeben und es erfolgte eine Wiederherstellung bzw.
Modernisierung des Kirchenbaues. Ein moderner Kirchenbau mit durchlaufender Vie-
rung und dem so genannten Niedersächsischen Stützenwechsel entstand. In seinem
heutigen Kernbau präsentiert sich der Dom weitgehend aus dieser Zeit bzw. aus dem
Beginn des 12. Jh., als die Umgestaltung der Chorpartie erfolgte. Beim Wiederaufbau
des zerstörten Domes nach dem Zweiten Weltkrieg nahm man weitgehend die
Kubaturen des romanischen Domes auf, allerdings erfolgte ein Abbruch des Westriegels.
Rekonstruiert wurde der neue Westriegel nach dem Vorbild des Mindener Domes. Bei
der Gestaltung des Inneren verzichtete man beim Wiederaufbau nach 1945 weitgehend
auf Rekonstruktionen und schuf bewusst einen schlichten Innenraum für die außeror-
dentlich qualitätvolle mittelalterliche Ausstattung des Domes, den die UNESCO 1985 in
die Liste des Weltkulturerbes aufnahm. Hier sind vor allem die monumentalen Bronze-
türen, die auf Veranlassung Bischof Bernwards (993-1022) hergestellt wurden, sowie die
Bronzesäule aus seinerWerkstatt zu nennen. Einzigartig sind aber auch der Radleuchter
des Bischofs Hezilo, einer der wenigen überkommenen Großleuchter dieser Art in
Deutschland, und das in später Nachfolge bernwardinischer Gießtradition stehende
Bronzebecken vom Beginn des 13. Jh. Mit dem Kreuzgang hat sich eine der wenigen
doppelgeschossigen Anlagen der Romanik erhalten.
Ehemalige Benediktiner-Klosterkirche St. Michaelis
Beispielhaft für die Baugeschichte Deutschlands ist die Errichtung der Benediktiner-
Klosterkirche St. Michaelis, ein Meisterwerk der ottonischen Baukunst, das der kunst-
sinnige Bischof Bernward um 1010/1033 errichten ließ. Im Inneren beeindrucken vor
allem die ausgewogenen Proportionen der Raumteile. Zunehmend bestimmt das
Vierungsquadrat die Grundrissdisposition der Basiliken, ein frühes Beispiel ist St. Mi-
chaelis. Vollendung findet dies als so genanntes „Gebundenes System“ in der Romanik.
Aber auch andere Architekturelemente, wie die in der ottonischen Baukunst verwandte
„Ausgeschiedene Vierung“, der so genannte „Niedersächsische Stützenwechsel“ von
Pfeiler - Säule - Säule - Pfeiler bei den Arkaden des Mittelschiffes und die Anlage zweier
Querhäuser im Osten und Westen, werden hier beispielhaft angewandt. Ihre Umsetzung
hat die Kirche zu einem Hauptwerk der ottonischen Architektur Deutschlands werden
lassen. Der „Niedersächsische Stützenwechsel“ bleibt bei der formalen Einteilung der
Innenräume über ein Jahrhundert in Deutschland von Bedeutung und geht ebenso wie
das „Gebundene System“ in die formale Grundrissdisposition des Hildesheimer Domes
St. Maria ein. Ein qualitätvolles und aufgrund seiner Erhaltung einzigartiges Aus-
stattungsstück ist die bemalte Holzdecke in St. Michaelis. Entstanden zu Beginn des
13. Jh. zeigt die große Bildkomposition die Darstellung der Wurzel Jesse. Ein weiteres
Kleinod der Ausstattung ist die verbliebene nördliche Chorschranke der westlichen
Vierung, entstanden im Zuge der Heiligsprechung Bernwards 1193/94 und der damit
verbundenen Neugestaltung des Westchores. Aufgrund der einzigartigen baugeschicht-


Hildesheim, St. Michaelis, Blick von Südosten (Foto E. Behrens, NLD)

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